Digital Real Estate: Immobilienbewertung mit Machine Learning
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Digital Real Estate: wenn Algorithmen bewerten.

Schon seit über 20 Jahren erfolgt die Immobilienbewertung in der Schweiz mithilfe von Algorithmen. Moderne Machine-Learning-Methoden können die aktuelle Schätzgenauigkeit nochmals verbessern. Dies geht jedoch auf Kosten der Transparenz und erhöht die Volatilität. Das und mehr rund um Digital Real Estate erfahren Sie im Artikel. 

Machine Learning gewinnt stark an Bedeutung

Machine Learning (ML) ist ein Teilbereich der künstlichen Intelligenz mit dem Ziel, anhand von selbsterkannten Mustern in Daten mit einem Algorithmus Erkenntnisse abzuleiten. Es werden hierfür meistens grosse Datenmengen analysiert. Dabei lernt der Algorithmus auf Basis bestehender Daten und kann dadurch seine Genauigkeit verbessern.

Im letzten Jahrzehnt hat Machine Learning in vielen Bereichen unseres Lebens deutlich an Bedeutung gewonnen. Wichtiger Treiber hierfür war die stark gestiegene Rechenleistung moderner Computer. Auch die Immobilienbewertung ist von diesem Trend betroffen.

Hedonische Modelle als Standard bei der Immobilienbewertung

Machine Learning ist alles andere als neu. Bei der Bewertung von Wohneigentum etablierten sich vor mehr als 20 Jahren die hedonischen Modelle als Standard, die ebenfalls zu den ML-Methoden zählen. Seit ihrer Einführung wurden diese Modelle kontinuierlich verbessert, sodass heute auch bei kleineren Renditeliegenschaften vermehrt auf diese computergestützte Schätzmethode zurückgegriffen wird. Der Preis einer Immobilie wird dabei anhand diverser Objektcharakteristiken abgeleitet. Dabei optimiert der Algorithmus die Modellierung so, dass der Schätzfehler möglichst gering ausfällt. Hedonische Modelle haben die Transparenz auf dem Schweizer Immobilienmarkt spürbar verbessert.

Immobilienbewertung: Visualisierung eines hedonischen Preismodells

Immobilienbewertung: Visualisierung eines hedonischen Preismodells

Schematische Darstellung
Quelle: Credit Suisse

Forschung konzentriert sich auf neue Machine-Learning-Algorithmen

Der Erfolg der hedonischen Modelle und die bessere Verfügbarkeit von Immobiliendaten haben der Immobilienmarktforschung in der Schweiz weiteren Aufschwung gegeben. Das Forschungsinteresse verlagert sich jedoch hin zu neuen ML-Algorithmen. Dazu gehören beispielsweise die ML-Methoden Random Forest und Gradient Boosting. Diese stützen sich in ihrer Funktionsweise auf Entscheidungsbäume.

Bei solchen Bäumen handelt es sich um die Visualisierung von aufeinanderfolgenden, hierarchischen Entscheidungskriterien. Im Falle der Immobilienbewertung kann damit der Preis einer Immobilie ermittelt bzw. prognostiziert werden. Generell gilt: Je komplexer und umfangreicher solch ein Baum ist, desto genauer wird die Prognose aller Objekte in einem Trainingsdatensatz. Dabei muss jedoch beachtet werden, dass das Modell nicht überspezifiziert wird.

Machine Learning: Visualisierung eines einfachen Entscheidungsbaums

Machine Learning: Visualisierung eines einfachen Entscheidungsbaums

Schematische Darstellung am Beispiel von Einfamilienhäusern
Quelle: Mayer et al. Credit Suisse

Komplexe Modellierung mit neuronalen Netzwerken

Neben Entscheidungsbäumen gibt es weitere Möglichkeiten, Immobilienpreise mittels ML-Methoden zu modellieren. Häufig werden künstliche neuronale Netzwerke verwendet, die sich an die Funktionsweise des menschlichen Nervensystems und seiner Vielzahl neuronaler Verbindungen anlehnen. Hierbei erlaubt die Struktur des neuronalen Netzwerks eine komplexe Kombination und Interaktion der einzelnen erklärenden Variablen.

Bessere Resultate, aber Modelle bleiben eine Black Box

Eine mögliche Verbesserung der Immobilienbewertungen mit modernen ML-Methoden oder künstlichen neuronalen Netzwerken hat auch ihre Kehrseiten. Denn während hedonische Modelle durch ihre Interpretierbarkeit punkten, sind moderne ML-Verfahren weniger transparent, was die Praxis vor gewisse Herausforderungen stellt, zum Beispiel bei Kundengesprächen.

Ein weiterer Nachteil moderner ML-Verfahren ist die höhere Volatilität als diejenige bei klassischen hedonischen Modellen, die bei einer Anwendung über mehrere Quartale hervorgerufen wird. Dies hat zur Folge, dass der Wert einer einzelnen Immobilie mit diesen Modellen von Quartal zu Quartal deutlich stärker schwankt als bei hedonischen Modellen.

Traditionelle Modelle mit weniger Volatilität bei der Immobilienbewertung

Traditionelle Modelle mit weniger Volatilität bei der Immobilienbewertung

Letzter Datenpunkt: 2017
Quelle: Mayet et al.

Modelle zur Immobilienbewertung weisen noch diverse Mängel auf

Moderne ML-Methoden weisen zudem gleiche Schwächen wie die klassische hedonische Methode auf. Bei Unbekanntem stolpern diese. So bleiben Luxus- oder Liebhaberobjekte schwieriger zu schätzen. Und eine zeitliche Verzögerung bleibt unabhängig vom gewählten Modell bestehen. Die für die Modellierung genutzten Transaktionsdaten stammen nämlich im besten Fall aus dem Vorquartal. Aktuelle Preisveränderungen auf dem Markt kann daher keines der Modelle abbilden. Diese Problematik dürfte auch in Zukunft bestehen bleiben.

Unabhängig vom gewählten Algorithmus gibt es zudem vor allem bei der Datenerfassung noch Optimierungspotenzial. Denn heute muss der Algorithmus vielfach immer noch von Hand gefüttert werden. Die Mikrolage, also die nähere Umgebung einer Immobilie, wird beispielsweise in den meisten Modellen auf Grundlage der eingegebenen Adresse zwar automatisch ermittelt, der Ausbaustandard und der Gebäudezustand müssen aber durch einen Menschen beurteilt werden. Hier könnte die Dateneingabe mittels Machine Learning vermehrt automatisiert werden.

Fazit: Machine Learning ist hilfreich, aber kein Allheilmittel

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass moderne ML-Methoden die Prognosequalität von Immobilienbewertungen nochmals etwas verbessern können. Dies erfolgt jedoch auf Kosten einer sinkenden Transparenz und einer höheren Volatilität über die Zeit. Somit dürften moderne ML-Methoden etwa in der Immobilienfinanzierung der Banken zumindest vorerst nur zurückhaltend eingesetzt werden. Als Türöffner könnten diesbezüglich hybride Ansätze dienen, die herkömmliche hedonische Modelle mit modernen ML-Methoden verbinden.

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