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CIO Michael Strobaek: «Ich investiere langfristig und diversifiziert»

Wo gibt es derzeit Chancen an den Märkten und wo drohen Risiken? Michael Strobaek, Global CIO der Credit Suisse, spricht im Interview über erfolgreiches Investieren und seine eigene Anlagestrategie.

Sie haben über 20 Jahre Erfahrung an den Finanzmärkten. Welche Strategie hat sich Ihrer Ansicht nach bewährt?

Michael Strobaek*: Es ist wichtig, eine langfristige Anlagestrategie zu definieren, die dem eigenen Risikoprofil und den individuellen Zielen entspricht. Die meisten Anleger setzen sich zu wenig mit ihren Anlagezielen auseinander und überlegen sich nicht, welches Risiko sie wirklich tragen können. Das ist ein Fehler. Hier ist die Hauptfrage: Wie viel Verlustrisiko kann ich wirklich tragen? Nur die langfristige Strategie ermöglicht die richtige Aufteilung der Anlageklassen gemäss den individuellen Bedürfnissen, den Anlagezielen und dem Risikoprofil.

Welche drei Punkte sind für Privatinvestoren am wichtigsten?

Erstens Disziplin. Es ist wichtig, an der individuellen Strategie festzuhalten und weder in guten Zeiten zu viel Risiko anzuhäufen noch in schlechten Zeiten panikartig zu verkaufen. Zweitens ist es wichtig, investiert zu bleiben. Börsentiefs können genutzt werden, um antizyklisch Wertpapiere zuzukaufen. Der dritte Punkt ist die Diversifizierung. Wer beispielsweise nur drei Aktien kauft, häuft ein deutliches spezifisches Firmenrisiko an. Nur eine breite Anlagestrategie lohnt sich wirklich. Daran muss man aber auch festhalten. Viele Privatanleger tun dies leider nicht und verkaufen zum falschen Zeitpunkt oder lassen sich von einer Börseneuphorie mittreiben.

Nach welcher Strategie investieren Sie selber?

Mein Ziel ist klar: Mein Vermögen soll langfristig und deutlich wachsen. Dies setzt jedoch voraus, dass ich einen Teil meines Vermögens auch tatsächlich langfristig anlegen kann, das heisst, dass ich nicht gezwungen bin, kurzfristig darauf zugreifen zu müssen. Aufgrund des langfristigen Anlagehorizontes kann ich mehr Risiko eingehen und werde dafür langfristig mit mehr Rendite entschädigt. Viele Anleger wollen allerdings auch kurzfristig auf ihr Vermögen zugreifen, und müssen entsprechend wenig riskant investieren.

Was heisst mehr Risiko für Sie konkret?

Ich bin ein begeisterter Private-Equity-Anleger. 60 bis 70 Prozent des Vermögens ist in Private-Equity-Fonds investiert. Equity ist wie ein langfristiger Sparplan, man zahlt wenn man dazu aufgefordert wird, und legt sich von Anfang an auf einen Betrag fest. Der restliche Teil investiere ich in gewöhnliche Aktienfonds und Hedgefonds.

Vor der Credit Suisse waren Sie für ein Family Office tätig. Welche Erfahrungen haben Sie davon zur Grossbank mitgenommen?

Ich denke, dass ich durch meine Erfahrungen in einem Family Office ein besseres Verständnis für die Bedürfnisse von Kunden habe. Ich sass unzählige Male direkt mit dem Kunden am Tisch, wir haben stundenlang über die Finanzmärkte diskutiert. Ich habe gelernt, die Anlagestrategie ganz konkret an die Bedürfnisse der Kunden anzupassen.

Hochvermögende schmerzt ein Verlust mindestens genauso stark als weniger vermögende Anleger.

Global CIO Michael Strobaek

Schmerzt es Hochvermögende genauso stark, wenn sie Geld verlieren, wie den einfachen Privatanleger, der sein hart Erspartes schwinden sieht?

Jeder hart verdiente Franken tut gleich weh, wenn man ihn verliert. Die Verlustsumme ist für einen Milliardär aber natürlich viel höher. Ein Prozent von 100’000 Franken ist viel weniger als ein Prozent von einer Milliarde. Auch wenn ein Verlust emotional immer schwierig ist, schmerzt es Hochvermögende meiner Erfahrung nach mindestens genauso stark wie weniger vermögende Anleger.

Fakt ist: Beide wollen Rendite. In welchen Anlageklassen sehen Sie derzeit noch Chancen?

Chancen gibt es weiterhin im Aktienbereich sowie im nicht traditionellen Anlagebereich. Die Möglichkeiten bei Staatsanleihen sind aufgrund der heutigen Zinsniveaus weitgehend ausgeschöpft. Anlagen in Private Equity und Infrastruktur sollte man dagegen kaufen respektive im Portfolio halten. Hier bestehen langfristig die grössten Chancen.

Welche neuen Trends sehen Sie mittelfristig?

Wir sehen einen globalen Trend zur Erneuerung von Infrastruktur in der westlichen Welt. Damit sind beispielsweise Investitionen in Unternehmen attraktiv, die Brücken, Strassen und Häfen bauen oder Flughäfen und Eisenbahnnetze betreiben. In diesem halböffentlichen Bereich sind insbesondere die Zulieferer interessant.

Wie finden Profis interessante Titel?

Interessante Titel weisen zum einen eine attraktive Bewertung auf. Dies kann sowohl historisch als auch in Bezug auf ihre Wachstumserwartungen oder im Konkurrenzvergleich sein. Andererseits kommen attraktive Themen wie eben beispielsweise Infrastruktur oder Innovation bei der Selektion zum Tragen. Drittens gilt es im Fall von Marktkorrekturen einen kühlen Kopf zu bewahren und die Zahlen sachlich zu analysieren. Korrekturen eröffnen meist langfristige Einstiegsmöglichkeiten.

Vor welchen Risiken müssen sich Investoren derzeit in Acht nehmen?

2017 sind in Europa die populistischen Strömungen das grösste Risiko. Zudem droht Festzinsinvestoren ein Zinsanstieg. Dies würde zu hohen Verlusten führen, denn das tiefe Zinsumfeld hat das Obligationenrisiko verstärkt. Würden die Zinsen steigen, wären heutige Obligationen plötzlich viel weniger wert. Hinzu kommen Währungsrisiken. Die Devisen bewegen sich derzeit deutlich stärker.

Ich rate jedem Anleger, die Emotionen wegzulegen und dann zu kaufen, wenn am Markt grosse Verunsicherung herrscht.

Global CIO Michael Strobaek

Der wohl gravierendste Fehler von Anlegern ist es, bei Marktschwächen panikartig zu verkaufen. Welche Ereignisse sind tatsächlich ein Grund zum Handeln?

Grundsätzlich rate ich jedem Anleger, die Emotionen wegzulegen und dann zu kaufen, wenn am Markt grosse Verunsicherung herrscht. Das war beispielsweise beim Brexit ein guter Rat, aber auch bei der Wahl von Trump oder der Schwäche in China. Solange die Weltwirtschaft gut unterwegs ist, sollte man bei Turbulenzen kaufen. Das Schlimmste ist tatsächlich, in Panik zu verfallen. Allerdings gibt es historische Ereignisse, die Systemrisiken nach sich ziehen, wie zum Beispiel die Wirtschafts- und Finanzmarktkrise 2008/2009. Damals wäre man gut beraten gewesen, wenn man rechtzeitig verkauft hätte. Der S&P 500 beispielsweise sank in den Monaten, nachdem einige Banken im September 2008 in Schieflage geraten waren, noch viel stärker als unmittelbar nach dem Ereignis.

Gibt es aktuell solche Systemrisiken, vor denen wir uns fürchten müssen?

Ein solches historisches Ereignis träte ein, wenn zum Beispiel der Euro auseinanderfallen würde. Oder wenn ein grosses Land, beispielsweise China, einen Crash erleben und dessen Finanzsektor zusammenbrechen würde. Es ist allerdings sehr schwierig, solche Ereignisse vorauszusehen. Zum Glück sind sie sehr selten. Gerade für die langfristige Anlagestrategie kann es trotz allem sinnvoll sein, investiert zu bleiben. Dies aber nur, sofern das eingegangene Risiko zur Anlegerstrategie passt. Die grösste Sünde begeht ein Anleger, wenn er zu viel Risiko trägt und im Tal verkaufen muss.

Lagen Sie selber auch schon falsch mit einer Investition oder haben die Situation falsch eingeschätzt?

Ja, hauptsächlich bei einigen Einzelaktien. Damals habe ich bereut, dass ich nicht besser diversifiziert war. Ich war von der Firmengeschichte begeistert, hatte aber das Risiko falsch eingeschätzt.

Breit zu diversifizieren ist nicht immer einfach. Welche Anleger sollten ihr Vermögen selber verwalten?

Nur wer rational und diszipliniert investieren kann, sollte auf eigene Faust anlegen. Ich selber würde dies niemandem raten. Das wäre, als ob man sich selber medizinisch behandeln würde oder sich selber juristisch verteidigt, obwohl man sich im Rechtswesen nicht auskennt. Für 99 Prozent der Anleger ist ein gut diversifizierter Vermögensverwaltungsfonds die beste Option.

Obwohl wir heute viel mehr Möglichkeiten haben, uns in Finanzfragen zu informieren?

Gerade mit dem Internet als Quelle ist grosse Vorsicht geboten. Denn mit dem Informationsfluss sind auch die Möglichkeiten, sich zu verirren oder zu erschrecken, deutlich gestiegen. Die Menge an Daten ist über die Zeit extrem angewachsen, aber der wirkliche Informationsgehalt nicht. Die Gefahr ist also noch grösser geworden, dass ein Anleger in Panik verkauft, weil er zu viele Daten schnell bekommen hat oder diese nicht richtig einordnen kann.

Und Sie? Geben Sie die Vermögensverwaltung ab oder handeln Sie selber?

Wie zuvor erwähnt, bin ich ein passionierter Private-Equity-Anleger. Ich wähle auch diversifizierte Anlagefonds sowie empfohlene Hedge-Fonds. Für einen Teil meines Vermögens habe ich zudem ein Vermögensverwaltungsmandat – natürlich bei der Credit Suisse.