Dejan Stankovic beach soccer
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Dejan Stankovic: "Wie viele Tore? Etwa 1000"

Bei der Beach Soccer-WM 2017 zählt die Schweiz zu den Mitfavoriten – dank Routine, Talenten und dank Dejan Stankovic. Der 31-Jährige ist Leitwolf, Tormaschine und der wohl beste Stürmer der Welt. Ein Gespräch über die Kunst des Toreschiessens und das Potenzial der Sandgenossen.

Sie sind der Beach-Bomber der Nation. Wie viele Tore haben Sie schon für die Schweiz geschossen?
Gute Frage. Das wüsste ich selber gern. Laut meiner Berechnung, waren das gegen 1000 Tore in zirka 290 Länderspielen. Aber eine exakte Statistik existiert nicht.

Erinnern Sie sich noch an Ihren allerersten Treffer?
Das war 2005 bei meinem Länderspiel-Debüt in Locarno, als wir Italien mit 11:10 besiegten. Ich zog von der rechten Seite Richtung Tor und habe den Ball mit links ins rechte Lattenkreuz versenkt. Ich hätte mir damals nicht träumen lassen, jemals eine solche Karriere zu machen. 

Und was war das schönste Tor in Ihrer Karriere?
Das 3:2 gegen die hochfavorisierten Russen im Viertelfinal der WM 2009. Kurz vor Ende des zweiten Drittels hämmerte ich den Ball per Fallrückzieher an die Latte; der Ball prallte zurück und kam zu einem Teamkollegen; er spielte mich an und ich versenkte den Ball mit dem zweiten Fallrückzieher im Netz. Das Goal hat uns in den Final geführt und wurde zum schönsten Tor des Turniers gewählt.

Wie schiesst man ein Beach-Tor?
Mit viel Gefühl in den Füssen und dem richtigen Instinkt. Ich weiss, wo ich stehen muss. Ich lese das Spiel. Ich spüre, wo der Torhüter steht, selbst wenn ich mit dem Rücken zu ihm stehe. Und ich habe stets einen Plan. Ich weiss immer, was ich tun will, bevor der Ball kommt. Ich bin wohl zum Toreschiessen geboren.

Hinzu kommt eine unfassbare Freistossquote: fast jeder ist drin. Wie machen Sie das?
Üben, üben, üben. Ich bin vor den anderen am Platz und oft noch da, wenn sie schon duschen. Im Beachsoccer muss der Gefoulte den Freistoss selber ausführen und es gibt keine Mauer. Ich habe immer einen Plan und variiere die Ecken. Das macht es für den Goalie unberechenbar und ich versenke 80 bis 90 Prozent.

Sie erhalten meist eine Sonderbewachung. Wird im Sand härter gespielt als auf Rasen?
Klar gibt es auch bei uns harte Zweikämpfe. Aber zum Beachsoccer gehören viele und spektakuläre Tore, deshalb werden die Stürmer durch die Regeln besser geschützt. So darf ihn etwa der Verteidiger beim Fallrückzieher nicht berühren, sonst gibt es Freistoss. Und da Freistösse - wie gesehen - extrem gefährlich sind, wird man weniger gefoult.

Streut man Ihnen absichtlich Sand in die Augen?
Das ist absolut Tabu und wird umgehend mit rot bestraft. Aber versteckte Fouls gibt es auch bei uns. Auf die Zehen stehen, am Trikot ziehen - solche Dinge. Und verbale Provokationen natürlich.

Sind Sie leicht reizbar?
Als ich jung war, bin ich gerne mal darauf reingefallen und habe mich in der Konzentration stören lassen. Aber inzwischen lässt mich das kalt.

Sie wurden 2009 bei der FIFA-Gala zum besten Beachsoccer-Spieler der Welt geehrt, zusammen mit Lionel Messi. Wie ist der eigentlich so?
Vor der Gala habe ich im selben Raum wie Messi und auch Ronaldo auf meinen Auftritt gewartet. Aber geredet wurde nicht. Ich habe sie beobachtet und bewundere, mit welcher Ruhe und Professionalität sie solche Events absolvieren.

Werden Sie eigentlich auf der Strasse erkannt?
An der Copacabana - dem Epizentrum des Beachsoccers - werde ich angesprochen. Aber in der Schweiz höchstens daheim in Aarau.

Bedauern Sie es manchmal, dass es auf dem Rasen nicht zum Profi gereicht hat? Beim FC Winterthur haben Sie es bis in die Challenge League geschafft.
Nein. Ich habe wunderschöne Strände und spannende Orte gesehen, wie Lagos oder Baku. Das Beachsoccer-Leben ist grossartig - und ich habe noch lange nicht genug davon. Ich fühle mich in der Form meines Lebens und will mindestens noch 4 bis 5 Jahre auf höchstem Niveau spielen.

Kann man vom Beachsoccer leben?
In Russland, Italien oder Spanien vielleicht, wo die Lebenskosten tiefer sind, aber nicht in der Schweiz. Ich habe ein 70-Prozent-Pensum im Kaufmännischen Bereich. Wir Schweizer sind alle Amateure und gehören trotzdem zu den Topteams der Welt. Darauf dürfen wir wirklich stolz sein.

Haben Sie für die bevorstehende WM das Training intensiviert?
Ja, wir haben in den vergangenen drei Monaten sechs Abende pro Woche trainiert. Jeden Tag sind wir nach der Arbeit nach Basel in die Halle gefahren und dann wieder nach Hause. Wir haben viel geopfert und ich wünsche dem Team, dass dieses Engagement belohnt wird. Dass wir unser Ziel - den Halbfinal-Einzug - schaffen.

Die Schweiz ist für ihre offensive Spielweise und Torspektakel bekannt, kassiert aber auch relativ viele Gegentreffer. Wurden für die WM taktische Korrekturen vorgenommen?
Nein, wir halten an unserer Spielphilosophie fest. Das gehört zu uns und macht uns unberechenbar. Wir Schweizer sind die "Brasilianer des Beachsoccer". Darauf bin ich stolz und dafür lieben uns die Zuschauer. 

Ist das aktuelle Schweizer Team das Beste aller Zeiten?
Absolut. Wir haben einen perfekten Mix aus Jugend und Routine. Und: die Disziplin und der Zusammenhalt war noch nie besser. Alle ziehen am selben Strick.

Trainer Angelo Schirinzi bezeichnet Sie als "Leitwolf". Auf Ihren Schultern lastet viel Druck. Zu viel?
Ich spüre diese Verpflichtung. Aber ich kann gut damit umgehen. Ich möchte ein Vorbild sein, auf und neben dem Platz. Ich will das Zugpferd sein, das die Mannschaft zieht.

Die Schweiz trifft als Nummer 5 der Welt auf die Bahamas (44), Senegal (15) und Ecuador (22). Die beiden Gruppenersten qualifizieren sich für den Viertelfinal. Eine reine Formsache?
Bevor wir auf die Gegner kommen, möchte ich betonen: Diese WM-Teilnahme ist alles andere als selbstverständlich. Nur 4 von 28 europäischen Teams sind dabei, selbst Topteams wie Spanien oder der zweifache Weltmeister Russland sind in der Qualifikation gescheitert.

Umso einfacher werden die WM-Gruppenspiele?
Auf dem Papier vielleicht. Faktisch erwartet uns im Auftaktspiel gegen das Heimteam die Hölle. Das Stadion wird kochen. Wir müssen einen kühlen Kopf bewahren und unserem Spiel treu bleiben. Auch gegen Senegal und Ecuador.

Verraten Sie uns zum Schluss noch Ihren Reisetipp. Sie haben unzählige Traumstrände gesehen: Welcher ist der Schönste?
Schwierig. Tahiti, San Diego, die Bahamas - es gibt so viele. Aber am besten gefällt mir Dubai. Für mich ist das die absolute Top-Destination für Beachsoccer.