Sorgerechtsverfügung – Vorsorge für eigene Kinder
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Die Sorgerechtsverfügung: vorausdenken für die eigenen Kinder

Wenn beide Elternteile minderjähriger Kinder sterben oder das Elternteil mit allei­nigem Sorgerecht stirbt, bestimmt die KESB einen Vormund für die Kinder. Mit einer Sorgerechtsverfügung können Eltern ihre Wünsche platzieren – für jenen Fall, der hoffentlich nie eintritt.

In der Schweiz verlieren jedes Jahr rund 2000 Kinder einen Elternteil.1 Von 2009 bis 2018 wurden durchschnittlich jedes Jahr 37 minderjährige Kinder zu Vollwaisen.2 Die gleiche Situation tritt ein, wenn die Eltern mit unbekanntem Aufenthalt abwe­send sind oder ihr Sorgerecht, zum Beispiel aus gesundheitlichen Gründen, nicht mehr ausüben können.

Mit Geburt der Kinder beginnen viele Eltern, über ihre Verantwortung nachzu­denken. Sie stellen sich unter anderem die Frage: Was würde mit dem Nachwuchs passieren, wenn beide Elternteile sterben?

Die KESB bestimmt eine gesetzliche Vertretung

Für Kinder, die ihre Eltern verlieren oder deren Eltern die elterliche Sorge nicht mehr wahrnehmen können, bestimmt in der Schweiz die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB), wer das Sorgerecht erhalten soll.

Stirbt nur ein Elternteil, bleibt das Sorgerecht in den meisten Fällen beim überlebenden Elternteil. Bei verheirateten Eltern passiert dies automatisch, ebenso bei getrenntlebenden oder geschiedenen Eltern mit gemeinsamem Sorgerecht. Lag das Sorgerecht jedoch allein beim verstorbenen Elternteil, wird die KESB nach einem geeigneten Vormund suchen. Bei dieser Evaluation wird auch der Elternteil, der bisher ohne Sorgerecht war, als möglicher Vormund geprüft. 

Das Kindeswohl steht dabei immer an erster Stelle. Priorität hat etwa, dass Geschwister zusammenbleiben können. Die KESB ist darum bemüht, einen Vormund zu finden, der die Interessen des Kindes bzw. der Kinder wahrnimmt und für sein bzw. ihr Wohlergehen sorgen kann.

Was ist die Sorgerechtsverfügung?

Die Sorgerechtsverfügung ist ein Dokument. In diesem können Eltern festhalten, wer in ihrem Todesfall als Vormund der eigenen Kinder infrage kommen soll. Dies müssen beide Elternteile je einzeln in ihren Sorgerechtsverfügungen tun.

Mit einer Sorgerechtsverfügung überlassen die Eltern damit die Suche nach einem Vormund nicht vollständig der KESB. Sie halten ihre Wünsche schriftlich fest – ähnlich wie bei einem Vorsorgeauftrag

Die Sorgerechtsverfügung – eine Vorkehrung durch die Eltern

Aus juristischer Sicht handelt es sich bei der Sorgerechtsverfügung um einen Wunsch. Ein gesetzlicher Anspruch, dass die KESB die darin genannte Person mit der Vormundschaft betraut, besteht nicht. Vom Begriff «Verfügung» sollte man sich deshalb nicht in die Irre führen lassen – verfügen können die Eltern nicht.

Die Wünsche sind von der Behörde nur dann zu berücksichtigen, wenn sie dem Kindeswohl entsprechen. Inhalt einer Sorgerechtsverfügung kann unter Umständen auch der Wunsch sein, dass eine bestimmte Person nicht mit der Vormundschaft betraut werden soll. So kann vielleicht ein Elternteil mit alleinigem Sorgerecht das Bedürfnis haben, den anderen Elternteil von der Verwaltung des Kindesvermögens auszuschliessen.

Wer soll eine Sorgerechtsverfügung erstellen und wer kommt als Vormund infrage?

Das Festhalten der Wünsche in Form einer Sorgerechtsverfügung ist für alle Eltern empfehlenswert, insbesondere aber für Elternteile mit alleinigem Sorgerecht.

Bei der Wahl eines Wunsch-Vormunds kommen oftmals Personen aus der engeren Familie infrage, etwa Geschwister oder Paten. In Patchwork-Konstellationen kann es auch der neue Partner oder die neue Partnerin eines Elternteils sein. Es ist zudem möglich, die gesetzliche Vertretung und die Obhut auf verschiedene Personen zu verteilen. 

So muss eine rechtsgültige Sorgerechtsverfügung aussehen

Bei der Sorgerechtsverfügung handelt es sich um einen Vorschlag an die KESB. Gesetzliche Vorgaben, in welcher Form dieser Wunsch geäussert werden muss, bestehen keine.

Entgegen den meisten Informationen im Internet muss die Sorgerechtsverfügung nicht handschriftlich erstellt werden, wie dies beim Testament oder beim Vorsorgeauftrag der Fall ist. Es genügt eine am Computer geschriebene und ausgedruckte Erklärung, die mit Datum und den Unterschriften der Eltern versehen ist. Inhaltlich sind alle Kinder und die gewünschte Person für die Vormundschaft zu benennen. Es ist empfehlenswert, eine Ersatzperson zu bestimmen, sollte die erstgenannte Person die Aufgabe nicht übernehmen können. Hilfreich für das Verständnis und die Prüfung durch die KESB ist sicherlich eine Begründung, weshalb die angegebene Person als Vormund geeignet ist. Eine Begründung empfiehlt sich ebenso, wenn eine bestimmte Person als Vormund nicht infrage kommen sollte.

Sorgerechtsverfügung als einzelnes Dokument

Eine Sorgerechtsverfügung sollte immer als separates Schriftstück abgefasst werden. Das Integrieren in ein Testament oder in einen Erbvertrag kann im Prozess der Testamentseröffnung hinderlich sein und zu Zeitverzögerungen führen.

Auch für die Aufbewahrung gibt es keine Vorgaben. Das Dokument muss beispielsweise nicht bei einem Notar hinterlegt werden. Sinnvoll ist es jedoch, wenn zumindest die in der Erklärung genannte Person ein Exemplar der Verfügung besitzt.

Die Sorgerechtsverfügung als Teil der Nachlassplanung

Das Regeln der letzten Dinge ist eine höchst persönliche und individuelle Angelegenheit. Wer sich zu Lebzeiten um Dokumente wie Testament, Vorsorgeauftrag und Patientenverfügung kümmert, deponiert seine Wünsche für spätere Zeiten und vermeidet möglicherweise Streitigkeiten in der Familie. Für Eltern minderjähriger Kinder ist zusätzlich zu diesen bekannten Dokumenten eine Sorgerechtsverfügung empfehlenswert.

1 Waisenkinder nach erfülltem Alter beim Tod der Mutter oder des Vaters, 1998-2018, Bundesamt für Statistik (BFS).
2 Anzahl Waisenrenten (doppelt), Bundesamt für Statistik, Datenbank STAT-TAB – interaktive Tabellen (BFS), 2009–2018.