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Anlegen in Corona-Zeiten. Den Blick aufs Ganze nicht verlieren.

Wuchtig wie ein auf uns zurasender Zug – so wirken die wirtschaftlichen Dominoeffekte, ausgelöst durch die Coronavirus-Krise. Anleger sollten jedoch die ganzheitliche Perspektive im Auge behalten. Wie sich nicht nur die Weltwirtschaft durch Corona verändern könnte – und warum das Schlimmste an den Finanzmärkten wahrscheinlich ausgestanden ist.

Auf kurze Sicht: Schrumpfende Weltwirtschaft, aber Zuversicht

Die Politik hat mit einer selbstverordneten Quarantäne in Wirtschaft und Gesellschaft eine beispiellose globale Kontraktion ausgelöst, deren Wucht sie nun entschlossen abzufedern versucht. Folglich sind Anleger zurzeit mit schlechten Nachrichten konfrontiert – haben aber auch Gründe für Zuversicht.

Weltwirtschaft leidet unter Corona  

  • Gewinne pro Aktie kollabieren. Laut Factset erwarten die meisten Analysten für das Quartal einen durchschnittlichen Einbruch der Unternehmensgewinne pro Aktie von etwa einem Drittel. Die Börsen nehmen bereits eine Gewinnhalbierung vorweg.
  • Die Weltwirtschaft schrumpft. Vieles spricht für eine zweistellige Kontraktion der Weltwirtschaft im 2. Quartal 2020, so der Marktkonsens.
  • Konkurse steigen, Ratings fallen. Es bleibt zu hoffen, dass die Politik systemrelevante Konkurse verhindert. Welchen Einfluss die absehbare Flut von Rating-Herabstufungen haben wird, ist noch offen.

Finanzmärkte dürften das Schlimmste hinter sich haben

Die Weltbörsen haben in den letzten drei Wochen umgerechnet etwa 25’000 Milliarden Franken verloren. Das entspricht einem Drittel der globalen Wirtschaftskraft – und dies suggeriert, dass das Schlimmste an der Börse hinter uns liegt. Auch die riesigen Rettungspakete in Europa und den USA stützen die Annahme. Die Pandemie hat die Märkte in extreme Panik versetzt. Erfahrene Anleger wissen aber auch, dass solche Extremsituationen regelmässig Kaufgelegenheiten geboten haben, wie das Beispiel für Energieanleihen zeigt.

Hohe Risikoprämien für Energieanleihen

Extrem hohe Risikoprämien für Energieanleihen

Kursdifferenz zwischen Investment-Grade Energieanleihen und Bargeld in Basispunkten.

Quelle: Credit Suisse
Letzter Datenpunkt: 20.03.2020

Auf lange Sicht: Die Weltwirtschaft nach Corona

Warum Anleger die Zukunft im Rückblick betrachten sollten

Der Zukunftsforscher Matthias Horx plädiert dafür, die Zukunft aus einem imaginierten Rückblick zu betrachten. Denn häufig sehen wir beim «in die Zukunft schauen» primär unüberwindbare Hürden, die sich vor uns auftürmen. Wenn wir hingegen uns selbst, unseren inneren Wandel in die Zukunftsrechnung einbeziehen, dann erhalten wir ein ausgewogeneres Bild.

Stellen wir uns also vor, wir würden am Ende dieses Jahres auf den «schwarzen März» 2020 zurückschauen. Vielleicht werden wir dann über einiges staunen. Zum Beispiel darüber…

… dass die Weltwirtschaft so stark schrumpfen konnte, ohne zu kollabieren.
… dass wir trotz des teuren Börsensturzes im März 2020 im Rückblick der Krise auch Positives abgewinnen.
… wie rasch die Menschheit den Wettlauf gegen die Zeit gewonnen hat, um dem Virus den Stachel der Mortalität zu ziehen.
… dass die Überwindung der Krise in weit grösserem Masse unserer natürlichen Intelligenz als der künstlichen Intelligenz geschuldet war.
… wie breit das Spektrum an disruptiven Innovationen und Veränderungen ist, die die Krise initiiert hat.

Weitreichende Veränderungen – nicht nur in der Weltwirtschaft

Die Corona-Krise hinterlässt tiefe Spuren in der Wirtschaft. Aber auch die Politik, Gesellschaft, Technologie und Umwelt befinden sich in einem disruptiven Wandel. Wie unser Leben nach Corona aussehen könnte – und welche zuvor undenkbaren Chancen sich ergeben.

Soziales

  1. Jetsetting, Kreuzfahrten und Geschäftsreisen gehen nachhaltig zurück. Die Krise hat gesellschaftlich eine neue Bescheidenheit, ein «Back to Basics» ausgelöst.
  2. Solidarität gewinnt als Wert an Bedeutung. Auch politisch punktet die Idee der universellen Gesundheitsvorsorge – sogar in den USA.
  3. Die Akzeptanz für mehr Regulierung und Überwachung nimmt zu. Das Internet der Dinge beschleunigt den profunden sozialen Wandel.

Technologie

  1. Die digitale Wirtschaft erlebt eine fulminante Weiterentwicklung in allen Aspekten des täglichen Lebens. Was vor der Krise noch Zukunftsmusik war, wird nach der Krise neue Normalität.
  2. Etwa eine Milliarde Schülerinnen und Schüler werden regelmässig online lernen. Der Supertrend «Edutainment» verändert Form, Inhalt und Geschäftsmodelle in der Bildung.
  3. Die Digitalisierung des Gesundheitswesens erfährt einen internationalen Wachstumsschub. Telemedizin, nationale Gesundheitsdatenbanken und die Pharmaforschung profitieren von steigender Nachfrage seitens Patienten, Staaten und Krankenkassen.
  4. Die «Datafizierung von fast allem» nimmt Fahrt auf. Das Internet der Dinge fördert eine massenhafte Datenerhebung. Zudem wird es leichter, neue regulatorische Vorgaben zu erlassen, insbesondere bei Vorliegen eines öffentlichen Interesses wie im Fall einer Pandemie.
  5. Kontaktlose Zahlsysteme werden wichtiger als Bargeld. In Europa setzt die European Mobile Payment Systems Association (EMPSA4) gemeinsam mit der Europäischen Zentralbank (EZB) neue Massstäbe.
  6. Der Ausbau der digitalen Infrastruktur, insbesondere des Mobilfunknetzes 5G, wird weltweit vorangetrieben. Er löst eine neue Flut von Applikationsentwicklungen aus. Wir werden überrascht sein, wie sehr sich die Rezession 2020 hierbei als Wachstumsbeschleuniger erweisen wird.
  7. Autonome Mobilität entwickelt sich in Städten zu einer wachsenden Konkurrenz zum öffentlichen Nahverkehr – doch knappe Parkplätze schaffen politische Verteilungskonflikte.
  8. Mit der Digitalisierung steigt auch der Bedarf an «Cyber Security». Der Supertrend «Sicherheit» zählt – auch an den Börsen – zu den Krisengewinnern

Ökonomie

  1. Durch die staatlichen Rettungsmassnahmen werden Steuereinnahmen dieses Jahr schmelzen und Staatsschulden global steigen. Beides wird in Zukunft absehbare politische Verteilkonflikte schaffen.
  2. Die wirtschaftliche Bedeutung des Staates wird zunehmen. Einerseits werden Staaten illiquide Unternehmen, zum Beispiel nationale Fluggesellschaften, rekapitalisieren. Zudem dürften Staatsbudgets für die öffentliche Gesundheit und damit verbundene Bereiche nachhaltig wachsen.
  3. Neben den Staatsschulden werden nach der Krise auch die Steuern weltweit steigen.
  4. Der Globalisierung folgt die «Glokalisierung». Während globale Produktionsketten nicht verschwinden, wird in Zukunft lokale Fertigung von Entscheidungsträgern präferiert. Neue Technologien wie 3D-Druck werden dies beschleunigen.

Umwelt

  1. Satellitenbilder von einer Welt unter Quarantäne fördern das gesellschaftlichpolitische Umweltbewusstsein.
  2. Die wirtschaftlichen Trends zu mehr Lokalem und kürzeren Transportwegen helfen dem Weltklima ebenso wie die politischen Trends des «zurück zur Mitte».

Politik

  1. Die Krise fördert Pragmatismus, Kompetenz, Perspektive, Empathie und Redlichkeit. Der Stern derjenigen, die sich vor der Krise primär durch Polarisierung profilierten, wird sinken. Die vormals totgesagte politische Mitte findet nach der Krise neuen Zuspruch.
  2. Nationale Grenzen werden spürbarer. Stärkere Kontrollen beim Handel und bei grenzüberschreitenden Reisen bestärken den Trend zur Glokalisierung.
  3. Die Eurozone wird feststellen, dass die Idee einer Solidargemeinschaft durch die Krise gewissermassen zu einem alternativlosen Faktum geworden ist.

Finanzmärkte dürften sich in der zweiten Jahreshälfte erholen

Die aktuelle Krise hat ausserordentliche Verwerfungen an den Finanzmärkten geschaffen. Zwar bleibt die Börsenvolatilität noch länger ausserordentlich hoch. Doch die Erfahrung von Börsenkrisen lehrt, dass Anleger die Tiefpunkte nur selten am tiefsten Punkt erreichen und es sich deshalb meist lohnt, den ersten Fuss eher zu früh als zu spät in die Märkte zu setzen. Unser weltwirtschaftliches Hauptszenario erwartet eine U-förmige Erholung in der zweiten Jahreshälfte, denn der Stimulus durch die expansive Geld- und Fiskalpolitik ist beispiellos und prinzipiell unlimitiert.

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