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Die STORY WALL

Augustas Serapinas

Ein ausgedientes Fenster aus einem alten Stadtviertel in Wilna

"Ich möchte alternative Blickwinkel schaffen. Sie sorgen für mehr Vielfalt. Daran mangelt es häufig in Institutionen und in der Kunstwelt im Allgemeinen ... Ich bin immer auf der Suche nach solchen ‹kleinen Störungen›."

Augustas Serapinas

Der Künstler

Augustas Serapinas (geboren 1990) ist ein litauischer Künstler, der in Wilna (Vilnius) lebt und arbeitet. 2013 schloss er sein BA-Studium im Bereich Skulptur an der dortigen Kunstakademie ab, nachdem er sein letztes Studienjahr an der Königlich Dänischen Kunstakademie in Kopenhagen verbracht hatte. Anschliessend absolvierte er das Rupert Educational Program in Wina und erhielt 2014 den vom litauischen Kulturministerium verliehenen Preis «Bestes künstlerisches Debüt des Jahres».

Der Ansatz von Augustas Serapinas, der zunehmend auf ein starkes internationales Echo stösst, ist nach wie vor tief in der Kultur seines Heimatlands Litauen verwurzelt, das er für viele erstmals auf die Karte der zeitgenössischen Kunst gesetzt hat. Bereits als Student an der Kunstakademie Wilna testete er deren institutionelle Grenzen aus. So entdeckte er einen versteckten Bereich innerhalb der Akademie, den er als geheimes Studio nutzte. Darüber hinaus schuf er in einer tief liegenden Wasserleitung, die in den Fluss Vilnia mündet, einen Schlupfwinkel für sich, der ihm einen neuen – unterirdischen – Blick auf seine Heimatstadt bot. Seitdem hat er vielen Touristinnen und Touristen Wilna aus dieser Perspektive gezeigt.

Augustas Serapinas ist mittlerweile zu einem intellektuellen Reisenden zwischen dem Baltikum und Westeuropa geworden. Seine Werke wurden bereits auf zahlreichen Biennalen und Gruppenausstellungen gezeigt, unter anderem auf der 58. Biennale Venedig 2019 und der ART BASEL Unlimited 2023. 2019 absolvierte er eine Artist-in-Residency «Fogo Island Arts (FIA)» in Kanada. Darüber hinaus wurden Augustas Serapinas’ Werke in vielen Einzelausstellungen gezeigt, beispielsweise in der Kunsthalle Wien, im Centre of Contemporary Arts in Tel Aviv sowie in zwei grossen Ausstellungen in der Galerie Tschudi in Zuoz (Schweiz).

Er ist zudem bereits in renommierten öffentlichen Sammlungen vertreten, wie z. B. in der Pinakothek der Moderne in München, im Museum für zeitgenössische Kunst Antwerpen, in der Tate Gallery of Modern Art und im Centre Pompidou. Die Sammlung Credit Suisse hat das Werk Notes from Užupis auf der Kunstmesse «Paris Internationale» 2019 von Emalin erworben, der Kunstgalerie, die ihn in London vertritt.

Da Augustas Serapinas familiäre Bindungen nach London hat, hoffen wir, dass im Laufe des Jahres 2023 eine Veranstaltung oder ein Gespräch mit ihm zustande kommt. In diesem Rahmen werden wir vielleicht näher erörtern können, welche «kleine Störung» sein ausgedientes Fenster aus einem Stadtviertel Wilnas an der «Story Wall» der Credit Suisse in Canary Wharf bewirkt.


Das Werk

Augustas Serapinas erzählt Geschichten über Orte, Menschen und ortsspezifische Erinnerungen, meist in Form von Installationen und Einzelskulpturen. Indem Serapinas die herkömmlichen Eigenschaften der ursprünglichen Orte und Objekte entfernt und ihnen neue Merkmale zuweist, werden unsere bisherigen Vorstellungen und Sichtweisen auf die Probe gestellt. In vielen seiner Werke nimmt er Bezug auf sein Heimatland und beleuchtet geografische, historische und kulturelle Facetten Litauens auf subtile und humorvolle Weise.

Serapinas’ gerahmte Glasscheibe, die als Notes from Užupis 14 in die Kunstsammlung der Credit Suisse aufgenommen wurde, stammt aus einem ausgedienten Gewächshaus in Užupis, einem Stadtviertel von Wilma. Als einer der ältesten Stadtteile, der durch den Fluss Vilnia von der Altstadt getrennt ist, hat sich Užupis zu einem Viertel mit Künstlern, Intellektuellen und Unternehmern entwickelt. Am 1. April 1997 haben Bewohnerinnen und Bewohner von Užupis ihre Unabhängigkeit ausgerufen: Auf humorvolle Art gründeten sie eine Republik des freien Denkens, eine aus 7000 Einwohnerinnen und Einwohnern bestehende Künstlergemeinschaft mit eigener Regierung, eigener Währung, eigener Hymne und eigener Verfassung. Dann setzte, wie so oft, ein Gentrifizierungsprozess ein, der letztendlich zum Verschwinden des ursprünglichen Charakters des Viertels führte.

Das Grundstück mit seinem alten Gewächshaus war vor einiger Zeit an Investoren verkauft worden, es wurde jedoch nicht gepflegt und verwilderte und musste einer sinnvollen Nutzung zugeführt werden. Der umgestaltete Fensterrahmen mit seinem staubigen und durch Pflanzen beschmutzten Buntglas war ursprünglich Teil einer grösseren Installation: Im September 2019 verlegte Serapinas das verwitterte Gewächshaus von Užupis in eine Münchener Galerie. Obwohl das Gewächshaus im Wesentlichen nutzlos und kaputt war, wurde die Holzkonstruktion mit grossem logistischen Aufwand in die neue Umgebung transferiert und dort wieder aufgebaut. So blieb sie für eine gewisse Zeit erhalten.

Als Einzelskulptur entstand Serapinas’ Notes from Užupis 14 durch die Umwandlung eines historischen Relikts in einen technischen Vorgang: Nachdem die Besitzer das Grundstück verlassen hatten, verwilderte es. Die Fensterscheibe mit den darauf befindlichen Pflanzen wurde in einem Ofen zusammen mit Farbpigmenten erhitzt, bis sich eine Mischung aus verschiedenen Farbtönen, Luftblasen und Asche bildete. Somit hinterliessen die verbrannten Pflanzen im Moment ihres Verschwindens eine Spur ihrer selbst, wodurch sich eine paradoxe Logik - Erhaltung durch Zerstörung - ergab.

André Rogger, Kurator Sammlung Credit Suisse

Augustas Serapinas, Notes from Užupis

Augustas Serapinas, Notes from Užupis 14, 2020, umgestalteter Fensterrahmen, Buntglas, 97 x 46 x 5 cm