Jugendbarometer 2022: Grunge is back!
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Jugendbarometer 2022: Grunge is back!

«Act like you don't care, even if you do.» Die Haltung des Grunge ist zurück unter Jugendlichen.

Mehr als dreissig Jahre ist es her, als die Grunge-Welle von Seattle aus eine ganze Generation überrollt und geprägt hat. Grunge war dabei viel mehr als einfach ein Genre der Rockmusik. Das Phänomen Grunge brachte die ideellen, kulturellen und gesellschaftlichen Aspekte der 1990er Jahre zum Ausdruck und vermischte sie mit ikonisch rauer Musik. Grunge versöhnte auf den ersten Blick nicht zu vereinende Gegensätze zu einem stimmigen, gesellschaftskritischen Ganzen. Die Ikonen des Grunge setzten sich in ihren Songtexten mit den ganz grossen Themen ihrer Zeit auseinander und begegneten ihnen mit Ironie, Apathie und Substanz zugleich.

Der Grunge repräsentierte die Stimmung einer ganzen Generation. Die Ethik des Grunge folgte keinen Trends. Sie brach mit den Klischees der damaligen Zeit und begegnete ihnen mit dreckigen Gitarrensounds. Zwar hören Jugendliche heutzutage nicht ausschliesslich Nirvana, Alice in Chains und Soundgarden - die Stimmung der heutigen Jugend erinnert nach zwei Jahren Pandemie jedoch durchaus an eine Art Grunge 2.0.

Weniger Interesse für politische Anliegen

So ist es 2022 unter Schweizer Jugendlichen weniger «in» sich für die Umwelt einzusetzen, als es noch 2020 der Fall war. Junge Schweizerinnen und Schweizer fühlen sich auch der Klimabewegung weniger zugehörig als noch vor zwei Jahren. In den USA und Singapur ist das Zugehörigkeitsgefühl zur Klimajugend gleich gross geblieben, in Brasilien hat es sogar leicht zugenommen. Das ergibt das Credit Suisse Jugendbarometer, eine repräsentative Befragung von Jugendlichen zwischen 16 und 25 Jahren in der Schweiz, den USA, Brasilien und Singapur.

Für das politisch heiss diskutierte «Problem» der Überfremdung, hat die Jugend wenig Verständnis. In der Schweiz sehen es 14% der Jugendlichen gar als einen Vorteil, dass es auf absehbare Zeit immer mehr Ausländer in der Schweiz geben wird. Nur einer von zehn Jugendlichen in der Schweiz betrachtet den wachsenden Ausländeranteil als sehr grosses Problem. Für 57% der Jungen ist die Überfremdung kein oder nur ein kleines Problem. Fragt man nach dem Verhältnis zu jungen Ausländerinnen und Ausländern, betrachten dieses 34% der jungen Schweizerinnen und Schweizer als eher harmonisch, 30% als neutral und 28% als eher angespannt. In den USA, Brasilien und Singapur schätzt die Jugend das Problem der Überfremdung leicht weniger problematisch ein als Jugendliche in der Schweiz.

Sich für die Gleichstellung von Mann und Frau einzusetzen ist unter Jugendlichen in der Schweiz auch nicht mehr so wichtig, wie es noch zwei Jahre zuvor war. Unter allen befragten Ländern ist der Einsatz für die Gleichstellung von Mann und Frau weniger «in» als bei der letzten Erhebung des Credit Suisse Jugendbarometers. Am wenigsten «in» ist die Gleichstellung von Mann und Frau unter Jugendlichen in der Schweiz. Gerade mal 43% der Jugendlichen wollen sich hierzulande dafür einsetzen.

Die 5 Top-Probleme der Jugendlichen 2022

Nur noch knapp jeder fünfte Schweizer Jugendliche findet es cool, an politischen Demonstrationen teilzunehmen. Am ehesten ist demonstrieren unter Jugendlichen in Brasilien «in», am wenigsten bei jungen Menschen in Singapur.

Während der Trend zu politischem Desinteresse unter Jugendlichen neu ist, setzt sich ein anderer fort: Jugendliche in der Schweiz informieren sich immer weniger über das Tagesgeschehen in den Medien. Während 2015 noch 71% der jungen Schweizerinnen und Schweizer täglich Medien konsumiert haben, sind es 2022 nur noch 59%. In allen befragten Ländern ist der Anteil der Jugendlichen, die sich täglich informieren, höher als in der Schweiz. Am höchsten ist das tägliche Informationsbedürfnis mit 80% unter jungen Brasilianerinnen und Brasilianern.

Social Media statt Drogen

Fragt man Jugendliche in der Schweiz, was in ihrem privaten Umfeld «in» ist, antworten sie am häufigsten mit Whatsapp oder Musik hören. Danach folgen Spotify und weitere Musik Apps, Youtube, Instagram und Netflix. US-amerikanische Jugendliche bezeichnen neben weiteren sozialen Medien wie Tik Tok oder Snapchat noch das Fernsehen und E-Mails schreiben als trendy. Auch in Brasilien und Singapur dominieren die Sozialen Medien, Streaming-Dienste und Musikanbieter die Spitze der jugendlichen Trends.

«Out» ist demgegenüber unter Schweizer Jugendlichen vor allem die Religionsausübung und Facebook. Danach folgen Drogen konsumieren, politische Parteien und das Militär. Der Konsum von Drogen und das Militär liegen unter jungen Menschen in allen befragten Ländern nicht im Trend. Unter Jugendlichen in den USA sind zusätzlich Telegram und Fussball besonders uncool. In Brasilien sind das Rauchen und Jugendorganisationen sowie in Singapur politische Parteien, Rauchen und Dating Apps wie Tinder «out».

Die gesellschaftliche Kohäsion bröckelt

Nur noch knapp jede/r dritte Schweizer Jugendliche findet es im Leben wichtig, dass die Gesellschaft ihm oder ihr ein Gefühl der Angewiesenheit gibt. Gerade einmal 18% der Schweizer Jugendlichen blicken der Zukunft der Gesellschaft als Ganzes optimistisch entgegen. Die Zuversicht für die Gesellschaft als Ganzes hat unter jungen Schweizerinnen und Schweizer leicht abgenommen und fällt erstmals seit der Erhebung des Jugendbarometers unter 20%.

Fragt man Jugendliche, zu welcher sozialen Einheit sie sich zugehörig fühlen, nennen junge Schweizerinnen und Schweizer als erstes den Freundeskreis, dicht gefolgt von der eigenen Familie. An dritter und vierter Stelle fühlen sich Schweizer Jugendliche der Menschheit und der Gesellschaft des eigenen Landes zugehörig. Fast gleich sehen dies Jugendliche in Singapur, welche die Familie leicht höher gewichten als den Freundeskreis. Junge Menschen in den USA fühlen sich gleichermassen am stärksten der Familie und dem Freundeskreis zugehörig, an dritter Stelle nennen sie die Menschheit als Ganzes, gefolgt von Partnerschaft, Beziehung oder Ehe. Die Gesellschaft des eigenen Landes folgt in den USA erst an fünfter Stelle. Jugendliche in Brasilien fühlen sich in erster Linie der Familie, der Menschheit und der Gesellschaft des eigenen Landes zugehörig, gefolgt vom Freundeskreis. Ein bisschen weniger Interesse für das Weltgeschehen und ein bisschen weniger Zugehörigkeitsgefühl zur Gesellschaft. Das ist der «teen spirit» des Grunge 2.0.