Die Hälfte der Schweizer Kantone sieht rot

13 der 26 Schweizer Kantone schliessen ihre Rechnung 2014 im Minus ab. Trotz Ausnahmen präsentieren sich die definitiven Abschlüsse im Vergleich zu den Budgets in leicht besserem Licht.

Mit der Publikation der Jahresrechnung des Kantons Basel-Landschaft am 29. April sind die kantonalen Rechnungen komplett. Rote und schwarze Zahlen halten sich die Waage. Häufigster Grund für die Defizite ist die ausbleibende Gewinnausschüttung der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Für das laufende Jahr 2015 rechnet wieder eine Mehrheit der Kantone mit Defiziten. Eine doppelte Gewinnausschüttung der SNB hellt das Bild aber auf.

Heterogene Finanzlage der Kantone

Den kumulierten Defiziten von rund CHF 1060 Mio. stehen Überschüsse von gut CHF 520 Mio. gegenüber. Dies ergibt über alle Kantone gesehen ein Defizit von CHF 540 Mio., eine deutliche Verbesserung im Vergleich zum Vorjahr (CHF −793 Mio.). Das grösste Defizit verbucht der Kanton Schwyz mit über CHF 210 Mio., gefolgt vom Kanton Zug mit CHF 139 Mio. In Schwyz sind unter den Erwartungen liegende Steuereinnahmen (CHF −95 Mio.) und die einmalige Ausfinanzierung der Pensionskasse (CHF −40 Mio.) für das negative Ergebnis ausschlaggebend, in Zug ebenfalls Mindereinnahmen bei den Steuern (CHF −55 Mio.).

Den mit Abstand höchsten Überschuss verzeichnet – wie schon im Vorjahr – der Kanton Bern mit einem Plus von rund CHF 210 Mio. Budgetiert war ein Überschuss von lediglich CHF 10 Mio. Grund für das positive Ergebnis sind deutlich höhere Steuereinnahmen sowie tiefere Aufwände. Nach einem grossen Defizit 2012 und der Erholung 2013 festigt der Kanton Bern damit seine Finanzen.

Zahlreiche Kantone haben für 2014 einen Überschuss budgetiert, tatsächlich aber ein Defizit eingefahren – und umgekehrt.  Dies zeigt, wie schwierig sich die Einschätzung der kantonalen Finanzen gestaltet. Meist sind ungenau prognostizierte Steuererträge für unerwartete Mehr- oder Mindereinnahmen verantwortlich.  Da sich die konjunkturelle Entwicklung erst mit einigen Jahren Verzögerung auf die Steuereinnahmen auswirkt, ist eine präzise Schätzung kaum möglich. Hinzu kommen Sondereffekte, in Zürich und Basel-Stadt etwa die Auflösung von Rückstellungen für die Sanierung der kantonalen Pensionskassen, in Solothurn eine Wertberichtigung der Kantonsanteile am Energiekonzern Alpiq von CHF 40 Mio.

SNB ist Sündenbock und Retterin zugleich

2013 erwirtschaftete die SNB einen Verlust von CHF 9 Mia. und verzichtete 2014 deshalb erstmals auf die übliche jährliche Gewinnausschüttung von insgesamt CHF 1 Mia., von der jeweils zwei Drittel an die Kantone und ein Drittel an den Bund fliessen. Da die Kantone aber ihre an der Bevölkerungsgrösse bemessenen Anteile bereits budgetiert hatten, mussten sie zum Teil erheblich zurückbuchstabieren. Zürich fehlten «über Nacht» rund CHF 116 Mio., Appenzell-Innerrhoden immerhin CHF 1.3 Mio. Fast in sämtlichen kantonalen Rechnungen 2014 findet sich denn auch ein Hinweis, der die ausbleibende Ausschüttung für Abweichungen verantwortlich macht.

2015 hingegen wird die SNB zur Retterin der Kantonsbudgets werden: Dank eines Gewinns von knapp CHF 40 Mia. (2014) erhalten die Kantone zur Kompensation eine doppelte Ausschüttung (CHF 2 Mia.), die die kantonalen Abschlüsse erheblich schönt. Die Abweichungen zwischen Budgets und Rechnungen dürften indes noch grösser werden. Nur acht Kantone haben für 2015 eine – ordentliche – SNB-Ausschüttung eingeplant, drei Kantone rechnen mit dem halben Anteil. Geht man von einer doppelten Ausschüttung aus, kehrt dies nicht nur die Vorzeichen der Budgets von Luzern, Thurgau und Jura von Minus zu Plus, sondern verwandelt auch das kumulierte Defizit der Kantone in einen komfortablen Überschuss.

Langfristige Muster in den Finanzergebnissen

Trotz erheblicher Volatilität sind in den kantonalen Finanzergebnissen längerfristige Muster erkennbar.  Nach mehreren Jahren fast landesweiter Überschüsse (2006–2011) sind einige Kantone, die bereits vor 2006 Defizite erwirtschafteten, in den letzten Jahren wieder ins Minus gerutscht.  2012 verzeichneten 17 Kantone ein Defizit, 2013 waren es 16 und 2014 immerhin 13.

Augenfällig ist die Situation in den Kantonen Schwyz, Obwalden, Zug, Solothurn, Schaffhausen und Tessin, die konstante, gewichtige Defizite verzeichnen. Gegenteilig präsentiert sich die Lage in den Westschweizer Kantonen Freiburg, Waadt, Genf, Jura sowie im Kanton Bern. Diese können seit einigen Jahren ausgeglichene Abschlüsse oder sogar Überschüsse vorweisen. Ein Blick auf die Steuersätze lässt die Vermutung zu, dass sich die Westschweizer Kantone die positiven Ergebnisse mit anhaltend hoher Steuerbelastung für Unternehmen wie Private «erkaufen». Die Zentralschweizer Kantone Zug, Schwyz, Obwalden und Nidwalden haben tiefere Steuersätze, aber auch kaum Budgetspielraum.

Obwohl Schaffhausen das fünfte Defizit in Folge verbucht, nahm die Bevölkerung Mitte April 2015 ein Budget-Referendum an und erteilte damit dem Entlastungsprogramm von Regierung und Parlamentsmehrheit eine Abfuhr. Rote Zahlen dürften in Schaffhausen also auch in den kommenden Jahren vorherrschen.

Wachsende Kritik am Finanzausgleich

Der nationale Finanzausgleich ist in vielen Kantonsbudgets ein gewichtiger Posten, sei es auf der Aufwands- oder der Ertragsseite. So zahlte der Kanton Zug 2014 rund CHF 280 Mio., ein Fünftel des Gesamtaufwands, in den nationalen Finanzausgleich. Dies entspricht rund CHF 2300 pro Einwohner. Schwyz steuerte CHF 142 Mio. bei, 10 Prozent des Gesamtaufwands oder CHF 930 pro Person. Damit verzeichnen die beiden grössten Pro-Kopf-Zahler des Finanzausgleichs die grössten Defizite der vergangenen Jahre. Die grössten Empfängerkantone Uri, Jura, Glarus und Wallis weisen demgegenüber gesunde Finanzen auf. Obwohl der Finanzausgleich auf das Ressourcenpotenzial und nicht auf die effektiven Einnahmen eines Kantons abstellt, haben die Geberkantone vor diesem Hintergrund eine Diskussion über die Höhe der Zahlungen lanciert.

Regionale Disparitäten schlagen sich auch im Hinblick auf die Wasserkraft in den kantonalen Budgets nieder. In den Bergkantonen Uri, Graubünden, Wallis und Glarus – Empfängerkantone im Finanzausgleich – fallen erhebliche Erträge in Form von Wasserzinsen an. Diese entrichten die Kraftwerksbetreiber für die Wasserkraft-Konzessionen. Diese Einnahmen, die teils über einem Zehntel der Gesamterträge der Bergkantone entsprechen, fallen nicht unter das Ressourcenpotenzial gemäss Finanzausgleich. Diese Unwucht dürfte bei einer allfälligen Neujustierung des Ausgleichs zu reden geben und sich auf die kantonalen Finanzen auswirken.

Insgesamt stehen die jährlichen Ergebnisse der Kantone auf wackligen Füssen. Bereits kleine Ereignisse und Sondereffekte können die Abschlüsse in das Gegenteil drehen. Eine Mehrheit der Kantone erwirtschaftet seit einigen Jahren Defizite.  Dieser Trend dürfte sich im laufenden Jahr – trotz der unerwartet hohen Ausschüttung der SNB – fortsetzen.