Immobilienmarkt 2022: Pandemie bremst Urbanisierung
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Schweizer Immobilienmarkt 2022: Die Pandemie bremst die Urbanisierung

Die COVID-19-Pandemie hat längerfristige Auswirkungen als anfangs angenommen: Die verschwimmenden Grenzen zwischen Arbeits- und Wohnort verlagern die Nachfrage der Wohnungssuchenden hin zu weniger zentralen Standorten. Damit zeichnet sich zwar kein Ende der Urbanisierung ab, doch das Wachstum der Grosszentren dürfte gebremst werden. Wie sich das veränderte Nachfrageverhalten sonst noch im Schweizer Immobilienmarkt auswirkt, zeigt die Immobilienstudie 2022.

Immobilienstudie zeigt: Städte verlieren an Anziehungskraft

Früher oder später wird die Pandemie überwunden und das Coronavirus ein Virus von vielen sein. Damit dürften sich einschränkende Massnahmen langsam, aber stetig aufheben. Doch gewisse Verhaltensveränderungen, die durch die Pandemie in Bewegung gesetzt wurden, dürften auch in Zukunft bestehen bleiben. Dazu gehört unter anderem der Wunsch nach mehr Arbeitsmöglichkeiten im Homeoffice. Dies hat zur Folge, dass auch das Verlangen nach mehr Wohnraum und nach Wohnungen an weniger zentralen Standorten gewachsen ist.

Immobilienmarkt: Bevölkerungswachstum bricht ein

Die Urbanisierung in der Schweiz verlangsamt sich

Jährliches Wachstum der ständigen Wohnbevölkerung, 1981–2020

Quellen: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse
Letzter Datenpunkt: 2020

Anders gesagt: Die Binnenwanderungsbilanz von Regionen hat sich durch die Pandemie verändert. Das zeigt die Immobilienstudie 2022 der Credit Suisse. Während die Schweizer Wohnbevölkerung 2020 um 0,75 Prozent wuchs, stieg sie in den Grosszentren lediglich um 0,3 Prozent. Gleichzeitig verlieren Letztere laufend Einwohner an ihre Umgebung. 2020 belief sich die Nettoabwanderung aus den fünf Grosszentren auf rund 14’200 Personen – mehr als je zuvor in den letzten 40 Jahren. Dahingegen hat sich das Bevölkerungswachstum in den Agglomerationsgemeinden von Gross- und Mittelzentren sowie in ländlichen Gemeinden beschleunigt.

Immobilienmarkt: Grosszentren verzeichnen Wegzüge

Der Wegzug aus den Grosszentren hat andernorts für positive Auswirkungen gesorgt: Periurbane Gemeinden, die im Einzugsbiet von Agglomerationen liegen, aber ansonsten oft eher ländlich geprägt sind, wuchsen am stärksten. Ebenso zugenommen hat die Binnenmigration in ländlichen Gemeinden ausserhalb der Agglomerationen und in suburbanen Gemeinden in Gross- und Mittelzentren.

Darüber hinaus konnten auch ländliche und touristische Regionen 2020 eine im Vergleich zu vorherigen Jahren bessere Binnenwanderungsbilanz aufzeigen – so zum Beispiel das Glarner Hinterland, Mittelbünden und auch mehrere Walliser Regionen.

Fredy Hasenmaile, Leiter Immobilienanalyse bei Credit Suisse, spricht im Interview über die Folgen der Pandemie für den Schweizer Immobilienmarkt

Immobilienstudie 2022: Preisgefälle macht Wegzug aus Zentren attraktiver

Am stärksten von der Abwanderung aus den Grosszentren profitieren die umgebenden Agglomerationsgemeinden. Wegen des starken Preisegefälles können Wohnungssuchende schon wenige Kilometer weiter markante Einsparungen bei den Wohnungskosten realisieren. Beispielsweise liegen die Mietpreise einer 4-Zimmer-Wohnung in Winterthur im Mittel 26 Prozent tiefer als in Zürich. Noch grösser ist das Preisgefälle bei Wohneigentum. Der Preisunterschied bei einer neugebauten Eigentumswohnung mit vier Zimmern kann zwischen den Zentren und den beliebtesten Agglomerationsgemeinden bis zu 40 Prozent betragen.

Insbesondere für eine klare Mehrheit der Bewohner Zürichs oder der beiden grossen Zentren am Genfersee dürfte Wohneigentum jedoch auch in den Agglomerationsgemeinden unerschwinglich bleiben. Ein Wegzug in weitere Entfernung ist daher für viele zunehmend auch infolge von flexibleren Arbeitsmöglichkeiten eine neue Option. Grössere Pendeldistanzen fallen bei der Wohnortwahl weniger stark ins Gewicht, wenn sie nicht mehr so oft zurückgelegt werden müssen. Die Kostenersparnis erlaubt dadurch beispielsweise die Wahl einer grösseren Wohnung.

Nachfrage nach Eigenheimen verändert sich im Immobilienmarkt

Die Nachfrage nach Eigenheimen dürfte sich auf einem höheren Niveau als noch vor der Pandemie einpendeln. Zurückzuführen ist das allen voran auf tiefe Hypothekenzinsen. Daneben sind weitere Nachfragetreiber Negativzinsen und ein Trend hin zu mehr Homeoffice.

Ein wichtiger Treiber des starken Wunsches nach Wohneigentum ist die COVID-19-Pandemie mit ihren Auswirkungen: Einerseits hat die gestiegene Bedeutung einer qualitativ guten Wohnung den Wunsch nach den eigenen vier Wänden erhöht, andererseits ermöglicht es die zunehmende Verbreitung des Homeoffice vielen Haushalten, ihren Suchperimeter auf preisgünstigere, periphere Regionen auszudehnen. Der Erwerb von Wohneigentum ist daher wieder vermehrt ein Thema.

Immobilienmarkt: Periphere Standorte vermehrt gefragt

Immobilienmarkt: Periphere Standorte vermehrt gefragt

Entwicklung der Anzahl Suchabos für Eigentumswohnungen, Index Januar 2016 = 100

Quelle: Realmatch 360
Letzter Datenpunkt: 12/2021

Gebremste Urbanisierung: Leerstandsziffern geben Aufschluss

Erste Auswirkungen der aufgrund der COVID-19-Pandemie veränderten Standortentscheidungen der Haushalte sind auf dem Immobilienmarkt bereits sichtbar. Beispielsweise hat die verbesserte Wanderungsbilanz zusammen mit einer geringeren Bautätigkeit ausserhalb der Grosszentren zu einem Rückgang der Leerwohnungsziffer geführt und die Insertionszeiten insbesondere in periurbanen, ländlichen und touristischen Regionen stark sinken lassen. Es lässt sich feststellen, dass die Stadt-Land-Kluft auf den Wohnungsmärkten infolge der Pandemie etwas kleiner geworden ist.

Diese verringerte Anziehungskraft der Zentren im ersten Corona-Jahr liess sich auch 2021 beobachten. Zahlen zu den ersten drei Quartalen 2021 weisen auf eine weiterhin schwache Bevölkerungsdynamik mit Bevölkerungsrückgängen in drei der fünf Grosszentren hin. Die Bevölkerungsbilanz der Schweizer Bürger hat sich gegenüber 2020 sogar in allen fünf Städten nochmals verschlechtert.

Immobilienmarkt: Bevölkerungsdynamik der Grosszentren bleibt schwach

Urbanisierung: Bevölkerungsdynamik der Grosszentren bleibt schwach

Wachstum der Wohnbevölkerung der Grosszentren, annualisiert

Quellen: Amtliche Statistikstellen, Credit Suisse
Letzter Datenpunkt: Q3/2021

Noch kein Ende der Urbanisierung in Sicht

Hand aufs Herz: Läutet die Corona-Pandemie das Ende des Megatrends Urbanisierung ein? Eine Antwort darauf scheint noch verfrüht. Die Städte bleiben die Brennpunkte des wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Lebens. Insofern werden viele Menschen auch in Zukunft in Städten leben und deren vielfältiges Angebot nutzen wollen. Die Urbanisierung dürfte sich demnach dank Zuwanderung aus dem Ausland und einer stark gestiegenen Lebensqualität fortsetzen – wenn auch mit reduzierter Geschwindigkeit.

Und während heute noch unklar ist, in welchem Umfang Unternehmen in Zukunft auf Heimarbeit und flexible Arbeitsformen setzen werden, scheint klar, dass eine Entwicklung hin zu mehr Sesshaftigkeit und weniger Pendlermobilität auch von politischer Seite Rückenwind erfahren dürfte. Denn sie könnte doch zu einer entscheidenden Reduktion des ökologischen Fussabdrucks beitragen.

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