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Corona-Krise: Was bedeuten die Staatsschulden für die Schweiz und ihre Wirtschaft?

Credit Suisse veröffentlicht den «Monitor Schweiz» für das 2. Quartal 2020

Die solide Entwicklung der Pharmaexporte, die Wirksamkeit der staatlichen Massnahmen sowie die wieder positiveren Signale der Wirtschaftsindikatoren stimmen verhalten zuversichtlich. Entsprechend bleiben die Ökonomen der Credit Suisse bei ihrer vergleichsweise optimistischen Prognose in diesem Jahr. Sie gehen von einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von «nur» 4 % aus (Prognose 17.4.2020: -3.5 %). Insgesamt dürfte die Erholung aber schleppend verlaufen, mit einem Konjunkturprofil, das einem «schiefen V» ähnelt. Das BIP-Niveau von Ende 2019 wird erst Ende 2021 wieder erreicht. Parallel zur Konjunktur gewinnt die politische Debatte an Schwung. Gemäss den Ökonomen der Credit Suisse ist der markante Anstieg der Staatsschulden problemlos zu verkraften, sofern die Finanzpolitik langfristig nachhaltig bleibt. Die Schuldenbremse bleibt deshalb ein zentrales Instrument. Ein verstärkter Rückgriff auf SNB-Reserven oder -Gewinne stellt eine Scheinlösung dar.

Mit der Lockerung des Lockdowns zeigen sich erste Erholungszeichen. Der Einkaufsmanagerindex (Purchasing Managers’ Index, PMI) für den Dienstleistungssektor hat bereits knapp die Hälfte seines Einbruchs wiedergutgemacht. Tatsächlich ist die finanzielle Verfassung der meisten Haushalte besser, als dies der Wirtschaftseinbruch während dem Lockdown erwarten liesse. Der Einkommensverlust wird jedoch aufgrund von Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit gemäss Berechnungen der Ökonomen der Credit Suisse nicht vollständig durch staatliche Zahlungen kompensiert. Deshalb dürften die Haushaltseinkommen 2020 um knapp 5 % fallen. Indessen haben die Haushalte während dem Lockdown schätzungsweise 20 % weniger ausgegeben, sodass netto dennoch zusätzliche Mittel angespart werden. «Wir erwarten, dass die Haushalte einen beträchtlichen Teil ihrer zusätzlichen Ersparnisse wieder ausgeben werden. Konkreter schätzen wir, dass sie zwei Drittel der akkumulierten Mittel, also rund CHF 5.5 Mrd., wieder in den Umlauf bringen werden und damit rund die Hälfte des Konsumeinbruchs wieder wettgemacht wird», so Claude Maurer, Leiter Konjunkturanalyse Schweiz der Credit Suisse. Derweil sollte der staatliche Konsum deutlich zunehmen und damit einen Beitrag zur Stabilisierung der Konjunktur leisten.

Pharmasektor stützt Exportentwicklung – Silberstreifen in Asien sichtbar
Wie vorteilhaft das hohe Gewicht des Pharmasektors (50 % der Exporte) und dessen geringe kurzfristige Konjunktursensitivität für die Exportentwicklung derzeit sind, verdeutlichen die Aussenhandelszahlen für das erste Quartal: Die Warenexporte nahmen insgesamt zu, obwohl die Exporte der konjunktursensitiven Industriebranchen deutlich nachgaben. Doch auch für letztere dürfte der Tiefpunkt bald erreicht sein. Im April sind die Ausfuhren der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM-Industrie) in die Länder, welche ihre Corona-Restriktionen damals bereits lockern konnten, das heisst vor allem nach Asien, allesamt wieder gestiegen. Dies lässt auch auf eine baldige Stabilisierung der Ausfuhren nach Europa hoffen. Umgekehrt wird sich aber die Nachfrage nach Schweizer MEM-Exporten aus den USA weiter verringern. Die Lockerungsmassnahmen in Übersee haben erst begonnen. Zudem bleibt die Situation für die Uhrenindustrie, die stark von der internationalen Konsumentenstimmung und dem Strom asiatischer Touristen in die Schweiz abhängig ist, noch für eine längere Zeit anspruchsvoll.

Ausrüstungsinvestitionen könnten Boden finden
Bei den Ausrüstungsinvestitionen scheint der grösste Teil des Einbruchs vorüber zu sein. Da ein erneuter Lockdown in der Schweiz zum jetzigen Zeitpunkt eher unwahrscheinlich ist, hat sich auch die Planungssicherheit erhöht. Zudem wirken die Investitionen der Pharmaindustrie und die vermehrten IT-Investitionen im Zuge der verbreiteten Nutzung von Home-Office und Webshops die Gesamtinvestitionen. Trotzdem ist gerade bei dieser Nachfragekomponente mit einer nur zögerlichen Wiederbeschleunigung zu rechnen, da der Fokus der Unternehmen insgesamt auf einer Stärkung der Eigenmittel liegt. Bei den Bauinvestitionen ist ebenfalls mit einem Rückgang zu rechnen, unter anderem weil die steigenden Leerstände im Mietwohnungssegment den Start von Neuprojekten bremsen.

Schleppende Erholung nach dem ersten Aufbäumen
Nach dem anfänglichen Aufbäumen der Wirtschaft im Zuge der Lockerung des Lockdowns wird der weitere Verlauf der Erholung aber nur schleppend verlaufen. Vier spezifische Faktoren sprechen gemäss den Credit Suisse Ökonomen für einen Konjunkturverlauf, der einem «schiefen V» gleicht: Erstens dürfte die globale Nachfrage nach Investitionsgüter und Uhren bis auf Weiteres verhalten bleiben. Dies allein schon deshalb, weil die Transportkapazitäten und die interkontinentale Mobilität noch länger eingeschränkt bleiben dürften. Zweitens ist das Angebot im Detailhandel physisch eingeschränkt, weil die Schutzmassnahmen und Sicherheitsvorkehrungen Platz benötigen. Drittens erholt sich der Arbeitsmarkt weniger rasch als er einbricht, was mit einer gewissen Konsumzurückhaltung einhergeht. Und viertens verlangsamt sich die Zuwanderung in die Schweiz als Folge der geschlossenen Grenzen und weniger Neueinstellungen. Damit verliert ein wichtiger Treiber des Konsumwachstums an Kraft (Prognose Nettozuwanderung 2020: 35’000 bis 40’000 Personen, nach 53’000 in 2019).

Schweizer Fiskalmassnahmen überzeugen durch Effizienz
Die in der Schweiz ergriffenen Fiskalmassnahmen scheinen bezüglich ihrem Umfang im internationalen Vergleich eher gering zu sein. Zudem lassen sie für die kommenden Wochen und Monate die Frage nach Zusatzmassnahmen offen. Allerdings wird der geringere Umfang durch die ausserordentliche Effizienz bei ihrer Umsetzung kompensiert, die durch den Einsatz des bestehenden Instruments der Kurzarbeit und institutionsübergreifender Kooperation bei den Überbrückungskrediten ermöglicht wurde. Die bisher gesprochenen Massnahmen in Höhe von rund CHF 70 Mrd. werden gemäss Schätzungen der Ökonomen der Credit Suisse ein massives Defizit im Haushalt des Bundes verursachen, welches gemäss der Schuldenbremse innerhalb von sechs Jahren wettgemacht werden müsste. Indes ist die erwartete Neuverschuldung wegen der hohen Barbestände des Bundes wesentlich geringer als das Defizit und die Gesamtschulden bleiben im internationalen Vergleich sehr tief. Unter der vereinfachten Annahme, dass der Schuldenstand der Kantone und Gemeinden unverändert bleibt, würde sich gemäss Schätzungen der Ökonomen der Credit Suisse die Schuldenquote von 26.7 % im Jahr 2019 auf 34.1 % im Jahr 2020 erhöhen – womit die Schweiz auch nach der Corona-Krise die Maastricht-Kriterien der Eurozone ohne Weiteres erfüllen würde. Auch das AAA-Rating der Schweiz am Kapitalmarkt wird durch die höhere Schuldenquote kaum gefährdet. Folglich ist zu erwarten, dass das Vertrauen der Investoren gesichert ist und die Risikoprämien in den Zinsen trotz höherer Staatsschulden niedrig bleiben. Für die anhaltende Möglichkeit dank Negativzinsen für eine Neuverschuldung sogar Zinsen zu erhalten, sprechen auch das weltweit schwache Produktivitätswachstum, die demografische Entwicklung und die hohe Sparquote hierzulande. Die Corona-Schulden werden paradoxerweise den Staatshaushalt in den kommenden Jahren sogar eher ent- als belasten.

Rückkehr zum Normalbetrieb der Schuldenbremse erst ab 2022 sinnvoll
Angesichts dieser Umstände ist es gemäss den Ökonomen der Credit Suisse ratsam, den pandemiebedingten einmaligen Anstieg der Staatsschulden zu akzeptieren und keinen raschen, potenziell wachstumshemmenden Schuldenabbau zu erzwingen. Dies spricht für eine deutliche Verlängerung des Zeitraums für den Schuldenabbau, was dank Inanspruchnahme einer Sonderregelung der Schuldenbremse möglich ist. Eine nachfolgende Rückkehr zu ausgeglichenen Budgets ab 2022 ist dennoch ratsam und wird bei weiterhin niedrigen Zinsen eine Reduktion der Schuldenquote auf Vorkrisenniveau innerhalb einer Generation ermöglichen. Konkret gehen die Ökonomen der Credit Suisse in einer Simulation davon aus, dass die Schuldenquote des Bundes bereits innert 17 Jahren wieder auf ihr Niveau von 2019 fallen könnte. Eine stabilitätsorientierte Finanzpolitik bleibt aber nicht nur aus rein ökonomischen Gründen wichtig, sondern auch um den innenpolitischen Konsens zu wahren und damit im Fall einer allfälligen erneuten Krise abermals rasch und wirkungsvoll reagieren zu können.

SNB-Sonderausschüttung würde Bundesschulden nicht senken
Die Ökonomen der Credit Suisse sehen indes gewichtige Nachteile für einen Schuldenabbau durch das Anzapfen der Reserven der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Erstens sind gemäss ihren Berechnungen die Refinanzierungskonditionen durch die Bundestresorerie vorteilhafter. Zweitens sind die markverzerrenden Kräfte geringer, wenn der Bund Anleihen begibt, als wenn die SNB über Devisengewinne oder Negativzinseinahmen ihre Ausschüttungsreserven äufnet. Drittens – und wohl am wichtigsten – würde ein Transfer von SNB-Gewinnen nichts an der Nettoverschuldung des Bundes ändern. Eine Ausschüttung würde zwar dazu beitragen, einen Anstieg der Bruttoverschuldung des Bundes zu verhindern. Dies würde sich jedoch nicht auf die Nettoverschuldung auswirken, weil der Bund die zurückbehaltenen Gewinne der SNB verlieren würde, die seinen Aktiven zugerechnet werden. Eine Finanzierung der Defizite mittels einer ausserordentlichen Gewinnausschüttung der SNB weckt zudem institutionelle Vorbehalte – vermischen sich dadurch doch Geld- und Fiskalpolitik.

Die Publikation «Monitor Schweiz» wird quartalsweise publiziert und ist im Internet in Deutsch, Französisch und Englisch verfügbar unter:
www.credit-suisse.com/monitorschweiz

Die nächste Ausgabe erscheint am 15. September 2020.