Erbrechtsrevision: Chancen für Unternehmerinnen und Unternehmer

Die Erbrechtsrevision hat aus Sicht von Unternehmerinnen und Unternehmern interessante Neuerungen gebracht. Mit reduzierten Pflichtteilsansprüchen bleibt mehr Verfügungsfreiheit. Dies kann insbesondere in Situationen, in denen das Unternehmen den grössten oder zumindest einen signifikanten Anteil des Nachlasses bildet, die Nachfolgeplanung erleichtern.

Jakob Zuber, Senior Sales Manager Erbschaftsberatung, Private Banking

1. Revisionsschritt: Anpassungen bei den Pflichtteilen für mehr Gestaltungsfreiraum

Per 1. Januar 2023 ist der erste Revisionsschritt des Erbrechts in Kraft getreten. Hauptziel dieses Revisionsschrittes war die Anpassung der erbrechtlichen Bestimmungen an die heutigen Lebensumstände und Familiensituationen. Das angepasste Erbrecht orientiert sich an den modernen Formen des Zusammenlebens und ermöglicht der Erblasserin bzw. dem Erblasser mehr Spielraum bei der Nachlassplanung.

 

Kern der Revision war die Anpassung der Pflichtteile. Kleinere Pflichtteile im Erbrecht erlauben mehr Selbstbestimmung, insbesondere für Paare ohne Trauschein oder Patchwork-Familien. Anstatt drei Viertel des gesetzlichen Erbanspruchs beträgt dieser im Falle direkter Nachkommen neu noch die Hälfte. Der Pflichtteilsanspruch für die Eltern entfällt gänzlich. Für Ehepartnerinnen und Ehepartner sowie eingetragene Partnerinnen und Partner wird der Pflichtteil unverändert beim Anspruch auf die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruches belassen. Hingegen verliert die Ehepartnerin oder der Ehepartner den eigenen Pflichtteilsanspruch bereits mit Einleitung des Scheidungsverfahrens und nicht erst mit dem formell rechtskräftigen Scheidungsurteil. Mit den Anpassungen der Pflichtteile beträgt die verfügbare Quote – unabhängig von der individuellen Lebenssituation – neu jeweils mindestens die Hälfte des Nachlasses.

 

Die weiteren Änderungen beabsichtigen im Wesentlichen die Schaffung von Rechtssicherheit bei der Abwicklung der Erbschaft und bei der Nachlassplanung.

Überprüfung aktueller Nachlassplanungen: neue Gestaltungsfreiheiten müssen aktiv genutzt werden

Da die gesetzliche Erbfolge selbst nicht ändert und auch die bereits erstellte Nachlassplanung gültig bleibt, müssen die neuen Gestaltungfreiheiten von Unternehmerinnen und Unternehmern aktiv umgesetzt werden. Die wegfallenden Pflichtteile führen zu einer grösseren verfügbaren Quote, bedingen aber entsprechende explizite Willensäusserungen. Das heisst, entsprechende Eheverträge, Testamente und Erbverträge müssen errichtet, beziehungsweise bestehende Dokumente eventuell ersetzt oder ergänzt werden.

Wie bisher steht Paaren, die weder verheiratet sind noch in einer eingetragenen Partnerschaft leben – faktische Lebenspartner genannt – kein gegenseitiges gesetzliches Erbe zu. Daran wird sich auch mit dem Inkrafttreten der Revision nichts ändern. Faktische Lebenspartner müssen weiterhin aktiv ihre Erbfolge regeln, um ihre Partnerin oder ihren Partner zu begünstigen.

Nach der Erbrechtsrevision bleiben die bisherigen Testamente und Erbverträge gültig, was im Einzelfall jedoch zu heiklen Fragen führen kann. So insbesondere, wenn bestimmte Formulierungen in der Nachlassplanung darauf schliessen lassen, dass die Erblasserin bzw. der Erblasser unter revidiertem Recht anders verfügt hätte. Die aktuelle Revision bietet eine gute Gelegenheit, die eigene Nachlassplanung an die Hand zu nehmen oder die bestehende Nachlassplanung zu überdenken und, falls erforderlich und gewünscht, anzupassen.

Schliesslich sei an dieser Stelle auch noch auf mögliche steuerliche Aspekte beim Abfassen der Nachfolgeregelung hingewiesen. Insbesondere bei einer stärkeren Begünstigung einzelner Personen sind aufgrund des Verwandtschaftsgrades bzw. allenfalls der Nicht-Verwandtschaft die erbschaftssteuerlichen Folgen in die Überlegungen einzubeziehen (Tabelle «Erbschafts- und Schenkungssteuern»PDF).

2. Revisionsschritt: erleichterte Nachfolgeregelung für Familienunternehmen

Aufgrund der geltenden Rechtslage kommt es beim Erbe von Familienunternehmen häufig zu einer Zersplitterung des Betriebes. Oft müssen Nachfolger im Zuge der Erbteilung den pflichtteilsgeschützten Erben hohe Summen auszahlen. Das kann zu schwerwiegenden Liquiditätsproblemen führen.

 

Daher war geplant, mit einem nächsten Revisionsschritt zusätzliche Möglichkeiten zu schaffen, um die Nachfolgeregelung für Familienunternehmen noch weiter zu erleichtern. Gemäss Vorentwurf des Bundesrates waren vier zentrale Massnahmen geplant: Recht auf Integralzuweisung eines Unternehmens im Rahmen der Erbteilung, Möglichkeit eines Zahlungsaufschubs bei Liquidationsproblemen der Unternehmensnachfolgerin oder des Unternehmensnachfolgers, Festlegung von spezifischen Reglungen für den Anrechnungswert sowie Einführung eines verstärkten Schutzes der pflichtteilsgeschützten nicht übernehmenden Erbinnen und Erben. Diese Änderung sollten zu einer höheren Stabilität von insbesondere kleinen und mittleren Schweizer Unternehmen beitragen und die entsprechenden Arbeitsplätze sichern. Das Parlament hat die Vorlage des Bundesrates seit Juni 2023 beraten. Während der Nationalrat die Notwendigkeit eines Unternehmererbrechts bejahte, hat der Ständerat zwei Mal entschieden, nicht auf die Vorlage einzutreten. Damit ist sie erledigt.

Was bleibt?

Bereits der erste Revisionsschritt brachte per 1. Januar 2023 mehr Flexibilität bei den Pflichtanteilen. Spezifische Bestimmungen für die Unternehmensnachfolge wird es hingegen nicht geben. Da die Nachfolgeregelung in einem Unternehmen eine der grössten Herausforderungen bleibt, soll der gescheiterte zweite Revisionsschritt zum Anlass genommen werden, erbrechtliche Regelungen aufzusetzen bzw. eine bestehende Regelung zu überprüfen. Hierbei unterstützen Sie die Nachfolgespezialistinnen und -spezialisten der Credit Suisse gerne. Nehmen Sie dazu Kontakt mit Ihrer Kundenberaterin bzw. Ihrem Kundenberater auf.

Persönliche Beratung

Möchten Sie mehr über die Auswirkungen der Erbrechtsrevision erfahren?