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Credit Suisse Sorgenbarometer 2022: Grosse Rochade bei den Top-Sorgen – Spitzenreiter Umwelt und Altersvorsorge

Die Credit Suisse veröffentlicht die Ergebnisse der neusten Umfrage zu Sorgen, Vertrauen und Identität der Schweizer Stimmbevölkerung


Das Thema Umwelt steht 2022 an erster Stelle der Sorgen der Schweizerinnen und Schweizer – allerdings prozentual auf gleichem Niveau wie letztes Jahr. Auf den Plätzen 2 und 3 folgen die Themen AHV/Altersvorsorge und Energie, während die Pandemie nicht mehr unter den zehn wichtigsten Sorgen ist. Zudem hinterlässt der Krieg in der Ukraine auch in der Schweiz Spuren: der bis anhin starke Zukunftsoptimismus nimmt deutlich ab. Zu diesen Erkenntnissen kommt die neue Ausgabe des Credit Suisse Sorgenbarometer.

Das Forschungsinstitut gfs.bern hat auch dieses Jahr im Auftrag der Credit Suisse die Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger nach ihren Sorgen und nach wesentlichen Identitätsmerkmalen des Landes befragt. Mit 39 Prozent ist die Belastung der Umwelt (Umweltschutz, Klimawandel, Umweltkatastrophen) die neue Top-Sorge der Schweiz (die Befragten konnten jeweils fünf Top-Sorgen nennen). Dieser Wert ist zwar gleich hoch wie letztes Jahr, doch weil die COVID-19-Pandemie – klarer Spitzenreiter in den Jahren 2020 (51%) und 2021 (40%) – mit aktuell noch 13 Prozent offensichtlich zu einem Alltagsproblem geworden und aus den Top-Sorgen verschwunden ist, rückt das Umwelt-Thema dieses Jahr auf Platz 1 der Sorgen nach. Das Thema AHV/Altersvorsorge rangiert mit 37 Prozent auf dem zweiten Platz.

Manuel Rybach, Global Head of Public Policy and Regulatory Foresight bei der Credit Suisse, sagt dazu: «Selten waren wir so gespannt auf die Resultate der Sorgenbarometerumfrage wie dieses Jahr, hätte man doch in Zeiten von Inflation, Krieg und Pandemie gleich mehrere ‘Spitzenreiter’ erwarten können. Nun schwingen Klimawandel, Altersvorsorge und Energie 2022 oben aus, und der Zukunftsoptimismus der Schweizerinnen und Schweizer hat sich deutlich eingetrübt. Die jüngsten wirtschaftlichen und geopolitischen Entwicklungen machen sich also bereits bemerkbar.»

Ukraine-Krieg wirkt sich aus
Wie aber widerspiegelt sich der am 24. Februar gestartete Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine im Sorgenbarometer konkret? Direkt als Sorge bezeichnet wird der Krieg von lediglich 20 Prozent der Bevölkerung (Rang 8). Doch mindestens drei weitere Spitzensorgen lassen sich in einen Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine bringen. So ist die Sorge um Energiefragen mit 25 Prozent (+11 Prozentpunkte, pp) massiv angestiegen und belegt neu Rang 3 der Sorgenrangliste – prozentual gleichauf mit der Sorge rund um die Ausgestaltung der Beziehungen zu Europa und der EU. Erstmals genannt wird von 21 Prozent die Versorgungssicherheit in Bezug auf Energie, Medikamente und Nahrungsmittel (Rang 7). Während es bei der Versorgungssicherheit primär um die Sicherstellung der Versorgung in unsicheren Zeiten und im Winter geht, dürfte die Sorge über Energiefragen die Energiezukunft generell betreffen – also die Frage, wie die Energiestrategie der Schweiz in den kommenden Jahren aussieht und wo Kompromisse im Bereich Umwelt, Landschaftsschutz oder auch bei Technologien wie der Kernkraft dafür in Kauf genommen werden müssen. Mit der Inflation (Rang 5, 24%) befindet sich ein weiterer Neuzugang unter den fünf grössten Sorgen. Das Gesundheitswesen – eine traditionelle Hauptsorge – wird ebenfalls von 24 Prozent als Sorge genannt, nachdem es 2018 und 2019 noch hohe 41 Prozent gewesen sind. Auf Platz neun und zehn schliesslich liegen die beiden Sorgen mit Bezug zur Migrationsthematik (Ausländer/innen resp. Flüchtlinge/Asylfragen).

«Die diesjährige Sorgenlandschaft ist geprägt durch das Aufkommen neuer Unsicherheitsthemen im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine. Dazu gehören Energiefragen, die Versorgungssicherheit oder auch die Teuerung. In diesen Fragen scheint in der Bevölkerung eine gewisse Spannung vorhanden zu sein: Zwar ist die Situation aktuell weiterhin für die meisten tragbar, doch das Bewusstsein für diese Themen steigt deutlich an. Auffallend ist dieses Jahr zudem, dass sogenannte materialistische Themen, wie beispielsweise die Sicherheit, höher priorisiert werden, während postmaterielle Themen, wie die Gleichstellung der Geschlechter, aktuell eher in den Hingergrund rücken», sagt Cloé Jans, Leiterin operatives Geschäft von gfs.bern, welches das Credit Suisse Sorgenbarometer seit 1995 erhebt.

Sorge um Wirtschaft und Lebensstandard – aber nicht um Arbeitslosigkeit
Die Stimmbevölkerung der Schweiz blickt mit deutlich weniger Optimismus in die (wirtschaftliche) Zukunft, als dies noch vor ein paar Jahren der Fall war. Dabei geht es nicht in erster Linie um die Angst, den eigenen Job zu verlieren. Im Gegenteil: die Arbeitslosigkeit fällt erstmals seit 1988 aus den Top-10 der grössten Sorgen. Vielmehr geht es um die Unsicherheit, ob und wie die Versorgung des Landes und der Erhalt des bis anhin gewohnten Lebensstandards unter den aktuellen Voraussetzungen mit zahlreichen Krisen gewährleistet werden kann. Die Einschätzung der aktuellen individuellen wirtschaftlichen Lage weist zwar noch keine Abweichungen gegenüber den Vorjahren auf: 65 Prozent (+0 pp) der Befragten bezeichnen sie als gut oder sehr gut, lediglich 6 Prozent (+0 pp) als schlecht oder sehr schlecht. Der Blick auf die kommenden zwölf Monate zeigt aber ein deutlich anderes Bild: nicht weniger als 19 Prozent (+9 pp) befürchten eine Verschlechterung ihrer persönlichen Situation. So viele sind es in den 27 Jahren, in denen diese Frage erhoben wird, noch nie gewesen.

Vor diesem Hintergrund beruhigt, dass gleichzeitig das Vertrauen in die drei wichtigen Institutionen Bundesrat (68%), Polizei (67%) und Bundesgericht (66%) gross und stabil ist. Auf tieferem Niveau gilt das Gleiche, sogar mit einer leicht steigenden Tendenz, auch für weitere Institutionen, so etwa die Schweizerische Nationalbank, der Stände- und Nationalrat und die politischen Parteien. Und auch der Stolz, Schweizerin oder Schweizer zu sein, ist zwar tendenziell leicht abnehmend, mit 77 Prozent (–1 pp) aber nach wie vor sehr hoch. Am meisten an Vertrauen zulegen konnte die Armee (+8 pp auf 48%), was für ein gesteigertes Sicherheitsbedürfnis in unsicheren geopolitischen Zeiten spricht.

Schweizer Identität unter Druck – Europa rückt zusammen
Neben der direkten Demokratie, Föderalismus und dem Milizgedanken ist die Neutralität ein Identitätsmerkmal und eine der Säulen der Schweizer Politik. Nach verschiedenen Faktoren gefragt, welche die Identität der Schweiz gefährden, spielt der Druck von aussen in seinen unterschiedlichen Erscheinungsformen für viele Befragte eine wesentliche Rolle. Konkret schätzt man die Abhängigkeit der Schweiz von der globalen Wirtschaft (71%), die EU und ihre Probleme (67%) oder auch die Einwanderung (60%) zunehmend als Gefahr für die Identität der Schweiz ein. Dass die westlichen Werte im neuen geopolitischen Tauziehen generell unter Druck geraten, erachten 68 Prozent als Gefahr für die Kernidee der Schweiz. Die Stimmberechtigten identifizieren aber auch hausgemachte Gefahren für die Seele der Nation – allen voran das sinkende freiwillige Engagement (79%) und die Unfähigkeit der Politik, tragfähige Lösungen für Probleme zu finden (78%).

Zwei Jahre Pandemie und mehr als ein halbes Jahr Angriffskrieg auf die Ukraine haben Europa und die Sicht der Schweiz auf die Europäische Union (EU) verändert. 32 Prozent der Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger sind der Ansicht, dass die Ereignisse der letzten zwölf Monate die EU gestärkt haben. Das scheint auf den ersten Blick nicht besonders viel zu sein, zumal 57 Prozent von einer Schwächung ausgehen. Doch der Trend zeigt: Heute kommen dreimal mehr Leute zu diesem positiven Urteil als noch 2019 (10%). Auch finden 52 Prozent, der Krieg in der Ukraine habe Europa als Wertegemeinschaft zusammengeschweisst.

Europa – quo vadis?
Im Mai 2021 erklärte der Bundesrat die ins Jahr 2014 zurückgehenden Gespräche über ein institutionelles Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der EU einseitig als beendet. Wie wird dieser politische Akt mit etwas Abstand beurteilt? Das Credit Suisse Sorgenbarometer zeigt: 49 Prozent (–2 pp gegenüber 2021) der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger stufen den Entscheid als eher/sehr richtig ein, vom Gegenteil sind 42 Prozent (+2 pp) überzeugt. Von acht zur Auswahl stehenden Möglichkeiten, wie das zukünftige Verhältnis zur EU zu regeln sei, wird nach wie vor das Aushandeln eines institutionellen Rahmenabkommens klar favorisiert, prozentual gleichauf mit der Weiterentwicklung der Bilateralen Verträge. Dahinter folgt – und das ist eine Veränderung gegenüber dem Vorjahr – der Beitritt zum EWR, der nun als besserer Weg als das Einfrieren der Bilateralen Verträge ohne Weiterentwicklung erachtet wird. Auch das Aufkünden des Personenfreizügigkeits-abkommen gehört noch zu dieser denkbaren Lösungsgruppe, während man sich vom Verzicht auf die Bilateralen Verträge oder überhaupt auf besondere Beziehungen zur EU genauso wenig verspricht wie von einem EU-Beitritt.

Folgerichtig müssen in den Augen der Befragten die Gespräche über ein institutionelles Rahmenabkommen weitergeführt werden, denn 76 Prozent erachten stabile Beziehungen der Schweiz mit der EU als wichtig. Konkret auf die Bilateralen Verträge bezogen, kommt der gleiche Wert zustande. Eine klare Mehrheit fände es wichtig, einen Durchbruch bei den Verhandlungen mit der EU zu erzielen. Dabei ist vor allem der Bundesrat gefordert. 40 Prozent sehen die Landesregierung in der Verantwortung und 21 Prozent die Schweizer Delegierten in Brüssel. Nur 14 Prozent sehen primär die EU als verantwortlich. Zusammengezählt ist somit eine klare Mehrheit von 61 Prozent der Stimmberechtigten der Meinung, der Ball zur Weiterentwicklung der Beziehungen mit der EU liege nun in erster Linie bei der Schweizer Exekutive. Diese Einschätzung besteht durch alle Parteilager hindurch.

Abkehr von einer Nischenpolitik
Die Selbsteinschätzung des eigenen Landes im internationalen Vergleich weist nach wie vor hohe Werte auf, doch Pandemie und Krieg haben die Verletzlichkeit der Schweiz aufgezeigt. Für 92 Prozent (–3 pp) der Befragten steht die Schweizer Wirtschaft im Vergleich zur ausländischen eher/sehr gut da – nach wie vor ein sehr hoher Wert, und doch war er seit 2012 nur ein einziges Mal tiefer, nämlich im Jahr 2017 (89%). Auch sind nach wie vor 54 Prozent der Befragten der Ansicht, die Schweiz könne einen erschwerten Zugang zum EU-Markt mit verstärkten Handelsbeziehungen mit Drittstaaten wettmachen. Für eine eigenständige wirtschaftliche Nischenpolitik der Schweiz hingegen sprechen sich dieses Jahr nur noch 36 Prozent (–9 pp) aus – 2020 waren es noch 53 Prozent. Die Mehrheit der Bevölkerung (52%) verspricht sich durch eine stärkere Anlehnung an eine geeinte EU-Position verbesserte Verhandlungspositionen in Wirtschaftsfragen.

Manuel Rybach sagt dazu: «Die Resultate des diesjährigen Sorgenbarometers offenbaren eine differenzierte Meinung zur Rolle der Schweiz in der Welt. Zwar wird die Neutralität weiterhin hochgehalten, ein Alleingang der Schweiz ist aber für die Mehrheit ebenfalls keine Lösung. Stattdessen ist man der Ansicht, Lösungen für politische Probleme müssten international und mittels einer stärkeren Anbindung der Schweiz gefunden werden. Dass die weltweiten Probleme die Schweiz nichts angehen, dieser Meinung sind in den letzten Jahren immer weniger Leute und gerade wenn es um die Klimapolitik geht, wünscht man sich zunehmend eine Vorreiterrolle.»

Übersicht: Die wichtigsten Erkenntnisse des Credit Suisse Sorgenbarometer 2022

Neue Top-Sorge: Das Thema Umweltschutz/Klimawandel steht 2022 an erster Stelle der Schweizer Sorgenrangliste – allerdings prozentual auf gleichem Niveau wie letztes Jahr. Auf den Plätzen 2 und 3 folgen die Themen AHV/Altersvorsorge und Energie, während die Pandemie nicht mehr unter den Top-10 der Sorgen ist.

Neue Unsicherheitsthemen: Die diesjährige Sorgenlandschaft ist geprägt vom Aufkommen neuer Unsicherheitsthemen im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine. Dazu gehören Energiefragen (Rang 3), die gestiegene Inflation (Rang 5) oder auch die Versorgungssicherheit (Rang 7). Postmaterielle Themen hingegen rücken aktuell wieder etwas in den Hintergrund.

Getrübte Zukunftserwartungen: Der bis anhin stark vorhandene Zukunftsoptimismus in der Schweiz bröckelt. Mit Blick auf die kommenden zwölf Monate befürchten 19 Prozent (+9 pp) eine Verschlechterung der individuellen wirtschaftlichen Lage. So viele sind es in den 27 Jahren, in denen diese Frage erhoben wird, noch nie gewesen.

Vertrauen in Institutionen: Das während der Pandemie teilweise etwas verloren gegangene Vertrauen in die Schweizer Institutionen kommt 2022 wieder zurück. Das Vertrauen in die drei wichtigen Institutionen Bundesrat (68%), Polizei (67%) und Bundesgericht (66%) ist gross und stabil. Auch die Schweizerische Nationalbank und die Armee haben deutlich an Vertrauen dazugewonnen.

Identität unter Druck: Nach verschiedenen Faktoren gefragt, welche die Identität der Schweiz gefährden, schätzt man die Abhängigkeit von der globalen Wirtschaft (71%), die EU und ihre Probleme (67%) oder auch die Einwanderung (60%) zunehmend als Gefahr ein. Dass die westlichen Werte im neuen geopolitischen Tauziehen generell unter Druck geraten, erachten 68 Prozent als Gefahr für die Kernidee der Schweiz. Es lauern aber auch inländische Probleme – beispielsweise das sinkende freiwillige Engagement (79%).

Beziehung zu Europa: Von acht zur Auswahl stehenden Möglichkeiten, wie das zukünftige Verhältnis zur EU zu regeln sei, wird nach wie vor das Aushandeln eines institutionellen Rahmenabkommens klar favorisiert, prozentual gleichauf mit der Weiterentwicklung der Bilateralen Verträge. Eine klare Mehrheit fände es wichtig, einen Durchbruch bei den Verhandlungen mit der EU zu erzielen. Dabei ist vor allem der Bundesrat gefordert. 40 Prozent sehen die Landesregierung in der Verantwortung und nur 14 Prozent finden, der Ball liege bei der EU.

* Umweltschutz / Klimawandel / Umweltkatastrophen
** AusländerInnen / Zuwanderung / Personenfreizügigkeit

*Thema Klima bzw. Klimawandel ab 2007 befragt

Credit Suisse Sorgenbarometer: repräsentative Umfrage Welches sind die grössten Sorgen der Schweizerinnen und Schweizer? Und wie steht es um das Vertrauen in die Akteure aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft? Diesen Fragen geht die Credit Suisse seit nunmehr 46 Jahren in ihrer jährlichen Sorgenbarometer-Umfrage nach. Mit dem Sorgenbarometer will die Credit Suisse einen Beitrag zur öffentlichen Diskussion zu gesellschaftspolitisch relevanten Themen leisten. Im Jahr 2022 befragte das Forschungsinstitut gfs.bern im Auftrag der Credit Suisse 1‘774 Stimmberechtigte in der ganzen Schweiz zwischen Juli und August. Der statistische Stichprobenfehler liegt bei ±2,3 Prozentpunkten.

Die detaillierten Auswertungen der Studie, inklusive Infografiken, finden Sie unter
www.credit-suisse.com/sorgenbarometer sowie in unserer Spezialpublikation «Kompass für die Schweiz» (Download-Link auf der Webseite).

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