Raumplanungsgesetz: gegen die Zersiedlung durch Bauland in der Schweiz
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Verdichtetes Bauen statt Zersiedlung: die neue Raumplanung

Anfang Mai endete in den Kantonen die Umsetzungsfrist des revidierten Raumpla­nungsgesetzes. Mit diesem Gesetz soll die Zersiedlung gestoppt und verdichtetes Bauen gefördert werden. Das hat Folgen für das künftige Einzonen von Bauland in der Schweiz.

Raumplanungsgesetz bekämpft die Zersiedlung

Die Bekämpfung der Zersiedlung ist der Schweiz ein wichtiges Anliegen. Denn der Verlust von Kulturland an Wohn- und Verkehrsflächen gefährdet Lebensräume für Flora und Fauna. Zudem führt die dezentrale Ausdehnung der Siedlungsflächen zu hohen Kosten für Infrastruktur und Verkehr. Mit dem Raumplanungsgesetz will der Bund eine Entwicklung nach innen vorantreiben. Der Fokus liegt dabei auf dem Management von Bauzonen: Deren Grösse darf den voraussichtlichen Baulandbedarf für 15 Jahre nicht überschreiten.

Bis Anfang Mai 2019 hatten die Kantone Zeit, ihre Richtpläne an das neue Raumpla­nungsgesetz anzupassen und vom Bund genehmigen zu lassen. Zuvor galt für die Gemeinden ein Einzonungsmoratorium. Die Bauzonenfläche hat daher zwischen 2012 und 2017 nicht zugenommen. Im gleichen Zeitraum ist die Bevölkerung jedoch stark gewachsen. In der Folge sank die durchschnittliche Bauzonenfläche pro Einwohner von 309 auf 291 Quadratmeter. Dabei bleibt der Unterschied zwischen urbanen und länd­lichen Regionen gross. In stark bebauten Städten stellt sich mit 124 Quadratmetern Bauzonenfläche pro Einwohner eine Verdichtung ein. Touristische Gemeinden hingegen verfügen mit 662 Quadratmetern pro Einwohner über überdurchschnittlich viel Bau­zonenfläche.

Verdichtetes Bauen senkt die Bauzonenfläche pro Einwohner

Verdichtetes Bauen senkt die Bauzonenfläche pro Einwohner

Bauzonenfläche pro Einwohner in Quadratmetern

Quelle: Bundesamt für Raumentwicklung, Credit Suisse

Baulandreserven sind in der Schweiz ungleich verteilt

Trotz des Einzonungsmoratoriums sind in der Schweiz noch immer Reserven von geschätzten 11 bis 17 Prozent der gesamten Bauzonenfläche vorhanden. Diese unbebauten Flächen sind jedoch regional ungleich verteilt: Besonders in den West­schweizer Kantonen Wallis, Genf, Freiburg und Waadt bestehen hohe Reserveanteile. In den Kantonen Basel-Stadt oder Zürich sind diese deutlich kleiner. Experten der Credit Suisse schätzen, dass die heute bestehenden Bauzonenreserven im Grossraum Zürich ohne eine Erhöhung der Baudichte in weniger als zehn Jahren vollständig auf­gebraucht sein werden. Auch Teile der Regionen Waadt, Freiburg, Aargau, Thurgau, Luzern und Schwyz dürften in 15 Jahren ohne Verdichtung ihre Reserven ausgeschöpft haben.

In 84 der 110 Schweizer Wirtschaftsregionen bestehen dagegen Reserven, die den voraussichtlichen Baulandbedarf von mindestens 15 Jahren abdecken. In solchen Regionen sind gemäss dem Raumplanungsgesetz prinzipiell nur Neueinzonungen möglich, wenn anderorts Rückzonungen vorgenommen werden. Jedoch haben die Kantone relativ viel Spielraum bei der Berechnung ihres künftigen Baulandbedarfs. Trotzdem anerkennen einige Kantone (Uri, die beiden Appenzeller Halbkantone, Graubünden, Schaffhausen, Jura und das Wallis), dass ihre Bauzonen gemäss Bundesvorgaben überdimensioniert sind. Diese Kantone müssen einen Teil ihrer Bauzone als Reservezone ausweisen, die für eine bestimmte Zeit nicht bebaut werden darf, oder es müssen Rückzonungen veranlasst werden. Auch in den übrigen Kantonen sehen die Richtpläne lokal solche Massnahmen vor.

Bauland in der Schweiz ist in Zürich am knappsten

Im Grossraum Zürich ist Bauland in der Schweiz am knappsten

Anzahl Jahre (ab 2018), bis Bauzonenreserven ohne Verdichtung vollständig aufgebraucht sind (Schätzung der Credit Suisse)

Quelle: Credit Suisse, Bundesamt für Raumentwicklung, Bundesamt für Statistik

Raumplanungsgesetz gibt strenge Auflagen für Neueinzonungen vor

Kantone, deren revidierter Richtplan bis 1. Mai 2019 genehmigt wurde, dürfen grundsätzlich wieder neues Bauland einzonen. Dennoch sollten zuerst Baulücken geschlossen und unternutzte Flächen stärker genutzt werden. Neueinzonungen können vorgenommen werden, wenn die Bauzonenauslastung für die nächsten 15 Jahre 100 Prozent übersteigt. Ausserdem muss das Land voraussichtlich innerhalb von 15 Jahren überbaut werden. In acht Kantonen gilt jedoch bis auf Weiteres ein generelles Einzonungsmoratorium, da diese die Vorgaben des Raumplanungsgesetzes nicht fristgerecht umgesetzt haben (Genf, Glarus, Luzern, Obwalden, Schwyz, Tessin, Zug und Zürich).

Ebenfalls in den kantonalen Richtplänen enthalten sind Vorgaben zur räumlichen Verteilung des künftigen Bevölkerungswachstums. Agglomerationen sollen stärker wachsen als ländliche Gebiete. Gemeinden müssen sich ausserdem an Mindestdichten für Wohn- und Mischzonen halten, um so die Siedlungsentwicklung nach innen voranzutreiben.

Landbesitzer sind unterschiedlich vom Raumplanungsgesetz betroffen

Die neuen raumplanerischen Rahmenbedingungen wirken sich auch auf Landbesitzer aus. Zu den Verlierern gehören Besitzer von Landwirtschaftsland, die auf eine Ein­zonung gehofft haben. Besitzern von unüberbautem Land in Gemeinden mit über­dimensionierten Bauzonen drohen ausserdem Rückzonungen – im schlechtesten Fall ohne Entschädigung.

Viele Eigentümer von bebauten oder unbebauten Grundstücken werden jedoch von den verstärkten Verdichtungsbemühungen profitieren. Durch Aufzonungen, also die Erhö­hung der maximal zulässigen Ausnutzung des Grundstücks, können oft beträchtliche Wertsteigerungen realisiert werden.

Städte sind im Kampf gegen die Zersiedlung gefordert

Generell dürfte die ausreichende Versorgung mit Bauland in der Schweiz nicht gefährdet sein. Vor der grössten Herausforderung stehen dicht besiedelte urbane Regionen: Hier ist nur wenig für Einzonungen geeignetes Land vorhanden, und gegen Neueinzonungen regt sich oft politischer Widerstand. Das macht eine Verdichtung in den Agglomerationen unumgänglich.

Nun liegt es an den Städten, trotz Verdichtung eine hohe Siedlungsqualität zu gewähr­leisten. Gelingt dies nicht, sinkt die Wohnqualität und das Mietpreisgefälle zwischen Zentrum und Umland nimmt zu. Der Attraktivitätsverlust der Städte verlegt den Sied­lungsdruck nach aussen – und zwar an die Agglomerationsränder und in ländliche Regionen. Das würde eine Zersiedlung wieder verstärken.

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