Wirtschaftliche Entwicklungen: Einblicke für Anlegerinnen und Anleger
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Die Roaring Twenties des 21. Jahrhunderts. Was Anlegerinnen und Anleger bewegt.

Anlegerinnen und Anleger blicken zurzeit gebannt auf globale wirtschaftliche Entwicklungen. Denn die aktuelle Dekade ist geprägt von technologischen Fortschritten, die ihre Spuren auch an der Börse hinterlassen. Grundsätzlich ist die Stimmung positiv.

Optimistische Grundhaltung bei Anlegerinnen und Anlegern

Die Wall Street und die Schweiz scheinen manchmal Welten entfernt zu sein; die Stimmung ist allerdings an beiden Orten geprägt von konzentrierter Zuversicht. Unternehmerische Resilienz, das Erreichen des Zenits bei Zinsen und Inflation, kaufkräftige Konsumentinnen und Konsumenten, globaler Fiskalstimulus und Innovationskraft sind nur einige Gründe dafür. Aber es gibt auch vielfältige Risiken. Während sich manche fragen, ob künstliche Intelligenz (KI) gerade eine Börsenblase schafft, sehen andere die weitreichenden Chancen der KI. Kein Zweifel: KI wird in fast allen Bereichen der Wirtschaft und des täglichen Lebens vor allem für technische Weiterentwicklungen sorgen. Sie ist ein unaufhaltsamer Innovationsbeschleuniger.

Allerdings: Um von der IT und der KI zu profitieren, muss man nicht zwingend in Halbleiterhersteller investieren. Denn wenn die KI liefert, was sie verspricht, dann gewinnen am Ende fast alle. Somit haben die 20er Jahre dieses Jahrhunderts eine gewisse Ähnlichkeit mit den «Roaring Twenties» vor 100 Jahren, also einer von disruptiven Entwicklungen geprägten Dekade.

Gesunde Schweizer Unternehmen und Staatsfinanzen

Zuversichtlich sieht es auch für Schweizer Unternehmen aus; diese sind durchaus als gesund einzuschätzen. Solide Bilanzen und Umsätze, eine solide Auftragslage sowie Investitionsdisziplin bewahrten die Unternehmen vor der konjunkturellen Abkühlung. Die Zinswende hat bislang wenig Schaden ausgelöst. Investitions- und Bewertungsentscheide hängen eben nicht nur von den Zinsen ab. Ohnehin zeichnet sich die Schweiz durch die tiefste Inflation, die tiefsten Staatsschulden und die stärkste Währung der Welt aus.

Die Schweizer Schuldenbremse, welche ihr 20-jähriges Jubiläum feiert, erklärt die finanzwirtschaftlichen Besonderheiten bei Zinsen, Inflation und Währung. Sie trat 2003 in Kraft und hat hervorragende Dienste geleistet. Eine Schuldenquote von unter 30 Prozent hilft künftigen Generationen und stärkt das Land. Es erstaunt also nicht, dass Schweizer 10-Jahres-Renditen in diesem Jahr mit –0,65 Prozentpunkten den stärksten Rückgang im internationalen Vergleich aufwiesen.1 Erfreulicherweise stützt das auch Schweizer Immobilienanlagen.

Vom «Capex-Superzyklus» zur «Rache der Old Economy»

Vom «Capex-Super-Zyklus» sprach Marko Papic, renommierter amerikanischer Geopolitik-Stratege, kürzlich am Investoren-Gipfel der Credit Suisse in Andermatt. Er illustrierte, wie rund um die Welt in neue Fertigungskapazitäten investiert werde. Daher habe sich die Nachfrage nach seltenen Mineralien in den letzten fünf Jahren verdoppelt, was den Wettlauf um Rohstoffe, Technologie und Fertigungskapazitäten immer mehr beschleunige. Der Experte sieht eine Parallele zur weltwirtschaftlichen Erholung nach der Finanzkrise 2008: Damals wechselten in der Krise viele Unternehmen ihre Eigentümer, was später einen Schub an neuen Kapazitätsinvestitionen auslöste. Ähnlich boomt zurzeit in den USA bereits der Bau neuer Fabriken. Dabei geht es stets um «Smart Factories».

Weiter erkennt Marko Papic entlang der drei Supertrends Sicherheitswende, Energie- und Klimawende sowie Reglobalisierung verbreiteten Investitionsnachholbedarf. Werden neue Fabriken gebaut, dann müssen auch neue Maschinen, Strassen, Stromleitungen und Solardächer sowie vieles mehr dazukommen. Weil das eine stets zum anderen führt, ist hier von der sogenannten «Rache der Old Economy» die Rede: Nach Jahren der Unterinvestition schlägt das Pendel plötzlich in die andere Richtung aus. Letztlich hat dies Russlands Angriff auf die alte Weltordnung ausgelöst.

Der Prozess ist noch lange nicht abgeschlossen – eine Herkulesaufgabe. Sie wird vielleicht Jahrzehnte dauern, dabei viel Kapital sowie Innovationen erfordern. Auch deshalb sollten Anlegerinnen und Anleger ihre oft auf die USA fokussierte Perspektive relativieren.

Wie weiter mit China und der Weltwirtschaft?

Die Annahme, Chinas Wirtschaft stehe vor einer Implosion, ist ein Missverständnis. Zwar ist Chinas Immobilienkrise noch nicht vorbei. Doch die Industrie hat sich stabilisiert, Exporte und Stromnachfrage steigen wieder und Chinas Regierung kennt ihre Hebel zur Stimulierung sehr gut. Während sie den Preiszerfall bei Immobilien nicht aufhalten wird, kann sie Privathaushalten und Banken einen Teil der Last abnehmen. Sie kann neue Jobs schaffen, notleidende Kredite verstaatlichen und Steuern senken.

Dass die Regierung auch mit geopolitischem Druck zur Reglobalisierung geschickt umzugehen weiss, zeigt sie exemplarisch in Vietnam: Trotz ungelöster Grenzkonflikte ist China in diesem Land jüngst zum führenden Auslandsinvestor avanciert. Dies, weil Washington «Made in China»-Produkte mit Handelshemmnissen belegt. Also haben viele chinesische Unternehmen ihre Produktion nach Vietnam verlagert. Ähnlich in Indonesien: Dort betreibt China mittlerweile die grössten Batteriefabriken. Auf diese Weise sinken die Produktionskosten und der Export wird erleichtert. Denn die Labels «Made in Vietnam» und «Made in Indonesia» sind in den USA immer noch gern gesehen.

Kann die US-Notenbank ihre Ziele ohne Rezession erreichen?

Zurzeit sind alle Blicke auf die US-Notenbank (Fed) gerichtet. Jerome Powell, der Präsident der Fed, nannte jüngst in Jackson Hole drei Bedingungen, die erfüllt sein müssten, bevor es zu einer geldpolitischen Lockerung kommen könne:

  • einen Rückgang der Kerninflation in die Nähe von zwei Prozent im Jahresvergleich
  • eine Abkühlung des US-Arbeitsmarkts, um Lohn-Preis-Spiralen zu vermeiden
  • eine Mässigung beim privaten Konsum

Lassen sich diese drei Ziele ohne Rezession erreichen? Durchaus möglich. Drei Fälle erklären die positive Einschätzung der Credit Suisse exemplarisch:

  1. Die US-Arbeitslosigkeit ist auf einem Rekordtief. Die Historie und die Konjunkturmodelle der Credit Suisse suggerieren, dass die nächste Bewegung nach oben führt – was die Fed begrüssen dürfte. Letzte Woche stieg die Arbeitslosenquote der USA zudem von 3,5 auf 3,8 Prozent.
  2. Auch die US-Sparquote liegt auf einem extrem tiefen Niveau. Ihr Anstieg könnte der Arbeitslosigkeit folgen, sodass die Fed dem Ziel einer Mässigung des Konsums näher kommen könnte.
  3. Die US-Kerninflation lag in den letzten drei Monaten auf annualisierter Basis bereits bei 2,9 Prozent. Zwar liegt sie im Vorjahresvergleich noch bei 4,2 Prozent. Doch ein weiterer Rückgang auf 3,5 Prozent im kommenden Jahr und zwei Prozent bis 2025 scheint plausibel.2
Wirtschaftliche Entwicklung: US-Kerninflation sinkt

Die US-Kerninflation sank auf 2,9 Prozent

Letzter Datenpunkt: Juli 2023
Quelle: Bureau of Economic Analysis, Yardeni Research, Credit Suisse

Börse: Gewinner und Verlierer 2023

Zu Beginn des Herbstes lohnt es sich, auch danach zu fragen, wie sich die globalen Herausforderungen und Entwicklungen seit Jahresbeginn auf die Märkte ausgewirkt haben. Wer konnte bis dato überzeugen, wer hat enttäuscht? Wie immer ergeben sich bei solchen Analysen manche Überraschungen. Fast nie decken sie sich mit allen Erwartungen. Anbei einige Punkte:

  1. Japanische Aktien liegen seit Jahresbeginn mit einem Plus von 27,8 Prozent vorne. 
  2. Die IT hat als Sektor mit +34,24 Prozent den Spitzenplatz erklommen.
  3. Der grösste Rückgang bei Anleihenrenditen betraf dieses Jahr Schweizer Eidgenossen mit –65 Basispunkten.
  4. Bei den festverzinslichen Anlagen schlossen Senior Loans seit Jahresbeginn am besten ab. Mit einem Plus von 9,1 und 10,5 Prozent in US-Dollar beziehungsweise Euro liessen sie alle anderen Anleihenkategorien hinter sich.
  5. In Schwellenländern schnitten die Schwellenländeranleihen in Hartwährung mit +4,3 Prozent am besten ab.
  6. Die Schweiz weist die weltweit tiefste Inflation und die stärkste Währung auf – dies dank der Schweizer Schuldenbremse. Die schwächste Währung ist 2023 die türkische Lira mit –30 Prozent zum US-Dollar.
  7. Bei den Rohstoffen verloren – wegen Chinas Baisse – die Industriemetalle 9,2 Prozent, während Edelmetalle um 5,2 Prozent aufwerteten. Der grösste Preisrückgang fand bei Erdgas statt.
Börse: Blick auf globale Märkte

Globale Märkte – ein Überblick

Letzter Datenpunkt: 5.9.2023
Quelle: Bloomberg, Datastream, Credit Suisse / IDC

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