Rente oder Kapital: ein wichtiger Entscheid bei der Pensionierung
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Pensionskassengelder als Rente oder Kapital beziehen? Darauf kommt es an.

Das Pensionskassenguthaben ist oft das grösste Vermögen von Schweizerinnen und Schweizern. Vor der Pensionierung stellt sich die grosse Frage, ob man es als Rente oder Kapital beziehen soll. Wo die Knacknüsse beim Kapitalbezug aus der Pensionskasse liegen und warum eine individuelle Lösung immer die beste ist.

Die Frage «Rente oder Kapital?» frühzeitig thematisieren

Der Pensionskassenausweis ist ein sehr wichtiges Dokument für die meisten Arbeitnehmer in der Schweiz. Denn dort ist berechnet, wie hoch die Rente und das Alterskapital bei der Pensionierung voraussichtlich sind. Gesetzlich hat jeder Versicherte das Recht, mindestens ein Viertel des obligatorischen BVG-Altersguthabens als Kapital zu beziehen, wobei heute die meisten Pensionskassen einen vollen Kapitalbezug zulassen. Mit dem Inkrafttreten der Reform AHV 21 am 1. Januar 2024 kann der Bezug in Kapitalform in maximal drei Schritten erfolgen, wobei jeder Schritt sämtliche Bezüge innerhalb eines Kalenderjahres umfasst – auch bei mehreren Vorsorgeeinrichtungen. Mit der Gesetzesänderung sind neu auch drei Teilkapitalbezüge in Kantonen möglich, die bisher nur zwei Schritte in Kapitalform zugelassen haben. Der Bezug der Altersleistung als Rente kann in bis zu drei Schritten erfolgen, wobei die Pensionskasse auch mehr als drei Schritte ermöglichen kann.

Wichtig: Bei einem Übertrag von Freizügigkeitsleistungen muss die Vorsorgeeinrichtung die Beachtung der maximalen Anzahl der Bezüge in Kapitalform gegenüber der neuen Vorsorgeeinrichtung melden.

Für den Kapitalbezug muss man sich je nach Pensionskasse schon mehrere Wochen bis zu drei Jahre im Voraus entscheiden: Die Frist ist im jeweiligen Pensionskassenreglement geregelt. Und der Entschluss ist unwiderruflich. Worauf man als Versicherter bei dieser wichtigen Entscheidung achten muss und warum man frühzeitig mit einem Berater darüber sprechen sollte, erfahren Sie im kurzen Erklärvideo und im Experten-Interview mit Finanzplaner Massimiliano Tagliabue.

Das Pensionskassenguthaben als Rente oder Kapital beziehen?

Unser Video erklärt in zwei Minuten, was es beim Entscheid zu beachten gilt.

Herr Tagliabue, die Zukunft der AHV ist ungewisser als noch vor 10 oder 20 Jahren. Umso wichtiger wird die 2. Säule. Bereits ein Drittel der Pensionierten wählt dabei den Kapitalbezug – machen diese Menschen das Richtige?

Das hängt jeweils von der individuellen Situation ab. Beispielsweise von den Familienverhältnissen oder von der Gesundheit. Jemand mit einer sehr hohen Lebenserwartung fährt mit einer Rente besser. Auch vorsichtige Menschen müssen sich bei einer regelmässigen Rente bis ans Lebensende nicht immer Gedanken darüber machen, ob das Geld wohl noch ausreicht. Sie müssen sich auch nicht um die Verwaltung des Vermögens kümmern. Viele wählen eine Mischform. Eine Rente bildet zusammen mit der AHV die sichere Basis, mit dem Kapitalbezug gewinnt man trotzdem ein Stück Freiheit und kann Steuern sparen.

Generell führt ein Kapitalbezug zu mehr Freiheit, das Geld steht zur freien Verfügung.

Massimiliano Tagliabue

Aber ...

... Alleinstehende sind stärker an einem reinen Kapitalbezug interessiert. So haben sie die Möglichkeit, das Kapital im Todesfall einer Drittperson zu vermachen. Generell führt ein Kapitalbezug zu mehr Freiheit, das Geld steht zur freien Verfügung. Allerdings ist das Einkommen weniger regelmässig und es besteht das Risiko, dass das Geld bei einem langen Leben irgendwann aufgebraucht ist. Dann bleiben allenfalls nur noch die AHV und Ergänzungsleistungen übrig. 

Das Thema ist nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick aussieht.

Die meisten Menschen unterschätzen die Problematik. Jeder Fall ist anders. Es hängt von der Familiensituation mit erbrechtlichen Aspekten und dem Alter von Kindern und Ehefrau, von den Wohnverhältnissen, der Gesundheit und den steuerlichen Auswirkungen ab. Heute leben auch immer mehr Menschen zusammen im Konkubinat. Da ist gesetzlich nichts geregelt, es kommt immer auf das jeweilige Reglement der Pensionskasse an.

rente oder kapital die zwei moeglichkeiten im zeitlichen verlauf

Rente oder Kapital: Die zwei Möglichkeiten im zeitlichen Verlauf

Bei einer Rente wird das Vermögen gleichmässig ausbezahlt und es müssen jährlich Steuern bezahlt werden. Lässt man sich das Guthaben aus der Pensionskasse als Kapital auszahlen, fällt hingegen nur im Jahr des Bezugs eine einmalige Steuerzahlung an, allerdings eine sehr hohe. Das gesamte Restkapital steht den Versicherten anschliessend zur freien Verfügung.

Quelle: Credit Suisse

Was raten Sie?

Es braucht eine saubere Analyse und dann eine individuelle Finanzplanung. Am besten zusammen mit einem Experten, der die gesetzlichen Vorschriften sowie die Steuergesetze kennt und weiss, worauf man bei den Reglementen der Pensionskassen achten muss.

Wir raten, mit 50 eine erste Planung zu machen und zu schauen, wo die Person steht. Zu diesem Zeitpunkt kann man noch Entscheidungen treffen.

Massimiliano Tagliabue

Bei vielen Pensionskassen muss ich bis zu drei Jahre vor der Pensionierung mitteilen, ob ich einen Kapitalbezug wünsche. Wann muss ich mit meiner Planung starten?

Die meisten beschäftigen sich leider zu spät mit ihrer Pensionierung und verpassen deshalb auch Chancen. Wenn jemand kurz vor der Pensionierung kommt, wird es schwierig, eine optimale Lösung zu finden. Wir raten, mit 50 eine erste Planung zu machen und zu schauen, wo die Person steht. Zu diesem Zeitpunkt kann man noch Entscheidungen treffen.

Welche Erfahrungen machen Sie?

In den meisten Fällen haben die Leute sehr viele Fragen – aber sie sind in der Regel schlecht vorbereitet. Es fällt auf, dass viele während ihres Erwerbslebens kein Budget aufstellen. Umso schwieriger wird es für diese Menschen abzuschätzen, was sie im Rentenalter benötigen. Viele sind überzeugt, man brauche sowieso viel weniger, weil man dann alt sei.

Den Entscheid «Rente oder Kapital?» sorgfältig abwägen

  BVG-Rentenbezug Kapitalbezug
Einkommen Regelmässig, garantiert bis ans Lebensende, abhängig vom Umwandlungssatz Unregelmässig, je nach Anlagerendite, wenn das Kapital aufgebraucht ist, bleibt nur die AHV (Langlebigkeitsrisiko)
Anlageentscheide Fällt die Vorsorgeeinrichtung Werden individuell von den Versicherten gefällt, das Anlagerisiko muss selber getragen werden
Flexibilität Keine Flexibilität Flexible Verfügbarkeit
Kapitalverzehr Systematisch Nach Bedarf
Todesfall (Vererbbarkeit) Kapital bleibt bei PK, allenfalls reduzierte Leistung (Ehegattenrente), keine gesetzliche Leistung für nicht verheiratete Hinterbliebene Restkapital fällt in den Nachlass
Steuern Rente zu 100 % steuerpflichtig Einmalige Besteuerung zum Vorsorgetarif (kantonal unterschiedlich), Anlageerträge steuerpflichtig

Und dann gibt es böse Überraschungen.

Wir zeigen auf, dass man Reserven braucht für Arzt und Zahnarzt oder Renovationen bei Wohneigentum. Oft amortisieren ältere Menschen mit einem Teil des Kapitals ihre Hypothek und vergessen dabei, dass sie trotzdem noch Reserven benötigen. Einige denken auch nicht daran, dass bei einer Hypothek die Frage der Tragbarkeit im Pensionsalter mit kleinerem Einkommen anders ist als vorher. Und gerade die heutige Rentnergeneration leistet sich am Anfang kostspielige Wünsche wie zum Beispiel eine Weltreise.

Wie kann man die Rente berechnen?

Man muss zuerst eine Bestandsaufnahme der aktuellen Situation vornehmen. Mit verschiedenen Simulationen lässt sich genau aufzeigen, wie die Lösung mit einer Rente, einer gemischten Variante oder einem reinen Kapitalbezug aussieht. Anhand konkreter Zahlen sieht der Betroffene, wie lange er wie viel Geld erhält – und wie er unter Umständen seine Lebensverhältnisse anpassen muss. Das ist sehr hilfreich bei der Findung einer massgeschneiderten Lösung. Denn es handelt sich um eine einmalige Entscheidung. Da sollten nicht nur der Bauch, sondern vor allem Zahlen und Fakten entscheiden.