Anja Graf Weil für mich der klassische Karriereweg nicht aufging. Als ich im Wirtschaftsgymnasium war, überlegte ich mir, dass es noch sehr lange dauern würde, bis ich studiert und in der Berufswelt Fuss gefasst hätte. Und dann, wenn ich oben angekommen wäre, hätte ich mich in der Kinderfrage entscheiden müssen. So bin ich lieber einen unkonventionellen Weg gegangen und habe alles auf eine Karte, die Selbstständigkeit, gesetzt. Deshalb konnte ich bereits in jüngeren Jahren Karriere machen.
Graf Ich nehme die Dinge gerne selbst in die Hand. Die ersten Apartments habe ich selbst gestrichen. Zurzeit lebe ich in Bukarest, weil in Rumänien einige grosse Projekte laufen, die ich vorantreiben möchte. Was mich ebenfalls ausmacht: Ich lasse mich nicht entmutigen. Zur Finanzierung meines ersten Unternehmens ging ich zu neun Banken. Tatsächlich hat die Credit Suisse als einzige Bank an mich geglaubt und mir mit 20 Jahren einen Kredit gegeben.
Graf Die ersten zehn Jahre haben wir uns auf den Immobilienmarkt in Zürich konzentriert und dort nach und nach Liegenschaften dazugekauft. 2009 stellte ich in Zürich einen Geschäftsführer ein und wanderte nach Polen aus. Ich habe mich vier Jahre lang voll auf diesen Markt konzentriert und dort ein Support-Center aufgebaut. Vor diesem Schritt waren wir eine Gruppe von Freunden, die Wohnungen vermietete. Die Expansion zwang uns zur Professionalisierung und war deshalb ein wichtiger Meilenstein. Noch immer ist das Center in Polen das Rückgrat der Firma. Ab diesem Zeitpunkt ging es Schlag auf Schlag und wir erschlossen weitere Märkte.
Graf Es ist eine Mischung aus Investitionen in soliden Märkten wie der Schweiz, Deutschland und Österreich. In der Schweiz finanzieren die Banken zu sehr guten Konditionen, hier haben wir immer noch die beste Rendite. In anderen Märkten sind wir sehr opportunistisch. Wir investieren da, wo die Wertsteigerung noch nicht stattgefunden hat und wir günstig kaufen können.
Graf Dass Immobilien immer teurer werden, hat uns enorm geholfen und ist sicher der Hauptgrund für den Erfolg. Mit der Zeit fing ich an, Muster zu erkennen und zu antizipieren, in welchen Märkten sich das Kaufen lohnt. Ein grosser Vorteil von Visionapartments ist, dass wir ein Familienunternehmen geblieben sind. Wir haben ein sehr gutes Management, jedoch keinen Verwaltungsrat, der Investitionen absegnen muss. So können wir relativ schnell agieren.
«Mit der Zeit fing ich an, Muster zu erkennen und zu antizipieren, in welchen Märkten sich das Kaufen lohnt.»
Graf Ich umgebe mich gerne mit jüngeren Leuten und höre zu, was sie bewegt. So behalte ich in der schnelllebigen Welt den Überblick, was die nächsten Trends sein könnten. Zudem reise ich sehr viel und gerne. Ich beobachte aus erster Hand, wie die Dinge in anderen Ländern funktionieren, und überlege, ob ich gewisse Ideen übernehmen könnte.
Graf Wir haben soeben Acomodeo gekauft, eine Art Airbnb für Business-Leute. Diese Plattform wollen wir ausbauen, wobei die Schwierigkeit darin besteht, dass die Apartments nicht standardisiert sind und in einigen Wohnungen die digitale Infrastruktur fehlt.
Ein weiteres neues Projekt ist «Vision City». Ich würde es als kleine Stadt in einem Haus beschreiben. Also ein Haus, in dem alltägliche Servicedienstleistungen angeboten werden. Gerade für das Seniorenwohnen ist diese Idee spannend. Ich kann mir zudem vorstellen, in Rumänien, wo ich derzeit lebe, in diesen Häusern Schulen zu integrieren und so gute Bildung auch ausserhalb der Zentren anzubieten.
Anzahl Mitarbeitende: 290 Vollzeitstellen
Gründungsjahr: 1999
Firmensitz: Luzern
Tätigkeitsbereich: Visionapartments bietet massgeschneiderte, temporäre Wohnlösungen an über 850 Business-Standorten weltweit.
Aufgefallen: Die Schweiz ist das Innovationszentrum, Polen das Rückgrat und Rumänien der Entwicklungsmarkt.