Schweizer Wirtschaft 2024: 12 Gründe für Zuversicht
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«Let the Good Times Roll» – 12 Gründe für Zuversicht

Viele optimistische Einschätzungen vom Anfang des letzten Jahres haben sich im Jahresverlauf bewahrheitet. Was damals noch kontrovers diskutiert wurde, ist inzwischen oftmals Marktkonsens. Die Inflation sinkt, die Wirtschaft ist produktiv und Cashflows fallen höher aus denn je. Im neuen Jahr gibt es zudem ein Dutzend Gründe, die für Zuversicht sprechen.

Der Reiz von Ferien beflügelt den Dienstleistungssektor

Um den Konsum steht es gut: Das SECO1 prognostiziert für den Schweizer Tourismus einen starken Winter 2023/2024. Ein solch kräftiger Tourismus illustriert exemplarisch zweierlei: Erstens, dass Konsumentinnen und Konsumenten der hohen Beschäftigungsquote und den steigenden Löhnen entsprechend nach wie vor viel Geld ausgeben. Zweitens relativiert dieser Trend das im Jahresvergleich eher stagnierende Weihnachtsgeschäft. Mehr Logiernächte stehen für eine Verschiebung von Präferenzen. Nachdem Konsumentinnen und Konsumenten während der Pandemie überdurchschnittlich viel dauerhafte Konsumgüter erworben hatten, wollen sie jetzt mehr Dienstleistungen. Davon profitiert neben dem Gesundheitssektor vor allem die Reise- und Tourismusbranche – was sich auch in steigenden Aktienkursen vieler Fluggesellschaften, Hotels und Bergbahnen widerspiegelt.

Kurzum: Die Wirtschaft läuft zwar nicht überall rund – bei den Dienstleistungen allerdings schon. Und diese machen in der Schweiz etwa die Hälfte des gesamten Konsums aus.

Wie weiter im Jahr 2024? Zwölf Gründe für Zuversicht

Naturgemäss fragen sich Investorinnen und Investoren zur Jahreswende, wie die Aussichten für 2024 stehen. Viele zuversichtliche Einschätzungen waren im letzten Januar noch durchaus umstritten. Doch nach der jüngsten Jahresendrally avancierten einige zum allgemeinen Konsens. Das mahnt zur kritischen Überprüfung. Doch unter dem Strich obsiegt im Hauptszenario weiterhin die Zuversicht für eine sanfte Landung, mit Wachstum leicht unter Trend und einem weiteren leichten Aufwärtspotenzial für die globalen Aktienmärkte. Zwölf Gründe zur Illustration.

1. Cashflows von US-Unternehmen sind rekordhoch

Nie erwirtschafteten US-amerikanische Unternehmen mehr Cash als im letzten Jahr. Ähnlich in der Schweiz. Kein Wunder: Die meisten Bilanzen sind gesund und die viel beschworene Kreditkrise beschränkte sich auf Einzelfälle. Steuereinnahmen und die Ausgaben vieler Staaten setzten neue Rekorde. Zwar kaschieren aggregierte Zahlen die erwähnte Schwäche in der Industrie, im Wohnbau und bei Konsumgütern. Doch gesamtwirtschaftlich gleichen die starken Dienstleistungssektoren das Ungleichgewicht aus. Zudem gibt es frühe Anzeichen einer Erholung der «Güter-Baisse». So stieg im Dezember gemäss der Europäischen Kommission der Indikator der wirtschaftlichen Einschätzung (ESI) in der Eurozone zum dritten Mal in Folge. Automobilverkäufe legten im Dezember zu, wie Daten des US Bureau of Economic Analysis zeigen. Sogar Kupfer, bekannt für seine Konjunktursensibilität, zeigte im Dezember eine steigende Tendenz.

2. Zinsen entsprechen wieder der historischen Norm

Nach vielen Jahren mit Nullzinsen werden die Sparenden wieder belohnt. Neben Pensionskassen und Privathaushalten profitiert davon auch der Konsum. Mehr noch: Entgegen vielen Kassandrarufen hat die Zinswende bislang keine Rezession ausgelöst. Verständlich, dass Zentralbanken wenig Eile haben, Zinsen zu senken. Denn ihnen gab die Zinswende wertvolle Manövriermasse für die nächste Krise. Erste Zinssenkungen sind gegen Jahresmitte zu erwarten. Aber wichtiger als die Leitzinsen sind die Kapitalmarktrenditen. Sie lösten letztes Jahr die Jahresendrally und die stärkste Anleihenmarkt-Rally seit 1985 aus.

3. Viele Konsumentinnen und Konsumenten sind vermögend, liquide und zuversichtlich

«Live long and prosper» heisst der vulkanische Gruss aus Star Trek. Für die Generation der Babyboomer trifft das zu. Ihr Vermögen war nie höher: Pensionskassen, Dividenden, Zins- und Immobilieneinkommen erreichten im vergangenen Jahr ein Allzeithoch. Die Generation der «Senior Citizens» ist die kaufkraftstärkste unserer Zeit.

4. Tiefe Arbeitslosigkeit

Die hohe Beschäftigungsquote fördert den sozialen Frieden, während der Personalmangel viele Unternehmen fordert. Natürlich liegt auch darin ein versteckter Segen: das Comeback der Produktivität. In der Zwischenzeit stützen rekordstarke Arbeitsmärkte Reallöhne, Jobsicherheit und Zukunftszuversicht. Vor allem die sogenannte Generation X profitiert davon – sie ist die Generation mit der zweithöchsten Kaufkraft.

5. Das Comeback der Produktivität

Unternehmen reagieren auf Personalmangel mit Digitalisierung, Prozessoptimierung, Outsourcing, Automatisierung oder neuen Technologien wie künstlicher Intelligenz (KI). Trotz vieler Herausforderungen sind die durchschnittlichen Gewinnmargen in der Schweiz und in den USA höher denn je. Dahinter steht das stärkste Comeback der Produktivität seit Beginn der 1990er-Jahre, als Mobilkommunikation und das Internet für einen grossen Produktivitätsschub sorgten.

Zudem ist produktivitätsgetriebenes Wachstum disinflationär. Denn der Wettbewerb zwingt Unternehmen, ihre Produktivitätsgewinne mit Arbeitnehmenden sowie Konsumentinnen und Konsumenten zu teilen. Weil das auch den Konsum stützt, ist dies sie eine Win-win-Situation für Gesellschaft und Börsen.

6. Inflation: So wie sie gekommen ist, geht sie auch vorüber

In der Güterindustrie gibt es kaum noch Preiserhöhungen. Allein bei personalintensiven Dienstleistungen, bei denen die Inflation wegen der Pandemie erst später einsetzte, steigen die Preise noch immer. Doch auch hier dürfte die Inflation zurückkommen. Wer Inflationszyklen genau studiert, erkennt ihre Symmetrie. Preise, die schnell und stark ansteigen, sinken in freien Märkten ebenso rasch. Das liegt an ihrer Lenkfunktion. Steigende Preise bewirken Konsumverzicht und bremsen sich selbst aus. Im Basisszenario unten gehen wir davon aus, dass die Inflation im zweiten Halbjahr in Richtung der Zentralbankziele sinkt.

Schweizer Wirtschaft: Inflation ist fortgeschritten

Die Rückbildung der Inflation ist bereits weit fortgeschritten

Quelle: Macrobond, UBS, per November 2023

7. Marktführerschaft – wie ein Schneeball, der zur Lawine wird

Der aktuelle Bullenmarkt begann am 11. Oktober 2022 mit einer kleinen Gruppe von Wertschriften, den so genannten «MegaCap-8-Unternehmen». Sollte er fortdauern – was zu erwarten ist –, dann dürften Anlegerinnen und Anleger ihr Augenmerk in der nächsten Phase weiteren Titeln widmen. Denn viele suchen nach der jüngsten Rally nach «Nachzüglern», also Titeln, die immer noch günstig und vielversprechend erscheinen.

Man betrachte zunächst die bisherigen Marktführer, die sogenannten «MegaCap-8-Unternehmen» und ihre letztjährigen Performances: Aggregiert legten sie 2023 um 75 Prozent zu, der S&P 500 kam auf +26 Prozent. Allerdings – und das wird von den Bären oft übersehen – relativieren sich diese Zahlen durch ihre ebenfalls überdurchschnittlichen Kursverluste im Vorjahr. Des Weiteren steht hinter ihrer Performance ein starkes Gewinnwachstum – und nicht etwa spekulative Euphorie.

Anleger: Bullenmarkt dürfte anhalten

Gewinne pro Aktie seit 2015

Quelle: Bloomberg, UBS; per November 2023

Während die Bären in der engen Marktführerschaft ein Warnsignal zu erkennen glauben, kann dies auch als Chance betrachtet werden. Bei Qualitätsaktien besteht das grösste Ertragspotenzial. Wenn Anlegerinnen und Anleger Kernpositionen in Qualitätsaktien durch taktische Engagements in US-Small-Caps ergänzen, sollten sie gut positioniert sein, um von mehr Aufwärtspotenzial zu profitieren, falls die Märkte weiter steigen.

Noch ein Wort zum Thema Bewertung. Sie liegt für die «MegaCap-8-Unternehmen» mit einem durchschnittlichen Forward-Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 27x in einem ähnlichen Bereich wie Anfang 2022 und ein Viertel unter dem Forward-KGV von 38x vom August 2020. Die Gesamtbewertung des S&P 500 liegt mit und ohne MegaCap-8-Titel bei 19x beziehungsweise 17x.

8. Zwei Drittel der S&P-Branchenbewertungen sind seit 2022 gefallen

Trotz der Jahresendrally notieren die Bewertungen in acht der elf Hauptsektoren des S&P 500 aktuell tiefer als zu Beginn 2022. Einige Details:

  • Die KGV der elf Hauptbranchen des S&P 500 Index und ihre Veränderungen seit Januar 2022: Immobilien (KGV: 38x, –27% im 2-Jahres-Vergleich), IT (27x, –6,5 %), Nicht-Basiskonsumgüter (26x, –18,4 %), Industrie (20x, –4,2 %), Baumaterialien (19,5x, +15 %), Basiskonsumgüter (19x, –12 %), Gesundheit (18x, +3 %), Kommunikationsdienstleistungen (17x, –17 %), Versorger (16x, –23 %), Finanzdienstleistungen (15x, –1 %), Energie (11x, +1 %), verglichen mit dem gesamten S&P 500 (19,8x, –9 %).
  • Die KGV der acht günstigsten Subbranchen: Rückversicherungen (6x), Passagier-Fluggesellschaften (7x), integrierte Telekommunikationsdienstleistungen (7x), Haushaltsapparate (8x), diversifizierte Versicherungen (9x), Öl- und Gas-Raffinerien und -Vertreiber (10x), Rundfunk und Streaming (10x), Energie-Exploration (10x).

9. Reshoring, Energiewende und Industriepolitik schaffen weiterhin viele neue Jobs

Der Boom bei Fabrikneubauten schafft in den USA eine rekordhohe Beschäftigung im Baugewerbe. Letztes Jahr wurden mehr neue Produktionsstätten errichtet als je zuvor in einem Jahr. Dabei geht die Reindustrialisierung weit über die USA hinaus. Auch in vielen anderen Ländern boomt der Bau neuer Fabriken. Sie wollen von der Verschiebung globaler Lieferketten profitieren. In Europa vollzieht sich die Entwicklung langsamer. In der Schweiz ist sie wegen der hohen Lohnkosten kaum relevant. Insgesamt dürfte der Infrastrukturausbau in den Megatrends Energie, Klima, Mobilität, Sicherheit, Lieferketten ein zunehmend wichtiger Auftraggeber der Wirtschaft bleiben.

10. Immobilien und Bauwirtschaft profitieren von monetärer Lockerung

Während die Nachfrage nach Wohnraum ungebrochen ist, reagierten Immobilienpreise und Bauwirtschaft sensibel auf die Zinswende. Doch der Rückgang der Kapitalmarktrenditen und Leitzinsen 2024 sollte helfen. Wohnimmobilienpreise und Bautätigkeit ziehen in den USA und Europa wieder an. Auch die Nachfrage nach Baumaterialien, Einrichtungen und ähnlichen Gütern spürt das Frühlingserwachen.

Investtrends: Sinkende Zinsen dürften Immobilien stärken

Sinkende Zinsen dürften Bau und Immobilien stärken

Quellen: Macrobond, UBS, per Dezember 2023

11. Vielleicht nehmen geopolitische Risiken nicht zu

Die tragische Entwicklung löst keine Rezession aus. Im Gegenteil: Der Russland-Ukraine-Krieg hat auf der ganzen Welt Investitionen in Energiewende, Lieferketten und Sicherheit beschleunigt. Geopolitische Risiken bewegen Anlegerinnen und Anleger aktuell besonders stark. Niemand kann vorhersehen, wie sie sich dieses Jahr entwickeln werden. Aber die Handlungsspielräume vieler Grossmächte sind aktuell limitiert: In China herrscht eine Immobilienkrise, in den USA stehen 2024 Präsidentschaftswahlen an und die moderaten Erdölpreise schmälern die Einkommen vieler Ölstaaten. Diese Restriktionen könnten den Status quo vieler Konflikte zumindest vorübergehend einfrieren.

12. Was der Blick in die Historie zeigt

Seit Beginn der S&P-500-Datenreihe 1928 folgten auf Jahre mit einer Performance von mehr als +20 Prozent Jahre mit einer tieferen Performance von durchschnittlich +6 Prozent. Dabei fielen die negativen Perioden stets mit Rezessionen zusammen. Schliesst man Rezessionsjahre aus, dann steigt die durchschnittliche Performance der Folgejahre auf +10 Prozent. Das Hauptszenario dürfte für 2024 keine Rezession bringen. In Kombination mit den vorangestellten Überlegungen bestätigt das die Einschätzung, dass sich für 2024 trotz der Jahresendrally noch attraktive Chancen bieten. Das Jahr dürfte positiv werden für ausgewogene Portfolios. Aktien, Anleihen und Immobilien könnten profitieren.

Für Anlegerinnen und Anleger gilt: Strategiecheck und Diversifikation

Die House View der Credit Suisse positioniert sich mit Zuversicht, aber nicht mit blinder Euphorie. Ein gutes Jahr 2023 mahnt zur Bescheidenheit. Und der Grundsatz «Prepare, don’t predict» spiegelt sich im täglichen Ringen um eine optimale Diversifikation wider. Was im Rückblick einfach erscheint, ist ein anspruchsvolles, zeitintensives Handwerk. Darum geht es in der Vermögensverwaltung.

Unter dem Strich lauten die drei wichtigsten Empfehlungen für Anlegerinnen und Anleger im Januar 2024:

  1. Bleiben Sie investiert in privaten und börsenkotierten Anlagen – aber jeweils mit Diversifikation.
  2. Überprüfen Sie Ihre Anlagestrategie. Sie ist etwas Persönliches. Ähnlich wie einen guten Anzug sollte man sie ab und zu auf ihre Passform überprüfen. Denn wenn sich die Umstände ändern, sollte auch die Strategie folgen.
  3. Cash ist für Konsum und weniger zum Sparen geeignet. Obwohl die Inflation sinkt, ist der Kaufkraftverlust von Cash ein hoher Preis für vermeintliche Sicherheit.

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