Risiken der Wohneigentumsförderung beachten. Experten geben Auskunft.
Die Wohneigentumsförderung erlaubt den Kauf einer Erstwohnung mit Vorsorgekapital. Doch bei einem Vorbezug oder der Verpfändung von Altersguthaben sollte man weit vorausschauen. Finanzberaterin Alexandra Caliman und Hypotheken-Experte Marco Schmutz klären auf: Diese Risiken sollten Sie einkalkulieren.
Frau Caliman, raten Sie Ihren Kunden, ihr Altersguthaben für die Finanzierung ihrer Erstwohnung einzusetzen?
Alexandra Caliman*: Angesichts der hohen Immobilienpreise und der verfügbaren Liquidität hat die Mehrheit keine andere Wahl. Sie müssen Vorsorgekapital beziehen, um sich den Wunsch nach einem Eigenheim erfüllen zu können. Viele denken aber nicht an die Konsequenzen, die der Bezug für die Vorsorge nach sich ziehen könnte. Als Experten ist es unsere wichtigste Aufgabe, unsere Kunden auf diese Risiken aufmerksam zu machen, sie hinsichtlich der Risikominderung zu beraten oder auf andere Lösungen hinzuweisen. Die Verpfändung wäre beispielsweise eine Alternative.
Welche Risiken meinen Sie?
Alexandra Caliman: Werden Gelder aus der 2. oder 3. Säule für den Kauf von Wohneigentum bezogen, steht dieses Geld nicht mehr für den Ruhestand zur Verfügung. In einigen Fällen können sich auch die Risikoleistungen bei Tod oder Invalidität verringern. Zusätzlich können Steuern auf den Bezug anfallen.
Bei einer Verpfändung ist es möglich, den Hypothekenbetrag von 80 auf 90 Prozent des Kaufpreises der Immobilie zu erhöhen. Das fordert wiederum höhere Ersparnisse, wenn der Kunde oder die Kundin die Hypothek zu einem späteren Zeitpunkt amortisieren möchte. Kunden sollten zudem beachten, dass das Aufstocken des Hypothekarkredits einen höheren Zinsaufwand und weitere Kosten für die Errichtung des Schuldbriefs zur Folge hat.
Eine Verpfändung bietet mehr finanzielle Möglichkeiten, allfällige Vorsorgelücken zu kompensieren.
Marco Schmutz, Hypotheken-Experte im Hypotheken-Center in Nyon
Wie genau wirkt sich denn ein Vorbezug auf die Steuerlast aus?
Alexandra Caliman: Je höher das bezogene Kapital, desto höher ist auch der Steuersatz. Das Vorsorgekapital wird begünstigt besteuert und von anderen Einkommen abgetrennt. Dieser begünstigte Steuersatz variiert je nach Kanton und hängt von der Familiensituation ab. In Genf zum Beispiel müsste eine verheiratete Person ohne Kinder auf einen Bezug von 29’000 Franken keine Steuern zahlen. In Lausanne hingegen hätte diese Person auf den gleichen Bezug rund 1’000 Franken Steuern zahlen müssen.
Herr Schmutz, empfehlen Sie Ihren Kunden öfter eine Verpfändung oder einen Vorbezug?
Marco Schmutz*: Die Verpfändung von Geldern aus der 2. Säule ist interessant, weil dem Kunden die Möglichkeit bleibt, Einkäufe in die Pensionskasse zu tätigen. Diese Einkäufe lassen sich gänzlich vom steuerbaren Einkommen abziehen. Bei einem Vorbezug sind solche Einkäufe erst möglich, sobald der Kunde den Bezug zurückgezahlt hat. Eine Verpfändung bietet demnach mehr finanzielle Möglichkeiten, allfällige Vorsorgelücken zu kompensieren.
Dennoch gilt es, die von Alexandra genannten Risiken der Verpfändung zu beachten. Zwischen Vorbezug und Verpfändung abzuwägen, ist wichtig und ebenso komplex. Die Vorschriften der Pensionskassen variieren, Anforderungen an die Eigenmittel können sich ändern, und dann sind da Eingriffe der SNB, die Marktpreise, Hypothekarzinsen usw. Auch in Zukunft wird es keine einfache Sache sein, Eigentümer zu werden.
Kommen wir zurück zu den Risiken. Was geschieht bei einer Scheidung, wenn Vorsorgegelder für den Kauf von Wohneigentum eingesetzt wurden?
Alexandra Caliman: Nun, bei einer Scheidung, die den Verkauf der gemeinsamen Liegenschaft nach sich zieht, muss der aus der 2. Säule bezogene Betrag grundsätzlich zurückgezahlt werden. Sollte eine der beiden Parteien die Liegenschaft übernehmen, muss sie ihren Ex-Ehepartner in Höhe des von diesem aus dessen Pensionskasse entnommenen Anteils entschädigen. Wird das Vorsorgeguthaben im Gange der Scheidung auf die beiden Parteien geteilt, werden zudem allfällige Vorbezüge bei der Teilung berücksichtigt.
Und was passiert im Todesfall des Versicherten mit dem in die Erstwohnung investierten Geld?
Alexandra Caliman: Je nach System der Pensionskasse könnten Renten und weitere Leistungen für die Hinterlassenen, wie beispielsweise das Todesfallkapital, schmäler ausfallen.
Marco Schmutz: Das gilt sowohl für die Witwen- als auch für die Waisenrente. Ein Vorbezug kann zur Folge haben, dass sich diese beiden verringern. Das ist aber von Pensionskasse zu Pensionskasse unterschiedlich.
Alexandra Caliman: Und wenn die Erben nicht von den Risikoleistungen profitieren können, beispielsweise Kinder, denen keine Waisenrente mehr zusteht, müssen diese das entnommene Kapital zurückzahlen.
Der Hinterlassene hat im Todesfall seines Konkubinatspartners keinen Anspruch auf den Eigentumsanteil des Verstorbenen an der Liegenschaft.
Alexandra Caliman, Finanzplanerin Region Genf
Unterscheiden sich die Risiken der Wohneigentumsförderung bei Ehe und Konkubinat?
Alexandra Caliman: Im Konkubinat sollten Paare beachten, dass der Partner im Gegensatz zu einer verheirateten Person mit einem Kind nicht zwingend eine Witwer- oder Witwenrente erhalten wird. Die Voraussetzungen, die für einen Bezug dieser Leistung erfüllt sein müssen, hängen vom Reglement der betreffenden Pensionskasse ab. Kauft man andererseits im Konkubinat oder als Ehepaar ein Eigenheim als Miteigentum, sprich jeder Partner ist zu einem bestimmten Anteil Eigentümer, bemisst sich die Höhe des Guthabens, das jeder von ihnen aus seiner 2. Säule beziehen darf, gleichermassen an ihrem Eigentumsanteil. Ferner ist dies nur für die Erstwohnung möglich.
Ausserdem hat der Hinterlassene im Todesfall seines Konkubinatspartners keinen Erbschaftsanspruch. Folglich kann der Hinterlassene keinen Anspruch auf den Eigentumsanteil des Verstorbenen erheben. Dieser wird nach Schweizer Recht auf seine gesetzlichen Erben übertragen. Die Erben können auf ihren Anteil an der Liegenschaft verzichten, falls der Hinterlassene diesen rückkaufen möchte. Damit es gar nicht erst so weit kommt, kann vorgängig ein Testament aufgesetzt werden. Es regelt unter Berücksichtigung der gesetzlich vorgegebenen Pflichtteile die Zuteilung des Nachlasses und somit auch der Eigentumsanteile des Verstorbenen.
Marco Schmutz: Sie sehen, mit zwei Eigentümern werden Fragen wie das Erbringen der Eigenmittel und die Tragbarkeit der Finanzierung nochmals komplexer.
Wie können sich Kunden vor diesen Risiken schützen?
Marco Schmutz: Zentral ist es, Versicherungen zur Risikoabdeckung abzuschliessen, beispielsweise in der Säule 3b. Am besten sollten die Details mit einer Fachperson besprochen werden. Denn nicht jede Lücke in der Vorsorge kann generell allein über die 3. Säule kompensiert werden.
Welche Unterstützung können Sie Ihren Kunden dabei bieten?
Marco Schmutz: Aus dem Pensionskassenausweis ist die Höhe des Betrags ersichtlich, der aus der 2. Säule bezogen werden kann. Mit dieser Information können wir eine Simulation verschiedener Szenarien erstellen. Der Kunde erhält so einen Eindruck davon, wie sich ein Vorbezug oder eine Verpfändung auf seine Vorsorge auswirkt.
Gibt es Fälle, in denen Sie Kunden ganz von einem Vorbezug der Vorsorgegelder für Wohneigentum abraten?
Alexandra Caliman: Ich rate davon ab, wenn der Kunde oder die Kundin bereits kurz vor der Pensionierung steht, da sich in diesem Fall der Zeitrahmen für die Rückzahlung des Bezugs verringert. Das gilt auch für alleinstehende Personen, die keine Möglichkeiten der Steueroptimierung über Einkäufe mehr haben.