Schweizer Wirtschaft passt sich an den starken Schweizer Franken an
Die Schweizer Wirtschaft kann immer besser mit dem Wechselkurs von Euro und Franken umgehen. Für einzelne Branchen ist der Schweizer Franken aber weiterhin deutlich überbewertet. Welche Branchen Mühe bekunden und welche über Preissetzungsmacht verfügen.
Wechselkurs Euro/Franken nähert sich langsam dem Fair Value
Der Schweizer Franken wertet sich gegenüber dem Euro in der Tendenz auf. Denn seit einigen Jahren steigen die Preise in der Eurozone stärker als in der Schweiz. Die Ökonomen der Credit Suisse schätzen, dass der Schweizer Franken derzeit gegenüber dem Euro noch um rund 9 Prozent überbewertet ist. Ein gemessen an einem erweiterten Kaufkraftmodell fairer Wechselkurs von Euro und Franken läge gemäss ihrem Berechnungsmodell bei 1.24.
Tendenziell hat dieser Fair-Value-Wechselkurs von Euro und Franken seit 2002 um rund 20 Prozent abgenommen. Eine Entwicklung, die sich fortsetzen dürfte. Denn auch künftig ist davon auszugehen, dass die Inflation in der Schweiz tiefer sein wird als in der Eurozone. In rund fünf Jahren dürfte der Fair Value gemäss den Prognosen der Credit Suisse sogar dort liegen, wo heute der Wechselkurs von Euro und Franken steht.
Wechselkurs von Euro und Franken seit 2002 verglichen mit dem Fair Value
Quelle: Schweizerische Nationalbank, Credit Suisse
Schweizer Franken ist für Schweizer Wirtschaft überbewertet
Für das Gros der Schweizer Wirtschaft zeichnet sich indes ein weniger rosiges Bild ab. Der Schweizer Franken ist für viele Industriebranchen deutlich stärker überbewertet als im gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt.
Gemäss dem von der Credit Suisse verwendeten Ansatz ist der aktuelle Wechselkurs von Euro und Franken für die Textil-, Druck- und Kunststoffindustrie nach wie vor um 30 bis 40 Prozent überbewertet, für die Elektro-, Papier-, Maschinen-, Metallprodukt- und Lebensmittelindustrie um 10 bis 20 Prozent. Lediglich für die Pharma-, Chemie- und Metallindustrie ist der Schweizer Franken nur leicht oder gar nicht überbewertet.
EUR/CHF-Kurs von 1.13 ist für die meisten Industriebranchen überbewertet
Abweichung vom branchenspezifischen Fair Value (EUR/CHF)
Quelle: Credit Suisse
Pharmaindustrie ist am wenigsten vom Wechselkurs Euro/Franken abhängig
Allerdings stellt ein gegenüber dem Euro überbewerteter Schweizer Franken für die einzelnen Branchen nicht in jedem Fall ein Problem dar. Denn manche Branchen verfügen über eine hohe Preissetzungsmacht. Die Nachfrage nach ihren Produkten ist entweder dermassen stark, dass sie selbst bei einer Aufwertung des Schweizer Franken nicht gezwungen sind, die Preise zu senken, oder der Preis ist nicht das entscheidende Kaufkriterium. Auch variiert der Anteil der Exporte in den Euroraum von Branche zu Branche.
Am besten steht die Pharmaindustrie da. Für sie ist der Schweizer Franken einerseits nicht überbewertet. Andererseits exportiert die Pharmabranche viel in die USA und verfügt über eine grosse Preissetzungsmacht. Auch für die Uhrenindustrie präsentiert sich die Situation ähnlich vorteilhaft. Für die Maschinenbauer ist der Schweizer Franken zwar überbewertet, doch entschärfen eine hohe Preissetzungsmacht und eine hohe globale Diversifikation die Situation. Letzteres gilt in etwas geringerem Ausmass auch für die Elektrotechnik.
Manche Branchen der Schweizer Wirtschaft müssen handeln
Die Chemie- und die Metallindustrie konnten ihre Wettbewerbsfähigkeit nach der Frankenaufwertung mit starken Preisanpassungen beinahe zurückgewinnen. Dies auch in Anbetracht etwas geringerer Preissetzungsmacht als beispielsweise bei der Pharmaindustrie und starker Europazentriertheit seitens der Metallbranche.
Andere dagegen, wie die Nahrungsmittel-, Textil-, Fahrzeug- und Lebensmittelindustrie sowie die Papier- und Kunststoffbranche, befinden sich nach wie vor in einer schwierigen Position: Ihre Preissetzungsmacht ist gering, die Überbewertung des Schweizer Franken hoch und die Bedeutung des Euroraums dominant. In diesen Branchen ist eine weitere Verlagerung der Tätigkeit ins Ausland zu erwarten. Ausser sie schaffen es, preislich weniger sensitive Nischenprodukte zu entwickeln. Dadurch könnten sie ihre Marktposition verbessern und die Wirkung des preislichen Wettbewerbs kompensieren.