Hohe Bautätigkeit führt zu stabilen Immobilienpreisen im Tessin
Sonne, Natur und Italianità: Ein Eigenheim im Tessin ist für viele eine verlockende Vorstellung. Alberto Donada, Leiter des Hypotheken-Centers Tessin, erläutert im Interview, wie sich der Immobilienmarkt im Tessin entwickelt und was man vor dem Hauskauf wissen sollte.
Herr Donada, das Tessin ist die Sonnenstube der Schweiz. Was macht den Kanton Ihrer Meinung nach darüber hinaus zu einer attraktiven Wohnregion?
Alberto Donada*: Das milde Klima und die abwechslungsreiche Natur sprechen natürlich sehr für das Tessin als Wohnort. Doch das ist nicht das Einzige. Der Kanton befindet sich auch in einer sehr günstigen Lage zwischen Zürich und Mailand und verfügt über starke, lang eingesessene Wirtschafts- und Industriezweige, beispielsweise in der Chemie- und Modebranche, sowie hervorragende Hochschulen.
Wie steht es um die Nachfrage nach Wohneigentum im Kanton?
Grundsätzlich stützen die tiefen Hypothekarzinsen die Nachfrage nach wie vor. Es gibt allerdings regionale Unterschiede. In den gut erschlossenen Zentren, besonders in und um Lugano, sind die finanziellen Hürden für Neukäufer mittlerweile sehr hoch. Das bremst die Nachfrage und lässt viele Interessenten in günstigere Regionen ausweichen, beispielsweise in das Sopraceneri oder die Leventina im Norden des Kantons, wo die Preise erschwinglicher sind.
Wird denn genug gebaut, um die Nachfrage zu befriedigen?
Ja, die Bautätigkeit für neues Wohneigentum ist weiterhin vorhanden, es gibt keine Knappheit im Markt und die Leerstände bleiben auf einem stabilen Niveau. Anders ist die Situation im Mietsegment: Hier wird weiterhin sehr viel gebaut, und das obwohl die Leerstände vor allem im Südtessin bereits heute verhältnismässig hoch sind.
Käufer müssen sich wegen der Knappheit beim Bauland im Kanton Tessin vermehrt in peripheren Lagen umsehen
Alberto Donada, Leiter des Credit Suisse Hypotheken-Centers Tessin
Die Bautätigkeit ist also weiterhin hoch. Andererseits herrscht im Kanton Tessin derzeit ein Einzonungsstopp. Freies Bauland wird also immer knapper. Was bedeutet das für Bauprojekte im Kanton Tessin?
Einerseits trägt die Knappheit beim Bauland zu einer starken Verdichtung bei Bauprojekten im Kanton und besonders in den Zentren bei. Andererseits müssen sich künftige Eigentümer immer mehr in peripheren Lagen umsehen, da es dort mehr Möglichkeiten für Bauvorhaben gibt.
Die COVID-19-Pandemie ist im Jahr 2020 das allgegenwärtige Thema. Welche Folgen hatte sie auf den Tessiner Immobilienmarkt?
In einer ersten Phase hat die Unsicherheit wegen der Pandemie und des Lockdowns innert kurzer Zeit zu einem starken Einbruch bei der Nachfrage für Mietwohnungen und auch bei den Transaktionen im Wohneigentumsmarkt geführt. Diese Folgen waren aber nur kurzfristig, und auch die Preise hielten sich in der Zeit relativ stabil. Mittlerweile zeigt sich besonders beim Wohneigentum bereits eine langsame Erholung, auch wenn das Vorkrisenniveau noch nicht erreicht worden ist. Wir gehen zudem davon aus, dass durch die wachsende Beliebtheit von Home-Office-Lösungen die Nachfrage nach grösseren Wohnflächen, die Platz für ein separates Büro bieten, mittelfristig steigt. Diese sind eher in der Peripherie zu finden.
Dennoch bleibt die Distanz zum Arbeitsplatz ein wichtiges Kriterium bei der Wahl des Wohnorts. Die Immobilienstudie 2020 der Credit Suisse zeigt, dass Schweizerinnen und Schweizer für das Eigenheim immer längere Pendelwege in Kauf nehmen. Gilt das auch im Tessin?
Dieses Phänomen können wir auch hier beobachten. Die Distanzen zwischen Wohn- und Arbeitsort nehmen zu. Zudem verändert die Eröffnung des Ceneri-Basistunnels im Dezember 2020 den öffentlichen Verkehr im Kanton von Grund auf. Die Verkürzung der Fahrtzeit zwischen den grossen Städten im Tessin und speziell zwischen dem Sopra- und dem Sottoceneri erhöht die Attraktivität von Wohnlagen ausserhalb der Zentren zusätzlich.
Ein starker Anstieg bei den Kaufpreisen für Wohneigentum ist nicht zu erwarten
Alberto Donada, Leiter des Credit Suisse Hypotheken-Centers Tessin
Wie wird sich der Tessiner Immobilienmarkt denn in naher Zukunft entwickeln?
Solange die Hypothekarzinsen tief sind, wird die Nachfrage nach Wohneigentum weiterhin hoch bleiben. Das dürfte allerdings nicht zu stark steigenden Preisen führen, denn das Angebot auf dem Eigentumsmarkt ist ebenfalls gross. Im Gegenteil zeigen die Kosten für den Kauf eines Eigenheims im mittleren Preissegment derzeit eher eine sinkende Tendenz.
Zum Schluss: Was sollten Käufer beachten, wenn sie bezahlbares Wohneigentum im Tessin finden möchten?
Zunächst ist es sicher wichtig, die eigenen Bedürfnisse genau zu kennen. Für Erwerbstätige ist beispielsweise oft ein guter Verkehrsanschluss wichtig, Pensionäre hingegen legen mehr Wert auf Naherholungsgebiete und Einkaufsmöglichkeiten in der Umgebung. Hier ist ein Gespräch mit spezialisierten Beratern hilfreich, denn diese kennen die Region und die Entwicklungen im Immobilienmarkt am besten.