Dietliker Schülerinnen und Schüler montierten Solarzellen auf dem Schulhausdach.
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Schüler setzen Schulhaus unter Solarstrom

An der Sekundarschule Dietlikon ist die Energiewende greifbar: Mithilfe der Klimaschutzbewegung myblueplanet bauten die Schülerinnen und Schüler eine Solaranlage und sammelten Geld für weitere Umweltbildungsprojekte. Immer mehr Schulen machen mit bei der Aktion «Jede Zelle zählt».

Daniel (16) steht auf dem Dach des Schulhauses Hüenerweid im zürcherischen Dietlikon und sagt: «Wir suchen Sponsoren, die uns unterstützen, die Welt zu verbessern.» Ein Sekundarschüler, der zu Spenden aufruft, statt im Klassenzimmer zu büffeln? Des Rätsels Lösung liefern Ina und Lia (beide 16) im Technikraum im Keller des Schulhauses: «Wir wollen auf unserem Schulhausdach Solarzellen installieren und die erneuerbaren Energien fördern.» Zu diesem Zweck hätten sie eine Präsentation vorbereitet, um Solarzellen zu verkaufen. Die Szenen sind in einem Video dokumentiert.

Solarzellen verkaufen, das ist Teil des Projekts «Jede Zelle zählt» der Schweizer Klimaschutzbewegung myblueplanet. Der Verein will mit Projekten und Aktionen ein klimagerechtes Verhalten stärken, die Energieeffizienz steigern und erneuerbare Energien fördern. «Jede Zelle zählt» stattet Schulhäuser mit Photovoltaikanlagen aus, damit diese selbst gemachten, grünen Strom beziehen können. Dabei ist die ganze Schülerschaft involviert, die für das Thema sensibilisiert werden soll.

Geld gesammelt für die «Klimakasse»

Solarzellen zu verkaufen, ist beim Klimaschutzprojekt symbolisch gemeint und funktioniert nach dem Crowdfunding-Prinzip. Ina, Lia, Daniel und ihre Kolleginnen und Kollegen mussten innerhalb einer bestimmten Zeit für insgesamt 400 symbolische Zellen Sponsoren finden, die bereit waren, pro Zelle 40 Franken zu bezahlen. «Am Anfang sahen es die Schülerinnen und Schüler locker nach dem Motto ‹Geht dann schon›», erinnert sich der Dietliker Schulleiter Reto Valsecchi. «Aber dann merkten sie bald, wie schwierig es sein konnte, die Gewerbetreibenden von der Sache zu überzeugen.» Doch die Wanderprediger in Sachen Energiewende liessen sich einiges einfallen. Als Präsentationsmittel wurden zeitgemäss Tablets eingesetzt. Ein Schüler postete das Firmenlogo auf Instagram, wo es seine mehrere Hundert Follower sehen konnten. Das Crowdfunding wurde zum Erfolg, nicht zuletzt dank zahlreicher weiterer Werbeanstrengungen unter dem Motto «Sunneklar – Hüeni goes Solar!»: Die Schule betrieb einen Stand am Weihnachtsmarkt, verteilte Flyer, hängte Plakate auf, schrieb in der Lokalzeitung und organisiere einen Sponsorenlauf. Eine der fleissigsten Spendensammlerinnen war Lisa (15): «Ich habe mir besonders Mühe gegeben, weil ich wusste, dass es für einen guten Zweck ist», sagt sie rückblickend. Es habe auch etwas Überwindung gebraucht, auf die möglichen Spender zuzugehen. «Einige waren nicht so offen. Die meisten konnten wir aber für unsere Ideen begeistern.»

Ich habe mir besonders Mühe gegeben, weil ich wusste, dass es für einen guten Zweck ist.

Die Dietliker Solaranlage gehört einem privaten Unternehmen, dem die Schule den produzierten Strom abkauft. Mit dem gesammelten Geld wurde somit nicht die Solaranlage bezahlt, die vor den Sommerferien 2018 in Betrieb ging und effektiv aus knapp 200 Panels besteht. Der Betrag von 16 000 Franken dient der Schule als «Klimakasse». Daraus werden in den nächsten Jahren Bildungsprojekte finanziert. Die Sek Dietlikon will einen «Klimarat» ins Leben rufen, der laut Reto Valsecchi «als Gewissen für nachfolgende Generationen und für nachhaltige Entwicklung sowie Rücksicht auf natürliche Ressourcen stehen soll». Im Rat werden Schülerinnen und Schüler, Lehrpersonen und der Hauswart vertreten sein. Lisa freut sich bereits darauf, mitzumachen.

Bauarbeiter in solarer Mission

Ganz spurlos ging der Bau der Photovoltaikanlage an der Schülerschaft nicht vorbei: An einem Baustellentag im Mai durften die Jugendlichen selber Hand anlegen und dazu beitragen, dass die Anlage heute rund 40 Prozent des Stromverbrauchs der Schule Dietlikon deckt. «Das Thema erneuerbare Energien interessiert mich, weil es um die Zukunft geht – auch um meine Zukunft», sagte Marco auf der Baustelle. «Ich möchte wissen, wie die Solaranlage funktioniert und wie aus Sonnenstrahlen Energie gewonnen wird.» Auch Ina war mit Begeisterung dabei: «Ich finde das ein megacooles Projekt, und es ist toll, dass wir selber mithelfen können, die Solarzellen zu montieren. Ich denke, das Wissen über erneuerbare Energien wird mir auch in Zukunft nützlich sein. Und es macht Spass, gemeinsam etwas zu bauen – da ist auch Teamwork gefragt.»

Das Thema erneuerbare Energien interessiert mich, weil es um die Zukunft geht – auch um meine Zukunft.

Auch Lehrer wollen begeistert werden

Bei myblueplanet ist Angela Serratore für «Jede Zelle zählt» zuständig. Die Projektleiterin hat alle Hände voll zu tun. Immer mehr Schulen aus immer mehr Kantonen wollen mitmachen. Sie und ihr kleines Team begleiten die Schulen eng: bei der Planung und Ausschreibung der Solaranlage, bei der Kampagne für das Crowdfunding und beim Bildungsprogramm für die Lehrpersonen. Das erste Jahr sei das aufwändigste, doch auch die Folgejahre seien nicht zu unterschätzen. Hier gilt es, Lehrerinnen und Lehrer mit geeignetem Unterrichtsmaterial zu versorgen und sie für erlebnis- und praxisorientierte Projekte zu begeistern. Der neue Lehrplan 21 des Kantons Zürich schreibt fächerübergreifende Themen unter der Leitidee nachhaltige Entwicklung vor, darunter natürliche Umwelt und Ressourcen.

Dass Dietlikon bei «Jede Zelle zählt» mitmacht, kommt nicht von ungefähr. «Wir haben als Schule eine lange Tradition und Erfahrung mit Umweltprojekten», sagt Reto Valsecchi. Als man das Projekt von myblueplanet aufgeschnappt habe, hätten vor allem die Geografielehrer sofort Feuer gefangen. «Hier können die Jugendlichen etwas anfassen, etwas tun, einen aktiven Beitrag leisten und haben nicht nur theoretische Abhandlungen», sagte eine Lehrerin im Mai gegenüber dem Zürcher Unterländer. «Wir möchten bei den Jugendlichen etwas für die Zukunft auslösen. Und wenn es nur schon dazu führt, dass sie ihr Handy nicht permanent an der Steckdose hängen lassen, sondern wirklich nur zum Aufladen.» Bei Schülerin Lisa jedenfalls hat «Jede Zelle zählt» etwas ausgelöst: «Ich würde jederzeit wieder ein solches Projekt starten, das der Umwelt guttut.»