Evolution des Mobiltelefons
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Evolution des Mobiltelefons

Wer treibt den Fortschritt voran? Menschen, die durch Beobachtung, Hinterfragen des Bestehenden und unkonventionelle Ansätze Erkenntnisse gewinnen und Lösungen ermitteln, die zu einem Paradigmenwechsel führen. Wir haben uns mit einer solchen Person unterhalten – mit Martin Cooper, dem Erfinder des Mobiltelefons.

Credit Suisse: Martin Cooper, Sie haben das Mobiltelefon erfunden. Erinnern Sie sich an den allerersten Anruf damit?

Martin Cooper: Das war am 3. April 1973. Das Erstaunen der Passanten war gross, als ich auf der Sixth Avenue in New York das damals noch knapp ein Kilo schwere Motorola-Mobiltelefon zur Hand nahm, eine Nummer wählte und eine Verbindung zustande kam. Der Anruf wurde von einer Mobilfunkstation auf einem New Yorker Hochhaus ins Festnetz weitergeleitet. Die Passanten blieben stehen und starrten mich an. Und dazu braucht es in New York einiges.

Wen riefen Sie an?

Meinen Rivalen Joel Engel, den Leiter der Forschungsabteilung bei AT&T. Ich sagte: «Hi Joel, hier ist Marty, Marty Cooper. Ich rufe Sie von einem Mobiltelefon an, einem echten Mobiltelefon, einem tragbaren, persönlichen Mobiltelefon.» Dann herrschte für einen Moment Stille. Ich vermute, er biss sich vor Wut auf die Zunge. Aber er bewahrte die Contenance und wir tauschten ein paar Nettigkeiten aus. Später wollte er sich allerdings nicht mehr an den Anruf erinnern.

Batterielebensdauer

Batterielebensdauer

Quelle: Credit Suisse

Was war Ihr «Heureka»-Moment, jener Moment, in dem die Idee des Mobiltelefons entstand?

Ich glaube nicht an das «Heureka»-Konzept. Innovationen sind Resultate von Prozessen, die durch Beobachtung langsam Form annehmen. Ich war bei Motorola für das Geschäft mit den Funkgeräten verantwortlich, die damals besonders von der Polizei und dem Flughafenpersonal genutzt wurden. Dort realisierte ich, wie wichtig die persönliche Kommunikation und permanente Konnektivität für den Menschen ist. Unsere Konkurrenten von den AT&T Bell Laboratories arbeiteten damals auch an der Mobiltelefonie und kündigten 1969 neue Autotelefone an. Ich wusste sofort: Das ist falsch.

Inwiefern?

Wir waren fürs Telefonieren fast hundert Jahre von Kupferkabeln abhängig. Die Zukunft, das wusste ich, war das tragbare Telefon.

Gewichtsänderungen des Mobiltelefons

Gewichtsänderungen des Mobiltelefons

Quelle: Credit Suisse

Inzwischen wurde aus dem Mobiltelefon das Smartphone und heute besitzen rund zwei Drittel der 7,6 Milliarden Menschen ein solches Gerät.

Den grössten Fortschritt bewirkte die Erfindung nicht bei uns im Westen, sondern in den ärmsten Ländern der Welt. Gemäss einer UN-Studie schaffte es in den letzten 25 Jahren über eine Milliarde Menschen, der extremen Armut zu entkommen. Einer der wichtigsten Gründe? Das Mobiltelefon, das sie mit der Wirtschaft vernetzt. Aber auch in der Bildung und medizinischen Versorgung trug das Handy zu substanziellen Fortschritten bei. Solche Dinge machen meine Erfindung wirklich wichtig.

New York

Heute gibt es in New York mehr Mobiltelefone als Einwohner.

Wie viele Stunden pro Tag nutzen Sie selber das Smartphone?

Weniger als eine Stunde. Wirklich brauchen tue ich das Gerät eigentlich nur für Notfälle, um erreichbar zu sein. Und wenn ich beim Abendessen mit jemandem streite, dann zücke ich das Smartphone, um zu beweisen, dass ich recht habe.

Wie zufrieden sind Sie mit der technischen Weiterentwicklung Ihrer Erfindung?

Ganz ehrlich? Ich bin frustriert. Die heutigen Handys sind suboptimal. Denken Sie nur daran, wie unpraktisch es ist, sich dieses Plastikteil ans Ohr zu drücken, um kommunizieren zu können. Es ist höchste Zeit für die nächste Innovation. Die nächste Erfindung ist ein Telefon, das unser Diener ist, und nicht umgekehrt. Es sollte unsere Bedürfnisse vorwegnehmen. Es sollte diese Dinge tun, ohne dass wir überhaupt darüber nachdenken. Und es sollte unser Leben noch besser machen. In Zukunft wird das Handy durch ein Computer-Implantat hinter dem Ohr ersetzt.