Das Kompetenzzentrum für gemeinnützige Stiftungen «Als Stiftung muss man Agilität und Flexibilität beweisen»

«Als Stiftung muss man Agilität und Flexibilität beweisen»

Als der Krieg in der Ukraine ausbrach, leistete die Stiftung SOS-Kinderdorf innert kürzester Zeit Hilfe vor Ort, aber auch in der Schweiz. Im Interview erzählt Geschäftsführer Alain Kappeler von den Herausforderungen und wie gemeinnützige Stiftungen schnell auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren können.

Herr Kappeler, der Kriegsausbruch in der Ukraine hat auf einen Schlag zahlreiche Familien in eine Notlage versetzt. Wie hat die Stiftung SOS-Kinderdorf Schweiz darauf reagiert?

Alain Kappeler: Wir handelten sofort und waren eine der ersten Organisationen in der Schweiz, die zu Spenden für die Nothilfe aufgerufen hat. Damit konnten betroffene Kinder und Familien beispielsweise mit Nahrungsmitteln, Hygieneartikeln und Medikamenten versorgt werden. In der Ukraine selbst haben wir zwei Kinderdörfer in den Regionen Kiew und Luhansk. Die ersten Evakuierungen erfolgten bereits vor Kriegsausbruch, in Browary (Kiew) unmittelbar danach.

Diese Situation war für unsere hiesige Stiftung gänzlich neu. Bis anhin waren wir nur in Entwicklungsländern tätig, unseren sogenannten Fokusländern, wie zum Beispiel Äthiopien oder Nepal. Aus Gründen der Aktualität haben wir uns entschieden, zum ersten Mal ein Projekt in der Schweiz zu unterstützen. Dazu haben wir mit dem Verein tipiti ukrainischen Pflegefamilien sowie Kindern und Jugendlichen aus Waisenhäusern die Möglichkeit gegeben, in die Schweiz zu kommen und hier ein Betreuungsangebot und finanzielle Unterstützung in Anspruch zu nehmen.

Welche Erfahrungen können Sie aus dieser Situation für die Zukunft mitnehmen?

Dass wir in der Schweiz selber aktiv geworden sind, ist speziell für unsere Organisation. Zudem haben wir viele neue Spenderinnen und Spender in unsere Datenbank aufgenommen, die unsere Organisation bisher noch nicht unterstützt haben. Diesen wollten wir möglichst gerecht werden in unserem Qualitätsanspruch, was uns als kleine Organisation vor grosse Herausforderungen stellte.

Was raten Sie Stiftungen, die aufgrund unvorhergesehener Ereignisse ebenfalls plötzlich vor grossen Herausforderungen stehen?

Auf solche Situationen kann man sich nicht gross vorbereiten. Die Digitalisierung hat uns aber bestimmt geholfen. Dank der so generierten automatisierten Prozesse konnten wir die Ukraine-Nothilfe schnell abwickeln und bewältigen.

Ferner muss man als Stiftung auch immer eine gewisse Agilität und Flexibilität haben. Man sollte in kurzer Zeit Entscheidungen treffen können, schnelle, klare Prozesse haben und Verantwortlichkeiten sowie Kompetenzen klar definieren. Wenn ich sehe, wie schnell wir das Schweizer Projekt mit dem Verein tipiti aufgleisen und realisieren konnten, ist das gewaltig. Ich glaube, man sollte auch einfach offen sein, wenn solche Chancen kommen.

Eine gemeinnützige Stiftung ist stark vom Goodwill der Gesellschaft abhängig. Wie überbrücken Sie Zeiten, in denen die Beschaffung finanzieller Mittel erschwert ist?

Es haben viele Leute für die Nothilfe in der Ukraine gespendet. Für uns als Organisation wird sich aber erst noch zeigen, ob die Schweizer Bevölkerung ihr Spendenbudget ausgeschöpft hat und wie viel für andere Projekte bleibt. In anderen Ländern bestehen ähnliche Herausforderungen wie in der Ukraine: Beispielsweise kann sich die Bevölkerung in Äthiopien wegen der Inflation keine Grundnahrungsmittel mehr leisten, hinzu kommen Dürre und ein Bürgerkrieg, was die Situation noch verschärft. Fehlende Spenden für diese Länder stellen damit eine riesige Herausforderung dar.

Ich glaube darum, dass wir uns als Organisation ständig weiterentwickeln müssen. Es wird wichtig sein, dass wir neue Produkte oder Plattformen mit innovativen Ansätzen generieren und neue Spenderzielgruppen erreichen können.

Welche Strategie verfolgen Sie, um die Vermögenswerte der Stiftung langfristig zu sichern?

Wir haben ein Anlagereglement und definieren ein klares Portfolio. Als Non-Profit-Organisation können wir selbstverständlich kein zu hohes Risiko eingehen. Damit verzichten wir bewusst auf mögliche höhere Renditen. Schliesslich setzen wir das Vermögen unserer Spenderinnen und Spender ein und müssen sehr vorsichtig damit umgehen.

Inwiefern kann Sie das Kompetenzzentrum Gemeinnützige Stiftungen der Credit Suisse dabei unterstützen?

Das Kompetenzzentrum hilft uns beispielsweise beim Thema nachhaltige Anlagen sehr. Auch bei der Optimierung unserer Anlagestrategie finden wir bei ihnen Unterstützung, sodass wir gemeinsam die von uns definierten Kriterien erfüllen und ein passendes Portfolio für die Zukunft haben.

In welchen Bereichen, würden Sie sagen, ist Ihre Stiftung besonders innovativ?

Wir haben vor zwei Jahren ein eigenes Business-Development-Gefäss gebildet, um in regelmässigen Zyklen neue Ideen zu generieren. Diese testen wir anschliessend im Markt oder direkt bei unseren Spenderinnen und Spendern. Ist ein Test erfolgreich, implementieren wir die Idee in der Organisation. Mit diesem Vorgehen konnten wir bereits einiges umsetzen. Etwa einen virtuellen Flohmarkt, in dem man Gegenstände verkaufen und den Erlös direkt spenden kann.

Zudem versuchen wir im Fundraising, innovative Wege zu gehen. Wir waren beispielsweise eine der ersten Organisationen in der Schweiz, die Kryptowährungen akzeptierte.

Schliesslich entwickeln wir uns in der Programmarbeit weiter. Wir haben mit unseren klassischen SOS-Kinderdörfern bis anhin viel Erfolg gehabt. Derzeit fokussieren wir uns aber auf unsere Familienstärkungsprogramme und leisten Hilfe zur Selbsthilfe.

Was können Ihrer Meinung nach andere Schweizer Stiftungen in Sachen Innovation von Ihnen lernen?

Wir haben sehr gute Erfahrungen gemacht mit unserem Business-Development-Ansatz. Man sollte einen solchen ins Mindset der Organisation einbauen. Ausserdem brauchen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Raum und Zeit, um sich neuen Entwicklungen und Innovationen widmen zu können. Es ist wichtig, dass man alle miteinbezieht. Genau das machen wir ganz gezielt bei SOS-Kinderdorf in der Schweiz. Denn alle Mitarbeitenden bringen ganz tolle Ideen ein, egal ob Praktikantin, jemand aus der Finanzabteilung oder ein Mitglied der Geschäftsleitung.

Welche weiteren Ziele verfolgt SOS-Kinderdorf für die nächsten Jahre?

Wir haben drei strategische Geschäftsfelder. Das eine Thema ist der Ausbau unserer Familienstärkungsprogramme. Das zweite strategische Feld ist eigentlich die Transformation unserer bestehenden SOS-Kinderdörfer. Wir merken, dass wir uns über eine Umnutzung Gedanken machen müssen. Wir wissen aber auch, dass heute viele Personen vor allem für die klassischen SOS-Kinderdörfer spenden. Entsprechend geht es auch darum, neue Produkte zu entwickeln.
Und das dritte Geschäftsfeld ist der Aufbau eines eigenen Schweizer Programms für hiesige Kinder und Jugendliche. Das ist aber noch Zukunftsmusik.

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