Gründe für eine anhaltend tiefe Inflation nach der Corona-Krise
Artikel

Trotz Liquiditätsflut. Vieles spricht für tiefe Inflationsraten.

Zur Stützung der Konjunktur schleusen Notenbanken enorme Mengen an Liquidität in die Märkte. Sorgen, dass dies die Inflationsraten in die Höhe treiben wird, sind allerdings unbegründet. Denn die tiefe Inflation und das niedrige Zinsniveau dürften anhalten.

Inflation dürfte sich trotz Geldschwemme in Grenzen halten

In Anbetracht der heftigen Rezession, welche die globalen Finanzmärkte im Zuge der Corona-Krise erfasst hat, liegt das Schicksal der Wirtschaft derzeit sehr stark in den Händen der Politik. Immerhin gibt es zahlreiche gute Gründe, die für den Erfolg der massiven Hilfsmassnahmen und eine rasche Erholung sprechen. Angesichts der schwindelerregenden Liquiditätsflut im Rahmen der Stützungsmassnahmen sorgen sich aber mittlerweile viele Anleger vor steigenden Inflationsraten. Doch diese Furcht scheint unbegründet zu sein.

Auf kurze Sicht schafft die Krise zunächst nämlich vor allem eines: ein Überangebot von Gütern, Dienstleistungen und Arbeitskräften. Wenn die Lockdown-Massnahmen dereinst aufgehoben sind, wird es – ausser vielleicht bei gewissen medizinischen Produkten wie Gesichtsmasken oder Desinfektionsmitteln – zu viel von allem geben. Das bedeutet auf kurze Sicht sinkende, nicht steigende Preise. In dieser Hinsicht bildet diese Rezession im Vergleich zu früheren keine Ausnahme.

Inflation in der Schweiz blieb trotz Massnahmen der SNB tief

Zudem hat sich in der jüngeren Vergangenheit gezeigt, dass zwischen der Notenpresse und der Inflation bestenfalls ein schwacher und indirekter Zusammenhang besteht. So druckte die Schweizerische Nationalbank (SNB) seit der Finanzkrise 2009 über 600 Milliarden Schweizer Franken – mehr als jede andere westliche Notenbank im Verhältnis zur jeweiligen Wirtschaft. Dennoch ist die Inflation nirgendwo tiefer als in der Schweiz, ausser vielleicht in Japan, wo die Geldpolitik ähnlich expansiv ausgerichtet war.

Teuerung entsteht vielmehr in erster Linie in Situationen, in denen Unternehmen ihre Preise erhöhen können. Entweder, weil die Nachfrage das Angebot übersteigt, das Angebot plötzlich wegbricht oder weil der Wettbewerb intransparent oder durch staatliche Marktregulierung limitiert wird. Zwar ist es gut möglich, dass sich die Lager- und Erstellungskosten vieler Unternehmen infolge der Krise erhöhen. Aber erstens hätte das nur einen einmaligen Einfluss auf die Endpreise, und zweitens können Kostensteigerungen ohnehin nur selten auf Konsumenten abgewälzt werden. Sie zwingen Unternehmen im Gegenteil zu Produktivitätssteigerungen – oder zu tieferen Gewinnmargen.

Anleger müssen mit tiefen Zinsen und Inflationsraten leben lernen

Ein Blick in die Geschichte macht darüber hinaus deutlich, dass der Niedergang von Zinsen, Renditen und Inflation, der Anlegern derzeit grosse Sorgen bereitet, keineswegs neu ist. Im Gegenteil – es ist ein struktureller Prozess, der sich bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgen lässt, wie Paul Schmelzing, Gastökonom bei der Bank of England, in einer umfassenden Quellenstudie aufzeigt. Drei Gründe werden in der Regel für den langfristigen Niedergang von Realzinsen angeführt. 

  • Erstens nimmt im Laufe der Geschichte die Kapitalintensität und damit auch die Kapitalnachfrage der Wirtschaft ab.
  • Zweitens erhöhen sinkende Geburtenraten und eine steigende Lebenserwartung das Angebot an renditesuchendem Vorsorgekapital – was ebenfalls zu sinkenden Realzinsen führt.
  • Und drittens sinken als Ergebnis der absoluten wirtschaftlichen Entwicklung die relativen Wachstumsraten.

Die Untersuchung widerspricht damit der Behauptung, die tiefen, teils negativen Zinsen unserer Zeit seien aussergewöhnlich. Im Gegenteil. Historisch betrachtet sind sie eher die Norm. Wir sollten uns also besser auf sie einstellen, anstatt auf höhere Zinsen und Renditen zu hoffen.

Der langfristige Trend in Industrienationen spricht für tiefe Zinsen und tiefe Inflation

Nominale Zinssätze für Privatdarlehen und der daraus resultierende Realzinstrend, in %

Letzter Datenpunkt: 2018

Quelle: Paul Schmelzing, Bank of England, Staff Working Paper Nr. 845

Historische Wertentwicklungen und Finanzmarktszenarien sind keine verlässlichen Indikatoren für zukünftige Ergebnisse.

Haben Sie Fragen zu diesem Thema?

Beratung vereinbaren This link target opens in a new window
Wir helfen Ihnen gerne weiter. Rufen Sie uns unter der Telefonnummer 0844 844 001 an.