Minihaus ganz gross: die Wohnform «Tiny House»
Auf wie wenigen Quadratmetern könnten Sie leben? Sechs, zwanzig, fünfundvierzig? Letzteres ist der Schweizer Durchschnitt pro Kopf. Das Tiny House beweist, dass auch auf wenig Fläche Schönes entstehen kann. Als Singlehaus hat das Minihaus in der Schweiz Potenzial.
Tiny House ist perfekt für Singles
Kennen Sie die Fernsehsendung «Löwenzahn» noch? Peter Lustig (bzw. heute sein Nachfolger) wohnt dort in einem ausgebauten Bauwagen. Schon viele Kinder – und insgeheim auch Erwachsene – haben sich gewünscht, selber so zu wohnen. Dieser Wunsch könnte in einem Tiny House Realität werden. Das kleine Haus erobert gerade Amerika und England. Auch in Deutschland und bei uns wird es immer beliebter.
Rückenwind erhält das Minihaus durch die wachsende Zahl von Einpersonenhaushalten. In der Schweiz ist dies seit 1990 die häufigste Art des Wohnens. Heute lebt in knapp einem Drittel aller Haushalte lediglich eine Person – Tendenz steigend. Von derzeit 1,3 Millionen Singlehaushalten wird die Zahl gemäss einer Hochrechnung des Bundes bis 2045 auf 1,7 Millionen zunehmen. Da kommt die Bewegung des Tiny House wie gerufen.
Das Kleinhaus bietet genügend Platz für eine Familie
Eine Definition, wie gross ein Minihaus sein darf, gibt es nicht. Meist sind Minihäuser zwischen 15 und 45 Quadratmeter klein. Ein Schweizer Einzelhaushalt kommt dagegen im Schnitt auf 80 Quadratmeter. Trotzdem bietet das Tiny House alles, was man braucht: eine Kochnische, ein Badezimmer und ein Wohn- bzw. Schlafzimmer. Für Paare oder Familien eignet sich ein sogenanntes Kleinhaus, das mit bis zu 90 Quadratmetern bereits deutlich grösser ausfällt.
Ein kleines Haus braucht nicht nur weniger Platz. Ein Tiny House zu kaufen, ist auch deutlich günstiger. Und es ist praktisch: Steht es auf Rädern, wie das Tiny House im angelsächsischen Raum, muss man für einen Umzug nur seine Siebensachen sicher verstauen. Selbst wenn das Minihaus auf ein Fundament gestellt wird, lässt es sich oft per Lastwagen versetzen. Trotzdem gilt zu beachten, dass auch für ein Minihaus eine Baubewilligung nötig ist.
Tiny House als Ferienhaus oder Hauptwohnsitz
Die Bandbreite an kleinen Häusern ist bereits heute sehr gross. Manche werden als Ferienhaus oder Zweitwohnsitz gekauft, bei anderen steht der Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit im Vordergrund, sodass sich die Hauskäufer bewusst für einen kleineren Hauptwohnsitz entscheiden.
Beim Tiny House werden in der Regel nachwachsende Rohstoffe verwendet und der Energiebedarf ist tief. Beispiele sind das Tiny House The Ynez, der Fincube oder das Smallhouse.
Tiny House: klein, aber oho!
Vier Beispiele von Minihäusern – für Singles, Paare oder Familien
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Das 20 Quadratmeter grosse Tiny House Ynez steht auf Rädern
Entworfen und gebaut wird es in den USA. Doeg Schroeder hat sich mit seiner Firma auf den Bau von mobilen Minihäusern spezialisiert.
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Trotz der minimalen Fläche wird nicht auf schönes Wohnen verzichtet
Auf wenig Raum bietet das Haus von Timbercraft Tiny Homes alles, was das Herz begehrt, inklusive Küche und Badezimmer. Kosten: 52’000 US-Dollar (ca. 50’600 Schweizer Franken).
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Der Fincube kommt auf eine Nutzfläche von knapp 50 Quadratmetern
Entworfen wurde der Würfel vom deutschen Designer Werner Aisslinger, zur Marktreife gebracht vom Unternehmer Josef Innerhofen aus Südtirol.
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Der Fincube setzt auf nachhaltige Materialien und Fotovoltaik
Im Inneren gibt es eine Küche, einen Wohnraum, einen Schlafbereich und ein Badezimmer. Kosten (ab Werk, ohne Inneneinrichtung und Anschlüsse): ab 150’000 Euro (ca. 170’000 Franken).
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Auf nur 44 Quadratmetern bietet das Schweizer Smallhouse 75m2 Wohnfläche
Das 1999 von Bauart Architekten und Planer AG entworfene Kleinhaus wurde zusammen mit der Koppmarcelbaut GmbH 2012 weiterentwickelt.
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Für das Smallhouse werden ökologische und natürliche Materialien verwendet
Im Inneren gibt es vier Haupträume, dazwischen befinden sich die Küche bzw. das Badezimmer. Kosten (inklusive Baueingabe und Anschlüssen): ab 350’000 Franken.
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Das Kleinhaus Slimline kommt auf über 80 Quadratmeter Nutzfläche
Auch die Anbieter von Modulbauten setzen zunehmend auf kleine Häuser, so auch
die deutsche Marke Onoxo Home. Das Haus Slimline ist schmal und benötigt knapp 50 Quadratmeter Boden.
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Im kleinen Haus wird Wert auf Nachhaltigkeit gelegt
Das Haus eignet sich durch seine Aufteilung gut für eine kleine Familie. Im Obergeschoss hat es Platz für zwei Zimmer. Kosten (ohne Küche, ab Fundament): etwa 180’000 Euro (ca. 203’000 Franken).
Können Sie sich vorstellen, in einem Tiny House zu wohnen?
Zugegeben, ein Tiny House oder Kleinhaus ist nicht jedermanns Sache. Doch es bietet eine Lösung für manch modernes Problem: In der Schweiz wird Bauland zunehmend knapp – besonders an zentralen Lagen. Gleichzeitig wächst die Bevölkerung weiter. Bis zum Jahr 2040 werden laut Bundesamt für Statistik über zehn Millionen Menschen in der Schweiz leben. Diese möchten zugleich immer mehr Fläche: 1980 betrug die Wohnfläche pro Kopf 34 Quadratmeter, 2016 waren es durchschnittlich bereits 45 Quadratmeter.
Das Singlehaus setzt diesem Trend etwas entgegen, indem es die Wohnfläche klüger ausnutzt. Auch verdichtetes Bauen ist mit Minihäusern einfacher. Auf vielen Parzellen hätte es Platz für zusätzliche Häuser mit kleinen Grundflächen. Die Schlüsselfrage jedoch lautet, wie stark Schweizerinnen und Schweizer bereit sind, sich bezüglich der Wohnfläche einzuschränken. Wie viele Quadratmeter sind für Sie das absolute Minimum?