Wirtschaftliche Entwicklung: Inflation und Finanzmärkte unter der Lupe
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Die aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen unter der Lupe

Selten lagen die Deutungen zu Wirtschaft und Märkten so stark auseinander wie heute. Ist die Weltwirtschaft resilient oder rezessiv? Steigt oder sinkt die Inflation? Und: Was heisst das für Unternehmen, Zinsen oder Rohstoffe? Ein Blick auf die Signale der Börsen, die Daten und die jüngste Studie des Internationalen Währungsfonds (IWF) hilft, die aktuelle Situation auf den Märkten besser zu verstehen.

Die aktuelle Wirtschaftslage sendet widersprüchliche Signale

Zwischen der Wirtschaft und den Märkten herrscht aktuell eine gewisse Widersprüchlichkeit. Dies hat gute Gründe. In den letzten drei Jahren kam es zu einer ungewöhnlichen Häufung singulärer Schocks: Seien es die Pandemie, die Energiekrise, diverse Inflationsschübe, der Fachkräftemangel oder der stärkste Leitzinsanstieg in den USA seit Paul Volcker – also seit 1979/1980.

All diese Ereignisse haben das gewohnte Weltbild verrückt. Dadurch kommen Fragen auf wie: «War die Konjunkturstimulierung während der Lockdowns nachhaltig, oder war sie nur ein inflationäres Strohfeuer?» oder «Hat die Energiekrise die globale Energiewende behindert oder beschleunigt?» Die Antworten darauf dürften je nach Perspektive des Betrachters unterschiedlich ausfallen, was die Thematik für Anlegerinnen und Anleger schwerer greifbar machen kann. Ein Blick auf die aktuellen Signale der Märkte verschafft Übersicht:

Signale der Märkte und ihre Bedeutung für Anlegerinnen und Anleger

Die zwei wohl wichtigsten Signale, welche die globalen Kapitalmärkte über die Gesundheit der Weltwirtschaft senden, gehen von der Inflation aus. Letztere weist sich durch ungebrochene Resilienz aus und erlebt zugleich einen nachhaltigen Sinkflug. Seit Jahresbeginn haben globale Aktien und Staatsanleihen durchschnittlich 9 beziehungsweise 2.2 Prozent an Wert gewonnen. Konkret heisst das:

  • Aktien signalisieren die Zuversicht der Märkte, dass die Unternehmensgewinne auch 2024 wachsen könnten.
  • Steigende Kurse von Staatsanleihen beziehungsweise die sinkenden Kapitalmarktrenditen reflektieren die Erwartung sinkender Inflation.

Es lohnt sich, einige zentrale Aspekte dieser Botschaften – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – weiter zu vertiefen.

Unter der Lupe: Daten und Deutungen anhand von Erdöl, Energie und Kupfer

Die Zeichen deuten zweifellos auf eine Resilienz der Weltwirtschaft: Gemäss dem jüngsten Global Oil Market Report der Internationalen Energieagentur (IEA) dürfte die globale Erdölnachfrage dieses Jahr einen neuen Rekordstand von mehr als 100 Millionen Fässern pro Tag überschreiten. Mehr als die Hälfte des Nachfragewachstums stammt dabei aus China. Gemeinsam mit Indien dürfte die Volksrepublik 2023 zu den wichtigsten Motoren des globalen Wachstums zählen.

Zudem hat die strategische Kürzung der Ölfördermenge durch die OPEC-Plus-Staaten ihre beabsichtigte Preiswirkung nicht verfehlt. Die Rohstoffexperten der Credit Suisse rechnen mit einer längeren Periode höherer Erdölpreise.

Die starken Erdöl- und Rohstoffmärkte haben verschiedene Nutzniesser.

  • OPEC-Plus-Staaten: Die Börsen der Länder des Golfkooperationsrats (GCC) dürften auch für Anlegerinnen und Anleger eine attraktive Diversifikation bieten.
  • Energiedienstleister und integrierte Förderunternehmen: Sie profitieren nicht nur von hohen Energiepreisen, sondern zählen teilweise auch zu den grössten Investoren in erneuerbare Energien. So haben beispielsweise die europäischen Erdölunternehmen milliardenschwere Investitionen in diesem nachhaltigen Sektor aufgebaut. Von den Börsen wurde dies aktuell noch kaum bewertet.
  • Energie- und Mobilitätswende: Die steigenden Erdölpreise haben indirekt auch positive Effekte auf die Energie- und Mobilitätswende. Sie beflügeln den Umstieg auf erneuerbare Energie und fördern die Umsätze von Elektrofahrzeug-Herstellern.

Eine weitere Bestätigung, was die gute Gesundheit der Weltwirtschaft oder zumindest die industrielle Dynamik der Energiewende betrifft, ist der Anstieg der Kupferpreise seit Jahresbeginn. Ähnliches gilt für andere Industriemetalle. Die IEA schätzt, dass die Energiewende die Nachfrage nach kritischen Metallen und Mineralien möglicherweise versechsfachen könnte – sofern sie nicht durch günstigere Lösungen ersetzt werden. Aus Anlegersicht setzt die Credit Suisse lieber auf Anlagen in die Energiewende statt auf Einzelengagements in Industriemetalle. Denn Aktien und Anleihen erwirtschaften Risikoprämien, Rohstoffe tun das nicht.

Economic outlook: Increased demand for critical commodities

Die Energiewende könnte die Nachfrage nach kritischen Metallen und Mineralien vervielfachen

Quelle: IEA, Credit Suisse

Wirtschaftliche Entwicklung: abnehmender Teuerungsdruck zu erwarten

Sowohl die sinkenden Kapitalmarktrenditen als auch der jüngste «World Economic Outlook » des IWF signalisieren, dass ein Grossteil der aktuellen Inflation den Schocks der letzten Jahre geschuldet ist. So erwartet der IWF für die USA und die Eurozone bis Ende 2024 einen deutlichen Inflationsrückgang auf nur noch 2.3 respektive 2.9 Prozent. Die Kapitalmärkte erwarten sogar, dass die Inflation noch stärker sinken wird.

Konstant tief dürfte die Inflation in asiatischen Schwellenländern bleiben. Für Anlegerinnen und Anleger ist das schon deshalb relevant, weil dadurch den asiatischen Notenbanken mehr Spielraum für Stimuli bleibt. Des Weiteren profitiert Brasilien von der sinkenden Inflation und grossen Rohstoffvorkommen. In den USA liegt die Inflation bei physischen Gütern bereits nahezu auf Zielkurs. Bei Dienstleistungen fällt sie allerdings noch immer höher aus. Grund dafür ist unter anderem der pandemiebedingte Nachholbedarf etwa bei Ferienreisen, bei der Gastronomie und bei Kulturangeboten.

Inflation in den USA: deutlicher Inflationsrückgang bis 2024 zu erwarten

In den USA sinkt die Inflation bereits wieder

Ein Blick auf die US-Inflation illustriert: Die Konsumgüter-Inflation ist weitgehend abgeklungen, doch bei Dienstleistungen treibt die Nachfrage immer noch Löhne und Preise

Letzter Datenpunkt: März 2023
Quelle: Haver, Credit Suisse

Resiliente Weltwirtschaft und gefragte Luxusgüter

Asiens Konsumentinnen und Konsumenten – insbesondere aus China – fragen verstärkt globale Luxusgüter aus Frankreich, Italien, Spanien oder aus der Schweiz nach. Egal ob Markenmode, Designerhandtaschen, Sonnenbrillen oder Luxusuhren. China ist aktuell der stärkste globale Treiber der Weltwirtschaft. Davon profitieren die europäischen Börsen überdurchschnittlich:

Globale Aktien (MSCI World)

+9%

Nasdaq

+16%

EuroStoxx 50

+15.8%

Italien (FTSE MIB)

+17.5%

Frankreich (CAC 40)

+13.7%

Deutschland (DAX):

+13.8%

Spanien (IBEX):

+14.6%

Quelle: Bloomberg,
Letzter Datenpunkt: 18.04.2023.

Man kann nicht in einen Index investieren. Die gezeigten Indexrenditen sind keine Ergebnisse tatsächlichen Handels investierbarer Anlagen/Wertpapiere. Anleger, die eine Strategie analog einem Index verfolgen, können geringere oder höhere Renditen erzielen und müssen die damit verbundenen Kosten berücksichtigen.

Das Performance-Derby seit Jahresbeginn illustriert neben einer Resilienz der Weltwirtschaft auch noch drei aktuelle Anlagethemen:

  • Erstens profitieren Europas Luxusgüterhersteller – die grössten der Welt – von der Kaufkraft und dem Konsumhunger Asiens.
  • Zweitens kommen die Supertrends «Energiewende» und «Infrastrukturausbau» Europas Industrie zugute.
  • Drittens macht Technologie mehr als die Hälfte aller Unternehmensinvestitionen weltweit aus, und sie bietet hohe Preissetzungsmacht. Vor allem US-amerikanische IT-Werte haben sich wieder erholt.

Was ebenso positiv stimmt: Während der IWF für die Weltwirtschaft ein Wachstum von 2.8 Prozent erwartet, prognostiziert die Organisation für Asiens Schwellenländer ein viel deutlicheres Plus von 5.3 Prozent.

Kurzum: In seinem jüngsten Weltwirtschaftsausblick erwartet der IWF mehr Grün als Rot, um es mit seiner globalen Konjunkturampel auszudrücken.

Wirtschaftsausblick: Internationaler Währungsfonds

Der Wirtschaftsausblick des Internationalen Währungsfonds

Quelle: Internationaler Währungsfonds, Credit Suisse

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