Rahmenabkommen zwischen Schweiz und EU: kein Preisrutsch in Sicht
Die Schweiz ist eines der teuersten Länder Europas. Die hohen Preise sind einerseits Zeichen von Wohlstand, andererseits Folge der Marktabschottung. Welche Auswirkungen hätte ein Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der EU?
Preisniveau in der Schweiz ist überdurchschnittlich hoch
Die Schweiz ist das Land mit dem zweithöchsten Preisniveau Europas. Sie folgt direkt auf Island, liegt aber noch vor Norwegen. Was auffällt: Alle drei Länder sind nicht Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU). Die nachfolgenden Länder, Dänemark und Schweden, gehören der EU zwar an, haben aber den Euro nicht übernommen.
Die Preise in der Schweiz sind im Vergleich zu ihren Mitstreitern insbesondere für standortgebundene, nicht handelbare Dienstleistungen und für Waren mit politischem Wettbewerbsschutz deutlich höher. Dazu gehören zum Beispiel die Bereiche Wohnen, Gesundheit oder Nahrungsmittel. Deutlich weniger teurer hingegen sind in der Schweiz handelbare Waren, die im Ausland hergestellt werden und nicht vor Wettbewerb geschützt sind.
Auch handelbare Güter sind in der Schweiz teuer
Abweichung der Schweiz vom Preisniveau der EU 28, 2016
Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse
BIP hat Einfluss auf das Preisniveau der Schweiz
Deutlich erkennbar ist der Zusammenhang zwischen dem hohen Preisniveau und dem Bruttoinlandsprodukt (BIP). In reichen Ländern mit hohen Löhnen müssen an standortgebundene Dienstleister, wie zum Beispiel Ärztinnen oder Lehrer, konkurrenzfähige Löhne ausgezahlt werden können. Dies führt generell zu einem höheren Preisniveau.
Deutlicher Zusammenhang zwischen Preisniveau und Wirtschaftsleistung
Preisniveau (EU 28 = 100) und BIP pro Kopf, 2017
Quelle: Eurostat, Credit Suisse
Protektionismus als mögliche Ursache für hohes Preisniveau der Schweiz
Mit dem Zusammenhang zwischen Wirtschaftsleistung und Preisen lässt sich die Differenz des Preisniveaus zwar in grossen Teilen, aber dennoch nicht vollständig erklären. Ähnlich wohlhabende Länder zeigen nämlich ein tieferes Preisniveau als die Schweiz, beispielsweise Luxemburg, Irland, Deutschland oder die Niederlande. Dies spricht für eine weniger ausgeprägte Verbindung von Wirtschaftsleistung und Preisniveau.
Es müssen demnach weitere Faktoren die Preisentwicklung beeinflussen. Einer dieser Faktoren dürfte der Protektionismus sein – also die unvollständige Teilnahme am EU‑Binnenmarkt. In der Regel führen Wettbewerb und die freie Zirkulation von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Personen zu tieferen Preisen.
EU-Binnenmarkt wirkt sich begrenzt auf das Preisniveau aus
Der Zugang zum EU-Binnenmarkt könnte durchaus Vorteile bringen. So haben sich die Preisniveaus der 28 EU-Mitgliedstaaten seit der Einführung des Euros im Jahr 1999 angeglichen. Der Variationskoeffizient hat sogar um insgesamt zehn Prozentpunkte abgenommen. Mehr als 45 Prozent dieser Entwicklung wurden durch die Liberalisierung des EU-Binnenmarkts bestimmt, zusammen mit weiteren Aspekten wie lokalen Präferenzen oder Transportkosten.
Allerdings dürfte die Teilnahme am EU-Binnenmarkt einen geringeren Einfluss auf die Preisniveauentwicklung haben als das Wirtschaftswachstum und der Wechselkurs. Denn in der gleichen Zeitspanne haben sich die EU-Staaten wirtschaftlich angeglichen. Dies zeigt sich am BIP pro Kopf, welches in den wirtschaftlich schwächeren Ländern stark gewachsen ist und zu einem Anstieg der Preise geführt hat. Dieses Wirtschaftswachstum und der Wechselkurs erklären – in Bezug auf die gut handelbaren Wirtschaftsgüter – die restlichen rund 50 Prozent der Unterschiede in der Preisentwicklung zwischen 1999 und 2017.
EU-Länder zeigen eine generelle Angleichung des Preisniveaus auf Produktebene
Veränderung des Variationskoeffizienten des Preisniveaus zwischen 1999 und 2016, in Prozentpunkten
Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse
Auswirkungen des Rahmenabkommens zwischen der Schweiz und der EU
Um einschätzen zu können, welche Auswirkungen eine Marktöffnung der Schweiz zum EU-Binnenmarkt hätte, kann die Schweiz mit wirtschaftlich identischen EU-Ländern wie Deutschland, Österreich und den Niederlanden verglichen werden. Gemäss Schätzungen erlebten Deutschland und Österreich seit 1999 einen etwa um neun beziehungsweise drei Prozentpunkte geringeren Preisniveauanstieg als die Schweiz.
Es ist also anzunehmen, dass die Preisentwicklung durch den EU-Binnenmarkt etwas gedämpft wird. Allerdings wird diese Hypothese wiederlegt, wenn man die Niederlande betrachtet. Hier zeigt sich ein um 1,5 Prozentpunkte stärkerer Anstieg als in der Schweiz. Abschliessend lässt sich deshalb festhalten: Die im Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der EU vorgeschlagene Öffnung hin zum EU-Binnenmarkt hätte wohl keinen massiven Preisrutsch in der Schweiz zur Folge.