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Die grüne Zukunft der Immobilienbranche. Nachhaltigkeit neu gedacht.

Die Immobilienbranche strebt nach mehr Nachhaltigkeit. Aber was heisst eigentlich nachhaltig? Ein ETH-Professor plädiert für eine neue Definition. Und drei Projekte zeigen, wie nachhaltiges Bauen umgesetzt werden könnte.

Immobilienbranche muss ihre Nachhaltigkeitsdefinition überdenken

Die Immobilienbranche steht vor einem Paradigmenwechsel. Dieser Meinung ist ETH-Professor Guillaume Habert. «Wir leben immer noch stark in der Logik der Langlebigkeit», sagt der Leiter des Lehrstuhls für nachhaltiges Bauen an der ETH Zürich. Nachhaltigkeit wird in diesem Verständnis gleichgesetzt mit Energieeffizienz. Entsprechend sind Gebäude darauf ausgelegt, möglichst wenig Energie zu verbrauchen, stark gedämmt, sehr technisch und hochkomplex. Habert hält diese Denkweise nicht für falsch – aber für überholt.

Denn der Ansatz geht davon aus, dass die Energie selbst nicht nachhaltig, sprich erneuerbar ist. Und vergisst einen wichtigen Faktor: Die Erstellungsenergie. Beton etwa ist ein CO2-intensiver Baustoff. Davon werden in der Schweiz jedes Jahr rund 15 Millionen Kubikmeter verbaut. «Wir beeinflussen das Klima der Zukunft, indem wir Gebäude bauen, die nicht auf diese klimatische Zukunft ausgerichtet sind», warnt Habert. Zudem sei Letztere schlicht unvorhersehbar.

In der Konsequenz heisst das: Es braucht flexible Bauten, die sich den Gegebenheiten anpassen können. Habert ist sich sicher, dass der Begriff Nachhaltigkeit künftig mit Anpassungsfähigkeit gleichgesetzt wird.

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Bäume brauchen ein Jahr, um die CO2-Emissionen eines Kubikmeters Beton zu kompensieren.
(Quelle: Universität Stuttgart)

Flexible Strukturen machen dieses Hochhaus zum Vorzeigeobjekt für Nachhaltigkeit

Die Anpassungsfähigkeit ist für das Geschäftshaus Pergamin II in Zürich kein Problem. Mit seinen 40 Metern Höhe bildet es gemeinsam mit seinem Schwesterturm Pergamin I das Eingangstor zur Greencity, in der sich verschiedene Wohnformen für mehr als 2000 Einwohner und Büroflächen für rund 3000 Arbeitsplätze vereinen. Beim Bau von Pergamin II wurden sowohl die Flexibilität der Strukturen als auch die sozialen Komponenten in den Fokus gerückt, überprüft, bewertet und zertifiziert.

Diese nachhaltige Bauweise macht Pergamin II zum ersten Gebäude überhaupt, das nach den überarbeiteten Kriterien des Gütesiegels «greenproperty» mit dem Prädikat Gold ausgezeichnet wurde. Mit dem Gütesiegel werden Liegenschaften anhand der fünf folgenden Nachhaltigkeitsdimensionen bewertet: Nutzung, Infrastruktur, CO2 und Energie, Materialien sowie Lebenszyklus.
 

Erklärvideo: Das Gütesiegel «greenproperty» der Credit Suisse

«greenproperty» ist das erste ganzheitliche Gütesiegel für nachhaltige Immobilien in der Schweiz. Seit 2009 wurden über 130 Immobilien damit zertifiziert. 2019 erschien eine aktualisierte Version des Labels. Diese sorgt für mehr Transparenz und reflektiert die aktuellen und zukunftsweisenden Entwicklungen im Bereich des nachhaltigen Bauens.

Verdichtung ermöglicht mehr Nachhaltigkeit in den Städten

Die Vorzüge des Greencity-Areals lesen sich wie ein Plädoyer für städtische Dichte. Verdichtung, sagt auch Guillaume Habert, ist eines der zentralen Stichworte bei der Nachhaltigkeit von Immobilien. Neben der Umnutzung von brachliegenden Arealen plädiert der ETH-Professor für eine «parasitäre Transformation der Städte»: Es gelte, den bestehenden Strukturen zusätzliche Flächen hinzuzufügen und Abbrüche wenn immer möglich zu vermeiden. Denn im Bestand stecke viel Energie. Entsprechend bedeutet ein Abbruch immer auch, dass CO2 freigesetzt werde.

Eben diesem «parasitären» Grundsatz folgt die Aufstockung des Lokwerks in Winterthur. Auf dem Dach des Einkaufszentrums mit der markanten, denkmalgeschützten Backsteinfassade plant das Architektenbüro fsp Architekten in einem dreistöckigen Neubau 60 Wohnungen. Der Bestand bleibt bei den Bauarbeiten weitgehend unangetastet. Ein weiter Vorteil für die Ökologie: Auf den Dächern wird eine flächendeckende Fotovoltaikanlage verbaut. Dank der gemischten Nutzung mit dem Einkaufszentrum kann fast der gesamte selbst produzierte Strom auch vor Ort verbraucht werden.

Auch dieses Projekt strebt an, nach der Fertigstellung 2023 den Anforderungen des Gütesiegels «greenproperty» ebenso zu entsprechen wie denjenigen von Minergie.

Nachhaltiges Bauen: Wir befinden uns im Jahrhundert des Holzes

Aus statischen Gründen kam für die Aufstockung des Lokwerks nur Holz als Baumaterial infrage. Die Erne AG Holzbau hat ausgerechnet, dass die vorgefertigten Deckenelemente – sie kombinieren die Eigenschaften von Holz und Beton – rund 60 Prozent leichter ausfallen als eine reine Betondecke. Für die Elemente verwendet die Erne AG Holzbau Fichten- und Tannenholz aus dem europäischen Markt.

Urs Huber von fsp Architekten stellt fest: «Der Holzbau ist heute so gut, dass man ihn nicht mehr als solchen erkennt.» Weil er sich entgegen dem Vorurteil etwa punkto Schallschutz nicht mehr von der traditionellen Bauweise unterscheidet. Auch ein weiteres Argument spricht für Holz: Als nachwachsender Rohstoff speichert er CO2. Nach dem Jahrhundert des Betons sagen Fachleute über das 21. Jahrhundert, es werde das Jahrhundert des Holzes.
 

Fredy Hasenmaile im Interview: «Jeder kann etwas beitragen»

Fredy Hasenmaile ist langjähriger Leiter der Immobilienanalyse und Managing Director bei der Credit Suisse. Im Interview spricht er über die Entwicklung der Nachhaltigkeit im Immobiliensektor.

Nachhaltigkeit und Einfamilienhäuser müssen kein Widerspruch sein

Was bedeuten diese Erkenntnisse für Einfamilienhäuser, die punkto Energie- und Platzverbrauch einen schlechten Ruf haben? «Das Haus im Grünen ist der Wunsch vieler und daher eine Realität, an der wir nicht einfach vorbeikommen», sagt Fredy Hasenmaile, Immobilienanalyst bei der Credit Suisse. Er plädiert für einen pragmatischen Ansatz: Es gelte, künftig Anreize so zu setzen, «damit wenigstens eine Fotovoltaikanlage oder eine Wärmepumpe installiert wird». Und vielleicht mit Holz statt Beton gebaut und mit Stroh statt Polystyrol gedämmt wird.

Ein Objekt, das exemplarisch Ansätze für die Zukunft von Einfamilienhäusern aufzeigt, ist das «House with a Tree» in Basel. Das Architekturbüro Sauter von Moos hat das klassische Einfamilienhaus mit Baujahr 1930 gemeinsam mit Pierre de Meuron 2013 renoviert und erweitert. Dabei legten die Architekten Wert darauf, die Struktur des Bestands in grossen Teilen unverändert und die Statik unangetastet zu lassen. Für die Ergänzung setzten sie auf nachhaltige Baumaterialien, unter anderem wiederverwendete Tannenlatten. Die Energieversorgung geschieht mit einer Wärmepumpe und Fotovoltaikanlage.

Dieses Beispiel zeigt: Einzelne, auch kleinere bauliche Massnahmen tragen zur Schonung der Umwelt bei. Oder wie es der Immobilienexperte Fredy Hasenmaile formuliert: «Wir bei der CS glauben, dass jeder etwas auf seine Weise beitragen kann.»

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