«Der Laver Cup macht Rivalen zu Teamkollegen.»
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«Der Laver Cup macht Rivalen zu Teamkollegen.»

Warum passen Roger Federer und die Credit Suisse so gut zusammen? Und was genau hat es eigentlich mit dem Laver Cup auf sich, diesem von Roger gemeinsam mit seinem Manager Tony Godsick mitbegründeten und von der Credit Suisse gesponserten neuen Tennisanlass? Tony Godsick verrät es uns.

Roger Federer und Tony Godsick

Welche Qualitäten braucht ein potenzieller Sponsor, um als Partner für Roger Federer in Betracht zu kommen?

Tony Godsick: Das Wichtigste ist, dass die Marke oder das Produkt auf glaubwürdige Weise zu Roger passt. Roger ist mit keiner Marke und keinem Produkt assoziiert, bei denen man sich am Kopf kratzt und sagt: «Diese Beziehung verstehe ich nicht wirklich.» Er muss das Produkt benutzen oder benötigen und von ihm überzeugt sein. Sonst lässt er sich nicht darauf ein. Seine Beziehung mit der Credit Suisse ist organisch. Bereits im zarten Alter von vier Wochen war er ein Partner der Credit Suisse. Roger verdient sein Geld rund um den Globus, er braucht also ganz klar eine vertrauenswürdige und globale Bank. Die Credit Suisse ist eine der besten Banken der Welt. Die Verbindung ist offensichtlich.

Wie viele Anfragen erhalten Sie pro Jahr? Und wie viele Sponsoringverträge kann ein aktiver Sportler überhaupt bewältigen?

Als aktiver Sportler kann Roger keine weiteren Engagements mehr eingehen. Eines der Dinge, die wir an seinen Markenpartnerschaften schätzen, ist die Tatsache, dass sie langfristig sind. Viele Agenten behaupten unablässig: «Oh, ich lehne so viele Angebote ab.» Ich glaube, meist ist das einfach so dahingesprochen. Ich kann ehrlich sagen, dass wir mindestens zwei grosse Verträge pro Monat ablehnen. Roger ist mit der Gruppe an Partnern, die er im Moment hat, sehr zufrieden, und ich sage Interessenten immer wieder: «Sie können nicht mehr auf den Federer-Zug aufspringen, denn er hat den Bahnhof bereits verlassen.» Wir gehen nur sehr wenige neue Partnerschaften ein.

2013 haben Sie gemeinsam mit Roger Federer TEAM8 gegründet. Sie selbst agieren gegenwärtig als Präsident und CEO. Welche Rolle hat Roger Federer? Es scheint so, als sei er gleichzeitig Kunde und Geschäftspartner.

Rogers Situation ist tatsächlich einzigartig, weil er einer der vier Partner im Unternehmen ist. Tatsächlich ist er aber aktuell ein Kunde. Er kommt morgens nicht ins Büro und sitzt an seinem Schreibtisch, um Personen zu führen, mit Vertretern von Marken zu sprechen und in Unternehmen zu investieren. Wenn wir aber ein Anliegen haben oder Rat von jemandem benötigen, der extrem viel Ahnung von Sport und Geschäften hat, können wir ihn jederzeit fragen. Nehmen Sie zum Beispiel den Laver Cup: Wir haben dieses Turnier intern bei TEAM8 entwickelt. Roger hat massgeblich zur Entwicklung des Tennis-Teils beigetragen. Welche Struktur soll der Laver Cup haben? Wie viele Spieler sollten in einer Mannschaft sein? Wie gestaltet sich die Punktevergabe? Sollte er an verschiedenen Orten auf der ganzen Welt ausgetragen werden? Welche Marken würden perfekt zum Turnier passen? Derzeit konzentriert Roger sich darauf, die bestmögliche Leistung als Tennisspieler zu erreichen, aber ich hoffe, dass er mehr Zeit für TEAM8 haben wird, wenn er einen Gang zurückschaltet. Sein Input, seine Hilfe, Überlegungen und Meinungen werden für uns von unschätzbarem Wert sein.

TEAM8 ist Mitorganisator des Laver Cup. Welche Ziele verfolgen Sie mit diesem neuen Turnier?

Wir wollten eine Veranstaltung schaffen, die auf der ganzen Welt stattfinden kann und die Botschaft des Tennis unter die Leute bringt. Der Laver Cup lässt Rivalen zu Teamkollegen werden und bringt ausserdem die Generationen zusammen. In Prag traten vor zwei Jahren junge Spieler wie Denis Shapovalov oder Frances Tiafoe gegen Tennislegenden wie Roger Federer und Rafael Nadal an. Gecoacht wurden die Spieler von zwei absolut unglaublichen Trainern: McEnroe und Borg. Deren Rivalität ist zwar vorbei, doch uns gelang es, sie wieder aufleben zu lassen. Gespielt wurde vor Leuten wie Rod Laver. Unser Ziel war es, eine innovative Veranstaltung auszurichten, auf deren Teilnahme sich die Spieler jedes Jahr freuen, auf die der Sport stolz sein kann und die letztlich die nächste Generation dazu inspiriert, einen Tennisschläger in die Hand zu nehmen, sich ein paar Bälle zu kaufen und dieses wunderbare Spiel zu spielen.

Würden Sie den Laver Cup als Spassveranstaltung bezeichnen?

Alle Beteiligten haben Spass daran. Die Fans bekommen während eines Wochenendes ein Format zu sehen, das es in dieser Form sonst nicht gibt. Das Problem mit Tennis ist, dass Sie, wenn Sie beispielsweise ein Federer-Fan sind und zu den US Open wollen, nicht wissen, für welchen Tag Sie ein Ticket kaufen müssen. Für den ersten Tag, Montag? Das kann daneben gehen, vielleicht spielt er am Dienstag. Für das Finale? Was, wenn er vorzeitig ausscheidet? Sie können es also nie wissen. Der Laver Cup garantiert Ihnen drei Tage, an denen Sie Ihre Lieblingsspieler sehen können. Und sie werden nicht nur Einzelmatches spielen, sondern auch in einzigartigen Doppel-Teams, die Sie so auf der regulären Tour nicht sehen würden.

Finden die Spieler Zeit dafür?

Sicher. Wir hatten bereits im ersten Jahr, als noch keiner wirklich wusste, worum es sich bei der Veranstaltung überhaupt dreht, ein grossartiges Spielerfeld. Im zweiten Jahr war es bereits viel einfacher, Spieler für die Teilnahme zu begeistern, und im dritten Jahr kamen die Spieler auf uns zu und fragten: «Wie kann ich teilnehmen? Mein Ranglistenplatz reicht zwar nicht aus, aber kann ich vielleicht als Captain’s Pick mit dabei sein?» Jeder möchte Teil eines Teams sein. Tennis ist eine einsame Sportart. Die Athleten kämpfen allein und interagieren kaum mit anderen Spielern. Der Laver Cup bietet ihnen einen willkommenen Vorwand, um auch mal in einem Team mit Spielern aus anderen Ländern zusammenzusein.

Jeder möchte wissen, wann Roger Federer sich vom aktiven Tennissport zurückziehen wird.

Das wüsste ich auch gerne, denn es würde meine Arbeit deutlich erleichtern. Roger weiss es selbst nicht. Einer der Gründe, warum er nicht über Rücktritt sprechen oder nachdenken möchte – das hat er schon mehrfach betont: Sobald man darüber nachdenkt, steht man bereits mit einem Fuss zwischen Tür und Angel und befindet sich auf dem Weg in den Ruhestand. Ich habe schon gehört, dass er Formulierungen benutzt hat wie «solange ich gesund bin, solange meine Familie mit dem Reisen einverstanden ist, solange ich noch gerne trainiere ...». Wenn das mal nicht mehr der Fall ist, wird er wohl sagen: «Ok, es an der Zeit ist, kürzer zu treten.» Aber wir sprechen nicht darüber, weil wir der Wahrheit nicht ins Gesicht sehen wollen, dass es eines Tages geschehen wird, und zwar eher früher als später. Lassen Sie es mich mit einer Analogie aus dem Golf ausdrücken: Er spielt aktuell die letzten neun Löcher seiner Karriere. Ob er sich gerade am 16. oder 17. Loch befindet, weiss ich nicht. Aber schauen Sie sich nur den diesjährigen Wimbledon-Final an: Roger spielt fantastisch. Warum also sollte er aufhören, solange er verletzungsfrei bleibt?

Sie haben unlängst gesagt, dass der Tag, an dem Roger Federer sich vom aktiven Tennissport zurückzieht, ein trauriger Tag für die Welt des Sports sein wird, aber nicht für Sie, weil er dann mehr Zeit für das Geschäft haben wird.

Erst kürzlich habe ich mich in Miami von jemandem verabschiedet, mit dem wir viele Jahre lang auf der Tour zusammengearbeitet haben, und urplötzlich kamen mir die Tränen. Zum Glück trug ich eine Sonnenbrille und konnte sie verbergen. Ich habe so viele Erinnerungen aus der Welt des Tennis, grossartige Erinnerungen, und manchmal kommen sie wie aus dem Nichts hoch und überrumpeln einen. Als ich mich von dieser Person verabschiedete, wusste ich, dass diese Momente irgendwann ein Ende finden. Ich werde also ganz bestimmt traurig sein. Aber natürlich ich freue mich auch darauf, geschäftlich mehr mit Roger zusammenzuarbeiten. Ich bin überzeugt, dass sich ihm und TEAM8 gewaltige Chancen eröffnen werden. Ich habe noch nie jemanden getroffen, der mit so viel Erfolg so viel schafft – sei es auf dem Platz, abseits des Platzes, im familiären Umfeld, auf philanthropischer Ebene oder mit Sponsoren – und der dabei einfach ein ganz normaler Mensch ist.

Wie wird der Rückzug von Roger Federer vom aktiven Sport die Tenniswelt verändern?

Ein Turnierdirektor erzählte mir kürzlich, dass es aktuell zwei verschiedene Arten von Tennisturnieren gebe. Die, an denen Roger Federer teilnimmt, und die, an denen er nicht teilnimmt. Das ist zwar sehr schmeichelhaft für Roger, aber nicht gerade grossartig, was den allgemeinen Zustand des Tennissports angeht. Schliesslich wünscht man sich ja eine gewisse Ausgeglichenheit. Ich glaube aber, dass der Tennissport mit Spielern wie Nadal und Djokovic und mit einigen der aufsteigenden jungen Spieler sich grossartig entwickeln wird. Wie Roger zu sagen pflegt: Es wird immer wieder eine neue Nummer Eins geben. Es werden andere Spieler kommen und die Grand-Slam-Trophäen in die Höhe stemmen. Tennis hatte schon immer die Fähigkeit, globale Superstars hervorzubringen. Bei Borg und McEnroe sagten die Leute: «So etwas wird es nie wieder geben.» Prompt erschienen Sampras und Agassi auf der Bildfläche. «So etwas wird es nie wieder geben.» Und schon kamen Nadal und Federer um die Ecke. Es passiert einfach, und das macht letztlich auch die Schönheit des Tennis aus.

Lesen Sie auch den ersten Teil unseres Interviews mit Tony Godsick.