Ruhestand planen – Désirée von Michaelis weiss, wie es geht
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«Jedes Jahr Frühpensionierung kostet eineinhalb Jahressaläre»

In der Schweiz steigt das Bewusstsein für die Bedeutung der privaten Vorsorge zusehends. Ein wichtiger Trend, sagt Désirée von Michaelis, Leiterin Wealth Planning bei der Credit Suisse im Interview. Was es bei der Planung des Ruhestands – zum Beispiel für die Frühpensionierung – zu beachten gibt: fünf Tipps der Credit Suisse für eine gelungene Pensionierung.

Frau von Michaelis, wann sollte man beginnen, sich mit seiner Pensionierung auseinanderzusetzen?

Es lohnt sich, frühzeitig anzufangen. Wir empfehlen, dass man sich mindestens 15 Jahre vor der geplanten Pensionierung erste Gedanken machen sollte und damit beginnt, die finanziellen Voraussetzungen zu schaffen. In diesem Zeitraum kann noch relativ viel beeinflusst werden, um ein finanzielles Polster für das Alter aufzubauen.

Welche Wünsche und Erwartungen haben die Schweizerinnen und Schweizer für ihre Pensionierung?

Bei rund 80 Prozent unserer Pensionierungsplanungen ist die Frühpensionierung ein Thema. Da sieht man schon recht klar: Viele haben noch Träume für die Zeit nach der Pensionierung. Mit den sinkenden Umwandlungssätzen in der Pensionskasse wird es jedoch immer schwieriger, eine Frühpensionierung zu realisieren. Dieser Trend beschäftigt die Leute: Von den heute 55-Jährigen glauben nur 20 bis 30 Prozent, dass sie sich eine Frühpensionierung leisten können.

Braucht man mehr oder weniger Geld, wenn man pensioniert ist?

Das ist sehr individuell. Die Faustregel besagt, dass die Lebenskosten nach der Pensionierung um etwa 10–20 Prozent sinken. Es gibt Menschen, die ein Arbeitsleben lang recht diszipliniert waren und entsprechend im Alter sparsam über die Runden kommen. Es gibt aber natürlich auch diejenigen, die sich nach der Pensionierung verwirklichen wollen. Die reisen wollen, etwas Neues erleben. In diesen Fällen kann es deutlich teurer werden. Zumal man dann auch sehr viel mehr Zeit hat, um Geld auszugeben.

Was kostet eine Frühpensionierung?

Grob gesagt, braucht man für jedes Jahr, das man früher in Pension geht, ein bis eineinhalb Jahressaläre an Erspartem auf der Seite.

Und wenn man sich das nicht leisten kann?

Dann bietet die Teilpensionierung eine gute Alternative, weil sie erlaubt, die Work-Life-Balance schon vor dem Pensionierungsalter anzupassen. Das ist ein Modell, das bei 10 bis 15 Prozent unserer Beratungen gewünscht wird. Ich gehe davon aus, dass das in den nächsten Jahren weiter zunimmt – zumal der Gesetzgeber mit der aktuellen Reform AHV 21 weitere Anreize für solche flexiblen Pensionierungsmodelle setzt. Möchte man sein Pensionskassenguthaben als Kapital beziehen, bringt das Modell auch steuerliche Vorteile: Bei Teilbezügen fallen wegen der Progression grundsätzlich weniger Steuern an als bei einem einmaligen Bezug des gesamten Kapitals – kantonale Unterschiede vorbehalten.

Was gilt es bei der Spätpensionierung zu beachten?

Aus finanzieller Sicht bietet sie eigentlich bloss Vorteile. Zudem bleibt man aktiv. Für manche ist der Ausstieg aus der Berufswelt nicht ganz einfach, denn nicht alle wissen, was sie im Ruhestand eigentlich machen sollen. Wichtig: Wie die Teilpensionierung braucht die Spätpensionierung das Einverständnis des Arbeitgebers.

Sehen Sie so etwas wie einen Trend beim Thema Pensionierung?

Auf der einen Seite sehen wir diesen Wunsch nach Frühpensionierung und Verwirklichung im dritten Lebensabschnitt. Auf der anderen Seite werden wir immer älter, was nicht nur finanziell dafür spricht, auch länger beruflich aktiv zu bleiben. Der wichtigste Trend, den wir beobachten: Das Bewusstsein steigt, dass die private Vorsorge immer wichtiger wird.