FinTech-Startups können das Bankwesen stärker machen

Die Finanzbranche sollte sich von Innovatoren der auf Kunden fokussierten Jungunternehmen zu Veränderungen inspirieren lassen, sagt Urs Rohner, Präsident des Verwaltungsrates der Credit Suisse.

Disruptive Innovation, in deren Folge bereits ganze Industrien durch externe Entwicklungen transformiert wurden, ist im Bankbereich noch nicht zu erkennen, sagte Urs Rohner, Präsident des Verwaltungsrates der Credit Suisse, an einem Distinguished Speaker Seminar an der Saïd Business School der Oxford University. Die Umwälzung der Branche werde sich jedoch nicht aufhalten lassen, so Rohner weiter, allerdings werde sie vor allem von den Kundenanforderungen geprägt sein.

«Die meisten FinTech-Unternehmen haben heute vielmehr eine schöpferische als eine zerstörerische Wirkung auf die Industrie. Deshalb ist eine Zusammenarbeit zwischen Jungunternehmen und etablierten Instituten von besonderer Wichtigkeit. Insbesondere, wenn Dienstleistungen für das Back-Office auf innovativer Grundlage geschaffen werden, die etablierte Firmen nützen können», ergänzte Rohner. Auf sich gestellt werden viele FinTech-Innovatoren Schwierigkeiten haben, langfristig erfolgreich zu sein. «Die beste Möglichkeit, das erforderliche Wachstum zu erzielen, besteht darin, ein Joint Venture oder eine andere Form der Zusammenarbeit mit einem grossen etablierten Unternehmen einzugehen.»

Wertschöpfung

Laut Rohner konzentrieren sich Innovatoren in der Finanztechnologie auf einzelne, ganz konkrete Teile der Wertschöpfungskette, beispielsweise auf den Zahlungsverkehr oder das Kreditgeschäft, wo Konzepte wie Crowd-Funding an Boden gewonnen haben. Das Bankgeschäft jedoch, so Rohner, ist mehr als die einzelnen Teile der Wertschöpfungskette. Auch wenn junge, aufstrebende Unternehmen für einige Änderungen in Teilen der Wertschöpfungskette sorgen und Banken dazu veranlassen, neue Technologien als Hilfsmittel einzusetzen, um günstiger, schneller und besser zu arbeiten, wird dies nicht zu grundlegenden Veränderungen führen, so Rohner.

Beratung, Urteilsvermögen und Vertrauen

Stattdessen wird der Impuls für Änderungen im Geschäftsmodell der Banken von der Nachfrageseite ausgehen, besonders von geänderten Verhaltensweisen und Erwartungen der Kunden. Mehr Transparenz und bessere Vergleichbarkeit – wie in allen anderen Bereichen auch – haben zur Folge, dass der Kunde Finanzdienstleistungen kritischer denn je bewertet. Zahlreiche Informationen, die zuvor nur von Banken bereitgestellt wurden, sind mittlerweile kostenfrei im Netz abrufbar. Für einen klaren Mehrwert ist der Kunde noch bereits zu zahlen. «Beratung ist ein solcher Mehrwert; es geht dabei um Urteilsvermögen, die Nutzung grosser Mengen an Informationen und das Ziehen der richtigen Schlüsse», sagte Rohner. «FinTech-Unternehmen können bei der Einspeisung und Verarbeitung von Daten helfen, doch letztendlich wird es immer darum gehen, fundierte Einschätzungen und Entscheidungen zu treffen.»

Vorhersage von Bedürfnissen

Die Anforderungen an die Relationship Manager werden sich ebenfalls stark verändern, sagte er. «Insgesamt müssen Dienstleistungen und Finanzberatung auf eine neue Grundlage gestellt werden», sagte Rohner und fügte hinzu, dass das Geheimnis darin bestehen werde, nicht nur den aktuellen Kundenanforderungen, sondern vor allem auch den künftigen Bedürfnissen gerecht zu werden, und diese vorwegzunehmen. Daher sollte der Bankbereich von kundenfokussierten Jungunternehmen lernen, die sich auf die Bedürfnisse ihrer Kunden konzentrieren und diese früh erkennen.

Über bildungsorientierte Spielanwendungen, so Rohner weiter, könnten Kunden auf effiziente Weise über Themen wie Risikobewusstsein geschult werden. «Wir müssen alles ausprobieren», so Rohner. « Ich bin überzeugt, dass einige unserer Ideen nicht gleich funktionieren werden und wir sie weiterentwickeln müssen. Wir müssen unser Feedback-System ausbauen und verbessern – doch das ist etwas, was wir in diesem Umfeld tun können, und zwar in einer Art und Weise, die früher nicht möglich gewesen wäre.»