Wenn das Vermögen die Hände wechselt. Die Next Generation im Fokus.

Die Vermögensplanung befindet sich im Wandel. Grund dafür ist die Next Generation, welche in den kommenden Jahren das Vermögen übernehmen wird. Für Vermögensverwalterinnen und -verwalter stellt sich somit die Frage: Wie können wir die nächste Generation für uns gewinnen?

Grosser Vermögenstransfer zur Next Generation

Bis ins Jahr 2030 werden rund 30 Prozent des weltweiten Vermögens in andere Hände übertragen – und zwar in diejenigen der Next Generation. Der Vermögenstransfer zur nächsten Generation ist aber nur ein Teil in dem sich verändernden Kundenpool der Vermögensverwalterinnen und -verwalter.

Auch vermögende Frauen werden als Kundensegment für Vermögensverwalterinnen und -verwalter an Wichtigkeit dazugewinnen. Schon heute liegen mit 70 Billionen US-Dollar rund 33 Prozent des gesamten weltweiten Vermögens bei Frauen. Und die erwartete Wachstumsrate des Vermögens für die nächsten vier bis fünf Jahre beträgt in diesem Segment über 7 Prozent.

Diese Entwicklungen sorgen dafür, dass sich das Wealth Management in den nächsten Jahren verändern wird. Wollen sich Vermögensverwalterinnen und -verwalter bei der Next Generation und bei Frauen vielversprechend positionieren, müssen sie die Werte und Vorstellungen dieser Kundengruppen bezüglich der Vermögensverwaltung kennen.

Next Generation setzt auf Nachhaltigkeit

Materielle Werte stehen bei der nächsten Generation weniger im Vordergrund. Vielmehr wollen sie mit ihrem Vermögen neue spannende Chancen kreieren, welche für sie längerfristig zufriedenstellend sind und im Idealfall auch in der Gesellschaft zu positiven Veränderungen führen – Stichwort Nachhaltigkeit.

Nachhaltige Investments stehen bei der Next Generation und bei vermögenden Frauen hoch im Kurs. Rund 90 Prozent von ihnen sind an ESG-Anlagen interessiert und möchten aktiv in die Anlageentscheidungen miteinbezogen werden. Dadurch dürften nachhaltige Investitionen zukünftig rund 15 Prozent des gesamten investierbaren Vermögens ausmachen und somit um 21 Prozent wachsen.

Das in nachhaltigen Anlagen gehaltene Vermögen wächst

Die Wachstumsrate von traditionellen Anlagen war zwischen 2016 und 2019 deutlich kleiner als bei nachhaltigen Anlagen.
Quelle: BCG Global Wealth 2020 Market Sizing

Vermögensverwalterinnen und -verwalter müssen sich anpassen

Durch den veränderten Kundenpool und weitere Trends wie beispielsweise zunehmende Personalisierung oder steigende Erwartungen der Kundinnen und Kunden an ihre Beraterin oder ihren Berater dürfte sich die Rolle der Vermögensverwalterinnen und -verwalter von der klassischen Kundenberatung hin zu einer holistischen Lebensberatung entwickeln. Viele Kundinnen und Kunden der nächsten Generation möchten vollumfänglich und auf ihre persönlichen Bedürfnisse und Präferenzen optimal zugeschnitten unterstützt werden.

Im Kurzinterview erklärt Anna Zakrzewski*, Managing Director & Partner bei der Boston Consulting Group (BCG), wie es den Vermögensverwalterinnen und -verwaltern gelingt, den verändernden Kundenbedürfnissen gerecht zu werden.

Frau Zakrzewski, wie können Vermögensverwalterinnen und -verwalter die Trends im Wealth Management antizipieren?

Vermögensverwalterinnen und -verwalter sollten ihre Service-Modelle und Angebote prüfen und überdenken. Da die nächste Generation zunehmend auf nachhaltige Investments setzt, dürfen spannende alternative Asset Classes nicht fehlen. Dabei ist jedoch nicht ein grösseres Angebot gefragt, sondern ein besseres.
Zudem ist wichtig, proaktiv auf die Kundinnen und Kunden zuzugehen und neue Möglichkeiten zur Kundeninteraktion zu finden. Die Kundinnen und Kunden müssen das Gefühl vermittelt bekommen, dass sie mit den richtigen Expertinnen und Experten am Tisch sitzen, um über ihre individuellen Bedürfnisse zu diskutieren. Vermögensverwalterinnen und -verwalter sind deshalb gut beraten, ihr Ökosystem wo nötig durch neue Partnerschaften so auszubauen, dass sie aufgrund der neu gewonnenen Expertise den Kundinnen und Kunden massgeschneiderte Lösungen anbieten können.

Wo bieten sich für Vermögensverwalterinnen und -verwalter Chancen, um für die sich verändernden Kundenbedürfnisse gewappnet zu sein?

Gut informierte und anspruchsvollere Kundinnen und Kunden fragen nach einem sehr zielgerichteten und individuellen Angebot. Sie wollen keine Standardprodukte, sondern personalisierte Lösungen. Die Personalisierung der Service-Modelle ist zukünftig ein absolutes Must-Have und sollte von Vermögensverwalterinnen und -verwaltern folglich als Chance ergriffen werden. Denn dadurch wird der Beratungsprozess gleich viel authentischer. Die Personalisierung und die damit einhergehende Authentizität vermittelt den Kundinnen und Kunden, dass sie von einem einzigartigen, auf ihre individuelle Situation angepassten Angebot profitieren können.

Wie können sich Vermögensverwalterinnen und -verwalter positionieren, um die nächste Generation für sich zu gewinnen?

Der Next Generation ist die Unabhängigkeit sehr wichtig. Folglich will sie die eigene Vermögensverwaltung nicht unbedingt der Beraterin bzw. dem Berater der Eltern anvertrauen. Aus diesem Grund suchen sie sich die Vermögensverwalterin bzw. den Vermögensverwalter vor allem nach dem ESG-Angebot, einer wertorientierten Preisgestaltung und einer hohen Transparenz aus. Dabei spielt auch ein holistischer Beratungsprozess eine entscheidende Rolle. Schaffen es Vermögensverwalterinnen und -verwalter, das Angebot auf die Bedürfnisse der Kundin bzw. des Kunden abzustimmen sowie eine unabhängige und umfassende Lebensberatung anzubieten, bei der auch Themen wie Pensionierung oder Erbschaft integriert sind, haben sie definitiv gute Chancen.

Erbrechtsrevision und die Auswirkungen für Vermögensverwalterinnen und -verwalter

In Bezug auf die Erbschaft bietet sich den Vermögensverwalterinnen und -verwaltern jetzt ein guter Zeitpunkt, um mit den Kundinnen und Kunden allfällige Änderungen zu prüfen. Denn nachdem das Erbrecht 1912 in Kraft trat, entschied sich der Bundesrat nun nach über 100 Jahren dazu, in Etappen eine Revision des geltenden Erbrechts vorzunehmen.

Damit reagiert der Gesetzgeber auf die geänderten demografischen, familiären und gesellschaftlichen Lebensrealitäten. Während im Jahr 1930 die Anzahl von ein bis zwei Personen in Privathaushalten beispielsweise nur 12 Prozent betrug, waren es im Jahr 2015 schon 45 Prozent.

Erbrechtsreform ist aufgrund der Entwicklung der Gesellschaft notwendig

Die Zahl der Haushalte ohne Kinder hat sich zwischen 1930 und 2015 verdreifacht.
Quelle: Credit Suisse

Diese Änderungen müssen Vermögensverwalterinnen und -verwalter kennen

Durch die gesellschaftlichen Veränderungen besteht heutzutage ein viel grösseres Bedürfnis, zugunsten eines Lebenspartners oder gemeinnütziger Institutionen erbrechtliche Entscheide zu fällen. Da dies durch das momentan geltende Erbschaftsrecht stark eingeschränkt wird, treten ab dem 1. Januar 2023 folgende Revisionen in Kraft:

  • Der Pflichtteil der Nachkommen reduziert sich von drei Viertel auf 50 Prozent des gesetzlichen Erbanspruchs.
  • Der Pflichtteil der Eltern fällt ganz weg.
  • Verlust des Pflichtteilanspruchs bei hängigen Scheidungs- oder Auflösungsverfahren; Ehepartner und eingetragene Partner können neu durch testamentarische Verfügung vom Erbe ausgeschlossen werden.
  • Bessere Anfechtungsmöglichkeit von lebzeitigen Zuwendungen und letztwilligen Verfügungen, die in Erbverträgen nicht vorbehalten worden sind.
  • Die gebundene Selbstvorsorge (Säule 3a) bildet nicht Teil des Nachlasses, sie wird jedoch bei der Berechnung von Pflichtteilen berücksichtigt.

In Folgeetappen der Erbrechtsreform werden mehr rechtstechnische Aspekte und die Unternehmensnachfolge behandelt. Vor allem letztere steht im Brennpunkt des Interesses, da sie für viele KMU von entscheidender Bedeutung ist. Kernfragen dabei sind der Ausgleich zwischen den Ansprüchen des Übernahmewilligen gegenüber den restlichen erbberechtigten Familienmitgliedern und die Bestimmung des Anrechnungswerts.

Revision bietet neue Chancen bei der Planung des Vermögens

Sibylle Brodkorb*, Teamleiterin Inheritance Consulting & Execution bei der Credit Suisse, geht im Interview auf den Handlungsbedarf der Vermögensverwalterinnen und ‑verwalter bezüglich der Erbschaftsrechtrevision ein.

Frau Brodkorb, was bedeutet die Revision des Erbrechts für die Vermögensverwalterinnen und -verwalter sowie ihre Kundinnen und Kunden?

Vermögensverwalterinnen und -verwalter sollten die anstehenden Änderungen antizipieren. Das heisst, proaktiv auf die Kundinnen und Kunden zugehen und sie über die Revision informieren. Denn diese könnte signifikante Auswirkungen auf ihre entsprechende Lebenssituation haben. Die Nachlassplanung sollte also auf jeden Fall überdacht werden. Zudem lohnt es sich für Vermögensverwalterinnen und -verwalter auch, den politischen Entscheidungsprozess zu den Folgeetappen der Erbrechtsreform weiter zu beobachten.

Wo entstehen durch die Revision des Erbschaftrechts neue Chancen in der Vermögensplanung?

Da die Verfügungsfreiheit vergrössert wurde, besteht nun ein grosser Gestaltungsspielraum, beispielsweise für Konkubinatspaare und Patchwork-Familien. Denn der frei verfügbare Teil, welcher nicht durch Pflichtteile besetzt ist, ist grösser geworden. In dieser Hinsicht macht eine Überarbeitung von Nachlassplanungen durchaus Sinn, wenn bisher Rücksicht auf die Pflichtteile genommen werden musste.

Sollten Erbverträge nach der angekündigten Revision ebenfalls angepasst werden?

Nicht unbedingt. Es ist sicherlich empfehlenswert, den Erbvertrag mit der Kundin bzw. dem Kunden genau zu prüfen, ob beispielsweise eine Öffnungsklausel festgehalten wurde und die bzw. der Überlebende über das Vermögen durch Schenkungen letztwillig verfügen kann. Stellt die Vermögensverwalterin bzw. der Vermögensverwalter fest, dass eine Änderung des Erbvertrages sinnvoll wäre, kommt es darauf an, ob bereits ein Fall im Rahmen des Vertrages eingetreten ist oder ob die Vertragsparteien am Leben sind. Denn ein Erbvertrag kann nur durch alle Parteien, die daran mitgewirkt haben, einvernehmlich geändert werden. Bei der Credit Suisse bieten wir Dienstleistungen an, um die Vermögensverwalterin oder den Vermögensverwalter bei der Prüfung des Erbvertrags zu unterstützen.

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