Credit Suisse Jugendbarometer 2022: Konjunkturelle Lage und Krieg hinterlassen Spuren – Sicherheitsbedürfnis steigt
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Credit Suisse Jugendbarometer 2022: Konjunkturelle Lage und Krieg hinterlassen Spuren – Sicherheitsbedürfnis steigt

Während vor zwei Jahren noch die Pandemie sowie gesellschaftspolitische Themen bei den befragten Jugendlichen im Zentrum standen, zeigen die diesjährigen Resultate einen klaren Trend hin zu materiellen Sorgen und einem damit einhergehenden gesteigerten Sicherheitsbedürfnis. In allen untersuchten Ländern möchte eine Mehrheit der Befragten die Ukraine mit humanitärer Hilfe unterstützen.

Überblick: Die wichtigsten Erkenntnisse des Credit Suisse Jugendbarometers 2022

  1. Problembewusstsein der Jugendlichen verschiebt sich: Während bei der letzten Befragung im Jahr 2020 die Corona-Pandemie noch in allen untersuchten Ländern die grösste oder zweitgrösste Sorge der Jungen war, zählen in den USA, in Brasilien und in Singapur neu nur noch rund ein Drittel die Pandemie zu ihren Problemen. In der Schweiz ist sie aus den Top-5 der Sorgen ganz verschwunden. Angesichts der geopolitischen Lage ist in allen untersuchten Ländern ein Trend hin zu materiellen und ökonomischen Sorgen zu beobachten. Gesellschaftspolitische Themen sind dagegen etwas in den Hintergrund gerückt.
  2. Engagement für die Umwelt und Gleichberechtigung leicht rückläufig: Im Vergleich zu 2020 hat der Anteil Jugendlicher, die sich für Gleichberechtigung von Mann und Frau einsetzen, in allen untersuchten Ländern abgenommen. Auch der 2015 gestartete Trend, sich für den Umwelt- und Klimaschutz einzusetzen, scheint – ausser in Brasilien – vorerst gebrochen zu sein. Trotzdem fühlen sich im Schnitt über alle vier Länder immer noch 48 Prozent der Jugendlichen der Klimabewegung zugehörig.
  3. Die grössten Sorgen junger Schweizer und Schweizerinnen: Obwohl noch Jahrzehnte von der Pension entfernt, sehen Junge in der Schweiz wie bereits vor zwei Jahren die Zukunft der Altersvorsorge als das grösste Problem des Landes an (44%). Ob die neusten Abstimmungsresultate daran etwas ändern, wird sich zeigen – der Reformdruck bei der Altersvorsorge dürfte allerdings bestehen bleiben. An zweiter Stelle der Sorgenliste folgt der Klimawandel (31%), gefolgt vom gestiegenen Benzin- und Ölpreis (25%) und der Energiesicherheit (22%). Die Gleichstellung der Geschlechter beschäftigt noch 19 Prozent, während die Corona-Pandemie bei den Jungen in der Schweiz nicht mehr unter den Top-Sorgen ist.
  4. Kriegssorgen ausserhalb der Schweiz ausgeprägter: Während in den USA, in Brasilien und Singapur jeweils eine deutliche Mehrheit angibt, der Krieg in der Ukraine bereite ihnen Sorge, fällt dieser Anteil in der Schweiz mit 48 Prozent geringer aus. In allen vier Ländern befürchtet eine deutliche Mehrheit der Jungen, dass sich der Krieg noch auf weitere Länder ausweiten könnte. In der Schweiz äussert nur knapp ein Viertel der Befragten (24%) Verständnis für das Vorgehen Russlands in der Ukraine. In Brasilien (35%), in den USA (42%) und in Singapur (46%) liegt dieser Anteil deutlich höher.
  5. Humanitäre Hilfe bevorzugt: Bei der Beurteilung politischer, humanitärer und militärischer Massnahmen gegen den Krieg in der Ukraine bevorzugen die Jungen in allen vier Ländern eher passive, humanitäre Massnahmen. Der Ukraine soll primär humanitär im Land selber geholfen und Friedensinitiativen von humanitären Organisationen unterstützt werden. In der Schweiz und in Brasilien ist eine Mehrheit der Jungen für die Aufnahme von ukrainischen Flüchtlingen – in den USA und Singapur ist dies nicht der Fall.
  6. Demokratie unter Druck: Die Mehrheit der Jugendlichen in den USA und in Brasilien ist «eindeutig» oder «eher» der Meinung, die Demokratie in ihrem Land befände sich in einer Krise. In der Schweiz und in Singapur fällt dieser Anteil geringer aus. Aufhorchen lässt, dass in den USA nur gerade 39% der Jungen der Meinung sind, die Demokratie sei die einzige richtige Regierungsform für ein gutes Leben.
  7. Pandemie-Massnahmen im Rückblick: In allen Ländern ziehen die Jungen eine ausgeglichene Bilanz über die Massnahmen zur Bekämpfung der Pandemie: Auf einer Skala von 0 bis 10 (0 = der Wirtschaft wurde zu stark geschadet; 10 = der Gesundheit wurde zu stark geschadet), liegt der Mittelwert überall nahe bei 5, was bedeutet, dass sich der wirtschaftliche und der gesundheitliche Schaden aus der Perspektive der Jungen die Balance gehalten haben. Auch bezogen auf die Freiheitseinschränkungen werden die Massnahmen überall als angemessen bewertet (alle Werte zwischen 4 und 6).
  8. Zukunftsoptimismus abnehmend im Trend: Der starke Optimismus und der Glaube an eine bessere Zukunft, der die Generation Y noch geprägt hat, hat deutlich nachgelassen. Über die letzten zehn Jahre nimmt der Anteil jener Jungen, die mit Zuversicht nach vorne blicken, tendenziell ab, wobei die Werte in Singapur am stabilsten sind. In der Schweiz bezeichnen sich nur noch 44 Prozent der Jugendlichen als «eher zuversichtlich» in Bezug auf die eigene Zukunft – 2018 waren es noch über 60 Prozent –, in den USA (41%) und in Singapur (43%) sind es noch weniger. Einzig in Brasilien scheint der Trend wieder etwas zu steigen – neu bezeichnet sich eine knappe Mehrheit von 51% als «eher zuversichtlich».
  9. Ungebrochene Medien-Trends: Keine grösseren Überraschungen gibt es bei der Mediennutzung. Der Medienwandel weg von linearen Medien hin zu sozialen Netzwerken schreitet weiter voran. Soziale Medien wie YouTube, Instagram und TikTok sowie Streamingdienste dominieren. Nur Facebook gehört neben den gedruckten Tageszeitungen zu den grossen Verlierern – besonders in der Schweiz, wo die Plattform nochmals an Bedeutung verloren hat. In den USA hat TikTok mit einem bemerkenswerten Aufstieg erstmals Instagram bei der Mediennutzung überholt.
  10. Zugehörigkeitsgefühl im Wandel: Der Bezug von Jugendlichen zu ihrem unmittelbaren sozialen Umfeld bröckelt. Während Familien und Freunde weiterhin der grösste Zugehörigkeitsanker sind, nimmt der Bezug zum direkten sozialen Umfeld in allen Ländern systematisch ab. Stattdessen findet eine verstärkte Identifikation mit eher unpersönlichen Gruppen wie der Gesellschaft des eigenen Landes, Kontinentes oder auch mit Online Communities statt.
  11. Guter Chef/gute Chefin wichtiger als Home-Office: Ein guter Chef/eine gute Chefin sowie ein guter Lohn zählen bei den Jungen überall zu den drei wichtigsten Eigenschaften eines Arbeitgebers. Themen wie Home-Office und flexible Arbeitszeiten sind – entgegen dem aktuellen Trend – vergleichsweise weniger wichtig.