Angelo Schirinzi beach soccer
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Angelo Schirinzi: “Die Füsse brennen höllisch”

Das Schweizer Beach Soccer Nationalteam hat sich für die WM 2017 qualifiziert. Nationaltrainer und Beach Soccer-Pionier Angelo Schirinzi über die Faszination und Entwicklung dieses boomenden Sports. Ein Gespräch in zwei Teilen. (Teil 2)

Interview: Michael Krobath

Angelo Schirinzi, Sie gelten als Pionier des Beach Soccers in der Schweiz. Wie kamen Sie zu diesem exotischen Spiel?
Ich war schon immer fasziniert vom Kleinfeld-Fussball, egal ob auf dem Pausenplatz oder in der Turnhalle. Und dann sah ich 1999 erstmals ein Beach Soccer-Match im TV mit dem legendären Eric Cantona. Ich war völlig gebannt und wusste sofort: das ist mein Ding.

Welche Strukturen existierten damals in der Schweiz?
Nada. Nichts. Es gab im ganzen Land weder Anlagen noch Vereine und schon gar keine Meisterschaft. Zusammen mit Reto Wenger, dem heutigen CEO, begannen wir bei null. Er kümmerte sich ums Marketing, ich um den sportlichen Bereich. 2001 gründeten wir Swiss Beach Soccer und im selben Jahr nahm bei der EM auf Gran Canaria erstmals ein Schweizer Nationalteam an einem internationalen Turnier teil. Wenn ich sehe, was wir seither entwickeln konnten, denk ich manchmal, dass ich träume.

Neben dieser Aufbauarbeit haben Sie im Auftrag der FIFA auch das offizielle Beach Soccer-Lehrbuch verfasst. Wie erklären Sie einem Ahnungslosen die Faszination Beachsoccer?
Genau wie Beachvolleyball ist auch Beach Soccer ein grossartiger Mix aus Samba-Stimmung und sportlichem Spektakel. Die Attraktivität lässt sich auch in Zahlen ausdrücken: Im Schnitt fällt alle 30 Sekunden ein Schuss aufs Tor. Durchschnittlich gibt es 9 Treffer pro Spiel. Mittlerweile wird Beach Soccer schon in 130 Ländern gespielt und die WM 2015 verzeichnete weltweit rund 80 Millionen TV-Zuschauer.

Welche besonderen Talente sind in diesem Sport gefragt?
Natürlich braucht es eine gute Technik und viel Kraft. Vor allem aber benötigt man dafür sehr ausgeprägte koordinative Fähigkeiten.

Verlangt Strandfussball spezielle Trainingsmethoden?
Ja. Am effizientesten ist es, möglichst häufig im Sand zu spielen. Dabei werden automatisch sämtliche Muskeln aktiviert. Die Leitidee dieser Sportart ist es, den Ball möglichst in der Luft zu halten. Im Gegensatz zum Rasen wird der Pass also nicht flach, sondern wenn immer möglich hoch gespielt. Und im Idealfall nimmt man den Ball nicht an, sondern leitet ihn direkt zum Mitspieler weiter.

Was sind die häufigsten Verletzungen?
Verstauchte oder gebrochene Zehen. Aber insgesamt ist Beach Soccer wesentlich weniger gefährlich als Rasenfussball. So sind etwa Bänder- oder Knieverletzungen äusserst selten.

Gewöhnen sich die Füsse an den heissen Sand?
Nein. Ist es extrem heiss, wird der Sand kurz Spielbeginn abgespritzt. Aber er heizt sich meist schnell wieder auf und dann beginnen die Füsse höllisch zu brennen. Der Umgang mit dem Schmerz ist reine Kopfsache. Unsere Gegner haben stets viel mehr Mühe damit als wir. Meine Spieler scheinen das sogar zu mögen. Die Schweizer Nati besteht aus ziemlich verrückten Typen.

In diesem Sport gibt es nichts zu verdienen. Wie rekrutiert man da Talente?
Man muss sie handverlesen. Dabei ist man auf gute Tipps angewiesen und man sieht sich viele Nachwuchsspiele der Rasenkicker an. Ein Beispiel: Vor einigen Jahren entdeckte ich bei den U16-Junioren von GC den jungen Noel Ott. Es war klar, dass er alle Qualitäten für Beachsoccer mitbringt und glücklicherweise hat er sich für einen Wechsel entschieden. Aber man muss realistisch sein: Können wir alle zwei Jahre ein Talent ins Nationalteam einbauen, dann sind wir zufrieden.

Ist Beach Soccer ein Sammelbecken für lauffaule Rasenkicker?
Im Gegenteil. Beachsoccer ist physisch viel härter. Wer daran zweifelt, ist herzlich eingeladen, einmal mit uns zu trainieren.

Die nationale Meisterschaft der Strandfussballer findet jeweils in der Sommerpause der Super League statt. Spielen da auch Cracks mit?
Tatsächlich sind etwa 30 Prozent auch noch in "normalen" Fussballklubs engagiert. Aber Spitzenspieler sind keine dabei. Die haben Angst vor Verletzungen oder es ist ihnen seitens des Vereins schlicht verboten.

Welchen Schweizer Star hätten Sie am liebsten in der Beach Soccer-Nati?
Ich denke Blerim Dzemaili hätte grosses Potenzial. Und auch Valon Behrami. Haris Seferovic könnte interessant für ganz vorne drin sein, als derjenige, der den Ball reinhämmert. Kürzlich hatten wir den zurückgetretenen Marco Streller im Training - der war sensationell. Leider konnten wir ihn nicht überzeugen, bei uns einzusteigen.

Gilt die Regel: Je besser die Technik, desto besser im Sand?
Eben nicht. Bestes Beispiel ist der Supertechniker und Barcelona-Star Ivan Rakitic. Der hat auch schon mit uns trainiert, aber war nicht auf Anhieb erfolgreich. Beach Soccer verlangt ein ganz bestimmtes Flair, einen speziellen Mix aus Technik und Kraft.

Neuerdings ist das Beach Soccer Nationalteam in den Schweizerischen Fussballverband integriert und wird auch von der Credit Suisse unterstützt. Was bedeutet Ihnen das?
Es ist die Anerkennung für unsere langjährige Aufbauarbeit. Und für die Spieler ist es eine Ehre, das offizielle Trikot des Verbandes überzustreifen. Diese Partnerschaft wird uns mehr mediale Aufmerksamkeit bringen und hoffentlich auch noch mehr Unterstützung.

Wird Beach Soccer künftig olympisch und weltweit noch bekannter werden?
Das hoffen wir, und das wird auch schon länger diskutiert. Schade, hat es in Rio noch nicht geklappt. Beachsoccer an der Copacabana – das wäre ein Riesenevent geworden. Wir haben dort früher schon vor 12’000 Zuschauern gespielt - genial.
Aber vielleicht klappt es ja 2020. Eine Olympiateilnahme mit der Schweiz - das wäre die Krönung einer unglaublichen Geschichte.