Gebäude der Zukunft
Unternehmerische Köpfe denken pausenlos. Sie suchen stets nach Verbesserungen, die – bevor sie zum Mainstream werden – als avantgardistisch gelten. Wir sprachen mit Hani Rashid, einem Vordenker und einem der wichtigsten Experten für digitale Architektur, über die Trends in der modernen Architektur.
Sie sind es als Mann der permanenten Auslotung des Machbaren gewohnt, mit Avantgarde-Materialien zu arbeiten. Wohin geht die Reise bei den Baustoffen?
Zwei Wege werden verfolgt. Einerseits die aktuelle Richtung mit immer festeren, preisgünstigeren und vielseitigeren synthetischen Baustoffen – fortschreitend unterstützt von Nanotechnologie für höhere Steifigkeit und bessere Klebstoffe, die revolutionäre Konstruktionen ermöglichen. Die andere Linie verfolgt den Einsatz organischer, nachhaltiger Materialien, etwa von Pilzen oder Mikroorganismen.
Dies erfordert gewiss eine vollkommene Bewusstseinsänderung!
Organische Systeme, geprägt von Wachstum und Verfall, sind als «Gedankengebäude» äusserst herausfordernd für unsere Denkweise als Architekten. Und natürlich stehen hier Visionen und überkommene Traditionen einer weltweit eher konservativen, ökonomisch orientierten Bauindustrie gegenüber.
Die Zementproduktion verursacht fast acht Prozent der weltweiten CO2-Emissionen. Kürzlich wurde ein «Ökobeton» entwickelt, der 30 Prozent weniger Kohlendioxid freisetzt bei 15 Prozent geringerem Energieverbrauch. Werden solche öko-orientierten Materialien Einfluss auf zukünftige Bauprojekte haben?
Absolut. Ich denke hier auch an Fortschritte in der Glas-Technologie, wodurch Solarenergie direkt in Leistung umgewandelt werden kann. Aber wie schon gesagt, all diese Möglichkeiten unterliegen den Gesetzen von Angebot und Nachfrage.
Die Technik des multidimensionalen Druckens, kombiniert mit Hightech-Materialien und neuen Konstruktionsformen, wird möglicherweise die grösste Revolution in unserem Gewerbe auslösen.
Es gibt, von Pistolen bis zu Pizza, kaum noch etwas, was nicht per 3-D-Printer ausgedruckt werden kann. Man hört sogar von ganzen Häusern aus dem Drucker. Wohin führt das die Architektur?
Die Technik des multidimensionalen Druckens, kombiniert mit Hightech-Materialien und neuen Konstruktionsformen, wird möglicherweise die grösste Revolution in unserem Gewerbe auslösen. Sie birgt das Potenzial zu einem Paradigmenwechsel, wie er in der Renaissance eingeleitet wurde, als man die Zentralperspektive in die Malerei einführte.
Inwiefern?
Das war eine radikale Veränderung unserer Wahrnehmung in Bezug auf Raum und Zeit. Ich kann mir etwa vorstellen, dass wir Wandsysteme ausdrucken, deren Luzidität sich im Printverlauf wandelt, so dass wir das Wand-Fenster-Paradigma aufheben, welches seit dem Beginn der industriellen Revolution unverändert ist.
Yas Hotel in Abu Dhabi
Abseits von luftigen Visionen müssen beim Planen und Bauen nach wie vor handfeste Anforderungen erfüllt werden, etwa in Bezug auf die Möglichkeit der Gebäudereinigung. In den Vereinigten Arabischen Emiraten ist beispielsweise die Verschmutzung durch Sand ein grosses Problem für Fotovoltaik-Gläser. Welche Lösungsansätze sehen Sie da?
Ein Wort: Roboter! Während wir das Yas Hotel in Abu Dhabi entwarfen, stiessen wir auf buchstäblich schmutzabweisende Glasoberflächen aus neuester Forschung. Noch effizienter wären Mikroroboter, die darauf programmiert sind, über Glasoberflächen zu wuseln. Ich denke da an Mikroroboter, die selbstreinigendes, mit transparenten Solarzellen imprägniertes Glas polieren. Und wenn ich noch weiter fantasieren darf, so werden in Zukunft chemische, mit künstlicher Intelligenz gesteuerte Prozesse im Glas das Abschatten bei direkter Sonneneinstrahlung regeln.
Aufzüge, so etwas wie die Hauptschlagadern der Wolkenkratzer, stossen an ihre physikalischen Grenzen. Wie realistisch sind die neuen seillosen Konzepte, an denen verschiedene Firmen arbeiten – elektromagnetisch betriebene Kapseln, mit denen man in gebogenen Röhren von der Strasse bis in die Flure gelangt?
Diese Mobilitätskonzepte begeistern mich; die neuen Lifte sind Transportzellen für Menschen, aber auch für Waren, Abfall und für ganze Gebäudekomponenten. Die erwähnten Systeme werden, kombiniert mit künstlicher Intelligenz, einen massiven Einfluss darauf nehmen, wie wir Architektur betreiben.