Unternehmensnachfolge in der Praxis: Herausforderungen und Erkenntnisse

Die Planung der Unternehmensnachfolge stellt für Unternehmerinnen und Unternehmer eine zentrale strategische Aufgabe dar. Wie komplex der Nachfolgeprozess ist, zeigen die Umfrageresultate der aktuellen Nachfolgestudie der Credit Suisse: Von der ersten Kontaktaufnahme bis zur eigentlichen Unternehmensübergabe können mehrere Jahre verstreichen. Geduld ist von allen Beteiligten gefragt.

Unternehmensführung als Herzensangelegenheit

Der Nachfolgeprozess gehört zu den wichtigsten Meilensteinen im Leben einer Unternehmerin oder eines Unternehmers. Manchmal durchläuft sie oder er diesen sogar zweimal: einmal, um das Unternehmen zu übernehmen, und einmal, um es zu übergeben.

Abschied von der eigenen Firma zu nehmen, fällt vielen Unternehmerinnen und Unternehmern schwer, stellt das eigene Unternehmen doch oft die Verwirklichung ihres Lebenswerks dar. Deshalb wird die Unternehmensübergabe meist bis zuletzt hinausgezögert: In rund 80 Prozent der realisierten Unternehmensnachfolgen während der letzten zehn Jahre erfolgte die Übergabe gesundheits- oder altersbedingt. Dabei kam in mehr als der Hälfte der Übergaben eine familieninterne Lösung (FBO) zum Zug.

Nachfolgestudie 2022: ein Prozess, zwei Perspektiven

In der diesjährigen Nachfolgestudie haben die Nachfolgexpertinnen und
-experten der Credit Suisse und des Center for Family Business der Universität St. Gallen (CFB-HSG) den Nachfolgeprozess genau unter die Lupe genommen. Im Fokus stand dabei die sequenzielle Abfolge einzelner Übergabeschritte beim Nachfolgeprozess.

03/08/2023

Auf Unvorhergesehenes in der Unternehmensnachfolge vorbereitet sein

Bei Familienunternehmen steht die vermeintliche Nachfolge oft bereits Jahre vor der eigentlichen Übergabe fest. Gleichzeitig zeigt die Praxis, dass viele Unternehmerkinder gar nicht in das Unternehmen der Eltern einsteigen möchten. Was tun? Generell lohnt es sich, frühzeitig verschiedene Nachfolgeoptionen zu prüfen. Eine Möglichkeit stellt die Suche nach einer Nachfolge über eine Unternehmensbörse dar. Zwar stehen die befragten Unternehmerinnen und Unternehmer den Unternehmensbörsen eher skeptisch gegenüber. Doch solche Plattformen bieten auch Vorteile: Der Weg über eine Unternehmensbörse erhöht beispielsweise die Sichtbarkeit des Unternehmens, da man dadurch in Kontakt mit einer grösseren Anzahl potenzieller Käuferinnen und Käufer kommt.

Auch unvorhergesehene Ereignisse können die Lösung oder den Zeitpunkt der Übergabe beeinflussen. So haben die aktuellen Veränderungen des wirtschaftlichen Umfelds im Zuge der Corona-Pandemie sechs Prozent der Unternehmerinnen und Unternehmer dazu bewogen, ihre eigene Betriebsübergabe vorzuziehen. Auch ein Schicksalsschlag, Druck seitens der Konkurrenz oder der eigenen Familie können die Betriebsübergabe unverhofft beschleunigen. Wer frühzeitig die Weichen für eine reibungslose Übergabe stellt und sich Jahre vor der eigentlichen Übergabe mit der Betriebsnachfolge auseinandersetzt, ist im Vorteil.

Nachfolgeprozess ist komplex

Jeder Nachfolgeprozess ist so einzigartig und individuell wie die Menschen dahinter. Dennoch liefern die Umfrageresultate wertvolle Anhaltspunkte zu den einzelnen Übergabeschritten. Generell lassen sich zwei Arten von Nachfolgesequenzen unterscheiden:

  • Staffelübergabe
    Bei der Staffelübergabe werden die Geschäftsführung sowie das Eigentum gleichzeitig übergeben. Gemäss Umfrage verstreichen zwischen dem Unternehmenseinstieg der Nachfolge bis hin zur finalen Übergabe der beiden Chargen durchschnittlich rund sechs Jahre.
  • Schrittweise Übergabe
    Bei der schrittweisen Übergabe gehen die Geschäftsführung und das Eigentum in verschiedenen Schritten an die Nachfolge über – und zwar in der Regel zuerst die Führung und danach schrittweise das Eigentum. Bei den realisierten Unternehmensnachfolgen während der letzten zehn Jahre dauerte der gesamte Prozess bis zur Übernahme des Mehrheitseigentums im Durchschnitt rund 14 Jahre und nicht selten sogar viel länger. Es ist zu vermuten, dass in diesen Fällen das mehrheitliche Eigentum erst mit dem Erbe an die Nachfolge überging, oder aber die Übergeberin oder der Übergeber zu Finanzierungszwecken bis zum Lebensende mit Unternehmensanteilen beteiligt war.

Loslassen ist eine emotionale Herausforderung

Ist der Nachfolgeprozess einmal abgeschlossen, beginnt eine neue Ära an der Firmenspitze. Doch die erfolgte Übergabe ist häufig nicht mit einem sofortigen Rückzug des Vorgängers gleichzusetzen. Denn fast die Hälfte der Vorgängerinnen und Vorgänger ist laut Umfrage auch zwei Jahre nach der Übergabe der Geschäftsführung mindestens eine Stunde pro Woche im Betrieb.

Die Umfrage zeigt die Vor- und Nachteile einer solchen Situation: So gab mehr als die Hälfte der befragten Nachfolgerinnen und Nachfolger an, dass sie bei schwierigen Entscheidungen auf die beratende Stimme der Vorgängerin oder des Vorgängers zählen konnten. Gleichzeitig kann die Präsenz des Vorgängers die nachfolgende Generation daran hindern, ihre unternehmerische Eigenständigkeit zu entwickeln. Zudem birgt die unerwünschte Einflussnahme zusätzliches Konfliktpotenzial: Gemäss Umfrage erlebten 27 Prozent der Befragten konfliktreiche Momente bei der Übernahme des Unternehmens.

 

 

Erkenntnisse und Empfehlungen für den Zeitraum während der Übergabe

Welche Aspekte begünstigen einen erfolgreichen Übergabeprozess? Auf Basis der Ergebnisse der diesjährigen Umfrage und der daraus gewonnenen Erkenntnisse hat die Credit Suisse zusammen mit dem Center for Family Business der Universität St. Gallen (CFB-HSG) Praxisempfehlungen für Unternehmerinnen und Unternehmer erarbeitet.

  • Regeln Sie die verschiedenen Zuständigkeiten durch eine klare Aufgabenteilung: Rund 75 Prozent der befragten Unternehmerinnen und Unternehmer erachten diesen Aspekt als sehr wichtig für einen erfolgreichen Übergabeprozess.
  • Eine rechtzeitige und gründliche Vorbereitung der Nachfolge erweitert den Handlungsspielraum und kann Ihnen dabei helfen, spätere Überraschungen zu vermeiden. Für den gesamten Prozess müssen Sie mit einem Zeithorizont von rund fünf bis zehn Jahren rechnen.
  • Scheuen Sie sich nicht, fachliche Expertise einzuholen: Rund drei Viertel der befragten Unternehmerinnen und Unternehmer sehen beispielsweise bei Steuerfragen einen gewissen bis sehr hohen Bedarf. Externe Berater können dabei helfen, die Komplexität des Nachfolgethemas aufzufangen.
  • Wägen Sie als übernehmende Instanz ab, ob der Nutzen, den Sie aus den Erfahrungen des Vorgängers ziehen können, die Kosten bezüglich unerwünschter Einflussnahme und des damit verbundenen Konfliktpotenzials überwiegt.