Zinswende dürfte keine Rezession zur Folge haben
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Die Rezession als Folge auf die Zinswende dürfte ausbleiben

Obwohl viele Stimmen vor einer Rezession warnen, liefern Börsen und Unternehmensgewinne rund um die Welt bislang wenig Bestätigung für diese Sorge. Erfahren Sie, woran das liegt und welche Implikationen die aktuelle Konjunkturentwicklung für Anlegerinnen und Anleger bereithält. 

Zinsen, Inflation und Konjunktur – besser als ihr Ruf

Die weltweite Zinswende hätte eine Rezession auslösen sollen – so die Erwartungen. Zumindest war dies nach der letzten vergleichbaren Zinswende der Fall, die der ehemalige US-Notenbankchef Paul Volcker 1979 eingeleitet hatte.

Von einem solchen Abschwung ist aktuell aber noch nichts zu bemerken: Börsen und Unternehmensgewinne senden bislang keine Signale für eine Rezession. Grund für eine mögliche Abwendung könnte der durch die Pandemie weltweit ausgelöste Technologie- und Produktivitätsschub sein. Ausserdem erhöht der Fachkräftemangel die durchschnittlichen Erwerbseinkommen, was Unternehmen motiviert, in intelligentere Maschinen, Fabriken und IT zu investieren. Gleichzeitig explodieren die Anwendungen künstlicher Intelligenz förmlich – sie sollen viele Arbeiten und Prozesse effizienter gestalten.

Ist der Höchststand der Inflation erreicht?

Jerome Powell, Präsident der US-Notenbank (Fed), bemerkte erst kürzlich, dass die Geldpolitik mittlerweile «restriktiv» sei. Tatsächlich läutete die Zinswende einen weltweiten Sinkflug der Konsumentenpreisinflation ein. Zwar befindet sie sich noch nicht auf dem Zielniveau, doch die Richtung stimmt – zumindest in den USA, der Eurozone und Japan.

Der Inflationsrückgang nährt die Hoffnung auf einen Zenit bei den Zinsen und die Inflation rückt ihrer Verstetigung näher. Dass dem so ist und privater Konsum vielerorts weiterhin die Wirtschaft stützt, hat mit starken Arbeitsmärkten, steigender Produktivität und höheren Löhnen zu tun.

Die Konsumgüterinflation nimmt vielerorts ab

Die Konsumgüterinflation nimmt vielerorts ab

Anmerkung: Die gepunktete Linie zeigt das Inflationsziel von zwei Prozent an.

Quelle: Haver Analytics, Credit Suisse
Letzter Datenpunkt: April 2023

Asien, Lateinamerika und die Türkei mit je eigenen Entwicklungen

In Schwellenländern wird die Inflation – anders als in den Industrieländern – aktuell stärker von individuellen und eigenständigen Faktoren beeinflusst.

 

China

In China ist nicht etwa Inflation, sondern Deflation ein Thema. Die Konsumentenpreise stiegen im April gegenüber dem Vorjahr um gerade einmal 0,1 Prozent, während Produzentenpreise sogar um 3,6 Prozent sanken.

Deflation in China 2023

China kämpft aktuell mit einer Deflation 

Quelle: China National Bureau of Statistics, Yardeni Research
Letzter Datenpunkt: April 2023

Die stabilen Preise verschaffen der chinesischen Notenbank – im Unterschied zu westlichen Zentralbanken – viel Freiraum zur Stimulierung der Konjunktur. Mit Reduktionen der Reservesätze für Geschäftsbanken motiviert sie Banken erfolgreich zur Kreditvergabe: Chinas Bankkredite stiegen zuletzt auf 3,4 Billionen US-Dollar. Kein Wunder, dass Chinas Konsum zurzeit die wichtigste Konjunkturstütze des Landes ist. Damit ähnelt die wirtschaftliche Dynamik zunehmend jener der Industriestaaten, wo der Konsum typischerweise zwei Drittel der Gesamtwirtschaft ausmacht. 

Südostasien und Lateinamerika

In Südostasien und Lateinamerika stützen Rohstoffnachfrage und Infrastrukturinvestitionen die Konjunktur und eine moderate Inflation. Umfragen unter Industrievertretern sowie Konsumentinnen und Konsumenten spiegeln vorsichtige Zuversicht wider.

Türkei

Weit abgeschlagen von den anderen Schwellenländern bildet die Türkei das Schlusslicht. Deren Inflationsrate von rund 45 Prozent und die schlechte Konjunktur sind hausgemacht. Die Wiederwahl des Präsidenten Erdogan schickte die Währung auf ein neues Allzeittief. Es ist heute kaum mehr vorstellbar: Im Oktober 2007 kostete eine türkische Lira noch einen Schweizer Franken. Heute erhält man für sie vier Rappen. Der fast vollständige Wertverlust trifft die türkische Volkswirtschaft hart. Aufgrund ihres grossen Leistungsbilanzdefizits importiert jeder Währungsverlust zusätzliche Inflation in die Türkei.

Globaler Ausblick: Resilienz und Wirtschaftswachstum

Global betrachtet wächst die Industrieproduktion auch in diesem Jahr, insbesondere in Schwellenländern, wo kein Fachkräftemangel herrscht und expansive Geldpolitik die Wirtschaft stärkt. Doch auch in den Industrieländern spricht kaum ein Unternehmen von einer «Trendwende». Die strukturelle Dynamik dürfte intakt bleiben.

Die Resilienz der weltweiten Industrieproduktion hat strukturelle Gründe. Zum einen investieren viele Unternehmen aktuell in lokale und «intelligente» Fertigung, Lager und Ausrüstung. Das ist oft industriepolitisch gefordert und durch neue technologische Entwicklungen forciert.

Doch stärker als die Industrie läuft das Dienstleistungsgeschäft, das bekanntlich den Grossteil der Nachfrage in reichen Ländern ausmacht. Trotz steigender Preise boomt besonders der Tourismus. In Europa und den USA liegt die Auslastung von Hotels, Flügen und Kreuzfahrten über den Niveaus von vor der Pandemie. Alle europäischen Dienstleistungs-Einkaufsmanagerindizes (PMI) sprechen für Wachstum.

Europäische Dienstleistungsunternehmen wachsen

Europäische Dienstleistungsunternehmen wachsen

Letzter Datenpunkt: Mai bzw. April 2023
Quelle: Haver Analytics, Credit Suisse

Steigende Umsätze und Gewinne pro Aktie

Im Vergleich zu den statistischen Konjunkturindikatoren erzeugen die Umsätze, Gewinne und Dividenden ein anderes Bild: Rund um den Globus wecken steigende Umsätze pro Aktie den Eindruck einer erstaunlich robusten Weltwirtschaft.

Mehr noch: Auch die Gewinne pro Aktie trotzen bislang den geldpolitischen Gegenwinden. Dieses Detail ist umso interessanter, weil Börsen auf lange Frist stets den Gewinnen folgen.

Letzter Datenpunkt: 30. Mai 2023 Quelle: Haver Analytics, Credit Suisse  Historische Wertentwicklungen und Finanzmarktszenarien sind keine verlässlichen Indikatoren für zukünftige Ergebnisse. Man kann nicht in einen Index investieren. Die gezeigten Indexrenditen sind keine Ergebnisse tatsächlichen Handels investierbarer Anlagen/Wertpapiere. Anlegerinnen und Anleger, die eine Strategie analog einem Index verfolgen, können geringere oder höhere Renditen erzielen und müssen die damit verbundenen Kosten berücksichtigen.

Performance der wichtigsten Industrielän­derindizes

Letzter Datenpunkt: 30. Mai 2023

Quelle: Haver Analytics, Credit Suisse

 

Historische Wertentwicklungen und Finanzmarktszenarien sind keine verlässlichen Indikatoren für zukünftige Ergebnisse. Man kann nicht in einen Index investieren. Die gezeigten Indexrenditen sind keine Ergebnisse tatsächlichen Handels investierbarer Anlagen/Wertpapiere. Anlegerinnen und Anleger, die eine Strategie analog einem Index verfolgen, können geringere oder höhere Renditen erzielen und müssen die damit verbundenen Kosten berücksichtigen.

Was heisst das für Anlegerinnen und Anleger?

Die vielleicht wichtigste Folgerung heisst: «Dabeibleiben ist alles». Sodann zählen künstliche Intelligenz, privater Konsum, Ausbau von Infrastruktur und die Supertrends der Credit Suisse zu Energiewende, Sicherheit und Nachhaltigkeit weiterhin zu den strukturellen Gründen für die erstaunliche Dynamik von Wirtschaft und Märkten in diesem Jahr.

Die US-Geldpolitik wird möglicherweise die Zinsen noch einmal erhöhen – grosse Sprünge werden jedoch nicht erwartet. Die Börsen werfen bereits einen Blick auf das nächste Jahr. Und die Schweiz empfiehlt sich Anlegerinnen und Anlegern erneut als «guter Ort» – mit einer Wirtschaft, die über einen ausgewogenen Branchenmix verfügt, mit vielen «Hidden Global Champions» und einem attraktiven Verhältnis von Preis und Wert.

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