Finanzmärkte: Chancen und Risiken einer neuen Weltordnung

Zeitenwende in der Weltpolitik und ihre Folgen für die Finanzmärkte

Das Jahr 2022 stellt eine historische Zäsur dar – für die Weltpolitik wie auch für die Finanzmärkte. Diese Zeitenwende hat dabei auch weitreichende Folgen für die Weltwirtschaft und die globale Sicherheitsordnung. Institutionelle Investoren müssen sich auf diese Veränderungen einstellen.

Neue Weltordnung wird die Finanzmärkte prägen

«Eine alte Weltordnung versinkt und eine neue entsteht», ist sich Burkhard Varnholt, Chief Investment Officer der Credit Suisse (Schweiz) AG, sicher. An den Credit Suisse Finanzmarktperspektiven gab er zu verstehen, dass die Welt vor einem neuen kalten Krieg steht, wobei sich unter anderem eine Renaissance von Protektionismus und Industriepolitik abzeichnet.

In der Folge wird sich auch eine neue Energieordnung etablieren. «Europa hat über Jahrzehnte von billiger russischer Energie profitiert und muss sich nun neu ausrichten», führt Burkhard Varnholt aus. Profiteur seien dabei die USA. «Sie wurden innerhalb eines Jahres von einem Gasimporteur zum weltweit grössten Gasexporteur.»

Die Schweiz spielt eine zentrale Rolle für die europäische Wirtschaft

Auch Georg Häsler, Redaktor Sicherheitspolitik bei der NZZ, sieht die geopolitische Zeitenwende, die auf den Krieg in der Ukraine folgt. «Die Verschärfung der Machtpolitik geht weiter», sagt er und fügt an: «Falls es nicht gelingt, die russische Armee zu stoppen, könnten neue Konflikträume entstehen: im östlichen Mittelmeerraum, in Osteuropa oder auf dem Balkan.» Für den Westen gelte jetzt, sich wieder auf seine eigenen Stärken zu konzentrieren. «Die Zeiten, in denen wir billige Arbeit aus China und eine Tankstelle in Russland hatten, sind vorbei», so Georg Häsler.

Und die Schweiz? Für sie ergäben sich neue Chancen, aber auch Herausforderungen. «In einer globalisierten Welt sind nicht nur die Ressourcen, sondern auch die Flows entscheidend», erklärt der Experte für Sicherheitspolitik. Das gilt nicht nur für Waren und Energie, sondern beispielsweise auch für Finanzströme. Gemäss Georg Häsler steht die Schweiz hierbei im Zentrum – insbesondere im Güterverkehr oder als Bestandteil des europäischen Stromnetzes. Umso wichtiger sei es, dass die Schweiz diese Flows und zentralen Punkte sichert und dadurch nach wie vor ein zuverlässiger Partner bleibt.

Positive Aussichten für die Weltwirtschaft

Die geopolitischen Entwicklungen wirken sich auch auf Unternehmen aus. «Statt ‹just in time› heisst es neu ‹just in case›», sagt Burkhard Varnholt. Das bedeute insbesondere neue Infrastrukturprojekte. «Der Hunger nach Infrastruktur und dem Kapital, um den Bau der Projekte zu finanzieren, ist gigantisch. Das wird einer der wichtigsten Supertrends der nächsten Jahre werden», führt er aus. Darüber hinaus wird wohl die Inflation 2023 zurückgehen. Aufgrund des aggressiveren Vorgehens der Fed dürfte zunächst in den USA, im Verlauf des Jahres aber auch in Europa eine Entspannung eintreten.

Insgesamt sind die Aussichten für die weltweiten Märkte im kommenden Jahr positiv – trotz aller Unsicherheiten. «Wir erwarten in unserem Global Outlook ein Wachstum von 1,6 Prozent. Es dürfte zu einer Abkühlung der Weltwirtschaft, aber nicht zu einer globalen Rezession kommen», so Burkhard Varnholt.

Wie entwickeln sich die Finanzmärkte 2023?

Was bedeutet das für die Kapitalmärkte im Jahr 2023? Burkhard Varnholt hat positive Nachrichten für institutionelle Investoren: Zum einen werden Bargeldanlagen und Anleihen wieder Renditen abwerfen. Dies hat zur Folge, dass Bonds ganz neu beurteilt werden müssen, da sie genug Cash-Rendite bringen, sodass sich gewisse Zinsschwankungen ausgleichen lassen.

Zugleich ist der Schweizer Immobilienmarkt robuster als derjenige in anderen Weltregionen. Er dürfte mit 3 bis 3,5 Prozent Rendite bezüglich des Risiko/Rendite-Verhältnisses sogar zum attraktivsten Immobilienmarkt weltweit werden. Und mit Schweizer Aktien dürften institutionelle Investoren einen Return von 6 bis 9 Prozent erwarten. Burkhard Varnholt hält deshalb fest: «Der Ausblick ist auf jeden Fall erfreulicher als der Blick in den Rückspiegel.»

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