Tomate offline, Wein online
Im Schweizer Lebensmittel-Detailhandel steckt der E-Commerce noch in den Kinderschuhen. Ein Grund: Frischprodukte kauft man lieber im Laden ein.
Der Grossteil der Schweizer Bevölkerung kauft Tomaten oder Orangen lieber im Laden als im Internet. Darauf deutet der aktuelle Onlineanteil am Umsatz der Schweizer Food-Detailhändler hin. 2014 verdienten die Lebensmittel-Detailhändler gemäss Berechnungen des Branchenresearchs der Credit Suisse gerade mal rund 1,6 Prozent ihres Food-Umsatzes im Internet; das sind weniger als 1 Mrd. Franken.
Für die Konsumenten spielen dabei Früchte und Gemüse eine wichtige Rolle. Die einen bevorzugen eher grüne Bananen, die anderen mögen sie lieber reif. Schönheitsfehler bei Karotten sind den einen egal, für die anderen ist Makellosigkeit der Kaufgrund. Da Frischprodukte beim Online-Einkauf nicht selbst ausgewählt werden können, bleiben die persönlichen Vorlieben auf der Strecke. Deshalb werden solche Produkte noch immer vorzugsweise offline eingekauft.
Auf die Qualität kommt es an
Ausgesprochen wichtig wird die Qualitätskontrolle bei Frischprodukten, wenn spezielle Anlässe wie das Kochen für Freunde geplant sind. Bei solchen Gelegenheiten wird der Lebensmitteleinkauf zum (Sinnes-)Erlebnis. Man will sich vom Metzger beraten lassen, sucht die schönsten Tomaten aus der Gemüsekiste und kauft nur jenes Brot, das noch warm ist und am herrlichsten duftet. Onlineshopping kommt da naturgemäss nicht in Frage.
Anders ist das bei ungekühlten Grundnahrungsmitteln mit langer Haltbarkeit wie Pasta und Reis oder bei Getränken. Nicht umsonst ist die Bestellmenge von Getränkeharassen bei den grossen Schweizer Food-Onlinehändlern auf acht Einheiten beschränkt.
Grundnahrungsmittel machen allerdings nur etwa einen Viertel des Schweizer Haushaltsbudgets für Nahrungsmittel aus und werden zumeist zusammen mit Frischprodukten eingekauft. Ausserdem ist der Weg zum nächsten Lebensmittelgeschäft in der Regel nicht weit. Deshalb ist das E-Commerce-Potenzial im Schweizer Lebensmittel-Detailhandel zumindest heute noch tief.
Die Zeit wird knapper
In Zukunft dürfte die Schweizer Bevölkerung jedoch stärker auf den Online-Einkauf von Lebensmitteln setzen. Das Credit Suisse Branchenresearch geht davon aus, dass der Anteil E-Commerce am Umsatz der Schweizer Food-Detailhändler bis 2020 auf knapp 3,5 Prozent wachsen wird. Die Gründe dafür sind unter anderem die steigende Erwerbsquote und der damit verbundene Zeitmangel sowie die Alterung der Gesellschaft, was die Beliebtheit der Heimlieferung steigern dürfte. Im Vergleich zur Heimelektronik (Prognose 2020: rund 38 Prozent) wird der Food-Onlineanteil auch 2020 noch bescheiden sein.
Patricia Feubli arbeitet beim Swiss Industry Research der Credit Suisse.