Anne Maass: der Demenz auf der Spur
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Anne Maass: der Demenz auf der Spur

Anne Maass hat in mehreren Experimenten Gehirnstrukturen untersucht und den Einfluss von Ausdauertraining auf das Gedächtnis getestet. Für ihre Arbeit erhielt sie den EMPIRIS Award 2015.

Simon Staufer: Frau Maass, Sie sind eben ausgezeichnet worden für Ihre Arbeit in der Demenzforschung. Was haben Sie konkret untersucht?

Anne Maass: Zusammen mit anderen Forschern habe ich mit moderner Technologie Hirnareale bei verschiedenen Menschen untersucht, die für die Demenzforschung wichtig sind. Meine Arbeit heisst «Mit hochauflösender Bildgebung der Demenz auf der Spur» – wie der Name schon anklingen lässt, erlaubt es die hohe Auflösung, in die Details zu gehen und Subregionen im Gehirn genauer zu untersuchen, als das bis vor Kurzem möglich war. Wir haben dabei auf den so genannten Hippocampus fokussiert. Dabei handelt es sich um eine Art Schaltzentrale – alle neuen Sinneseindrücke und Informationen werden dort hingeleitet, bevor sie für die dauerhafte Speicherung an den Kortex, die Gehirnrinde, zurückgehen.

Wo besteht hier ein Zusammenhang mit Demenzerkrankungen?

Nun, bei Alzheimer ist es so, dass der Verlust von kognitiven Fähigkeiten mit der Ablagerung von Eiweissen im Gehirn und darauffolgendem Absterben von Nervenzellen verbunden ist. Es wird angenommen, dass diese Ablagerungen der Auslöser der Erkrankung sind. Die Ablagerungen betreffen zunächst den entorhinalen Kortex, der eine Art Eingangsbereich zum Hippocampus ist – und dann den Hippocampus selbst. Was wir nun gemacht haben, ist, dass wir in dieser Hirnregion erstmals im Detail den Informationsfluss gemessen haben, und wie sich dieser auf die Gedächtnisbildung auswirkt. Dabei haben wir zwar gesunde Probanden untersucht, aber die Resultate geben wichtige Hinweise auf Funktionen, die für die Demenzforschung eine zentrale Rolle spielen.

Sie haben verschieden Experimente durchgeführt. Wie sahen diese aus?

Wir haben insgesamt drei Experimente gemacht, zwei davon mit jungen Probanden. Beim einen haben wir die Wiedererkennung bestimmter Szenen getestet, die wir den Probanden vorgelegt hatten, beim anderen den entorhinalen Kortex genau betrachtet, der bei der Verarbeitung von Information im Gehirn eine wichtige Rolle spielt – eine «Art Pforte» zum menschlichen Gedächtnis. In einem dritten Experiment haben wir schliesslich bei älteren Teilnehmenden verglichen, wie sie im Zusammenhang mit sportlichem Ausdauertraining in Gedächtnistests abschnitten.

Wie sind Sie dabei vorgegangen?

Wir haben über drei Monate hinweg zwei Gruppen von gesunden älteren Menschen untersucht, die grundsätzlich keinen Sport in ihrer Freizeit trieben. Die eine Gruppe hat dann ein regelmässiges Ausdauertraining begonnen, die Kontrollgruppe hat Entspannungsübungen gemacht. Nach drei Monaten haben wir die Durchblutung des Gehirns analysiert, und welche strukturellen Veränderungen zu beobachten waren – mit Fokus auf den Hippocampus. Ausserdem haben wir Gedächtnistests durchgeführt. Das Resultat: Das Training hatte eine positive Wirkung auf das Volumen des Hippocampus und auf die Hirndurchblutung. Das wiederum hatte einen positiven Einfluss auf die Gedächtnisleistung der Probanden. Allerdings waren die Resultate in erster Linie bei den Teilnehmenden zu sehen, die noch etwas jünger waren. Bei den Ältesten konnte das Training die Durchblutung nicht mehr erhöhen.

Sehen Sie in diesem Rahmen eine Möglichkeit, dass demnächst Medikamente entwickelt werden könnten, um Alzheimer- und andere Demenzerkrankungen zu heilen – oder sollte die Prävention im Zentrum stehen?

Grundsätzlich deutet leider nichts darauf hin, dass Demenz – ob Alzheimer oder andere Formen – kurz- oder mittelfristig heilbar sein wird. Die Ablagerung von Proteinen und die darauffolgende Degenerierung des Gehirns beginnen in der Regel schon Jahre bevor die Betroffenen klinisch krank sind, und wenn es einmal so weit ist, ist das nicht mehr umkehrbar. Aber in der Prävention bin ich optimistischer: Schon jetzt gibt es immer wieder Hinweise auf Faktoren, die Demenzerkrankungen vorbeugen könnten, unter anderem sportliches und geistiges Training. Je besser wir die Zusammenhänge zwischen den Ablagerungen im Gehirn, dem klinischen Krankheitsbild und externen Faktoren verstehen, desto besser stehen die Chancen, wirksame Präventionsmassnahmen zu finden. Dazu haben unsere Studien einen Beitrag geleistet.

Für diesen Beitrag sind Sie mit dem EMPIRIS Award 2015 (s. Box) ausgezeichnet worden. Welche Rolle spielt für Sie so eine Auszeichnung?

Natürlich freue ich mich zunächst einmal sehr über eine solche Anerkennung, das bedeutet mir viel. Zudem sind Preise und Auszeichnungen für junge Forschende wie mich wichtig, wenn es um Stellen, Forschungsgelder und Stipendien geht. Zurzeit arbeite ich in San Francisco in einem befristeten Vertrag. Der Ort und die Atmosphäre hier gefallen mir sehr und erst kürzlich habe ich die Zusage für ein Forschungsstipendium erhalten, das mir ermöglicht, zwei Jahre hierzubleiben. Danach möchte ich aber einen nächsten Schritt machen und mich in der Alzheimerforschung weiterentwickeln, vielleicht in Magdeburg, wo ich promoviert habe. In dieser Phase für meine Arbeit ausgezeichnet zu werden, ist natürlich eine grosse Hilfe und Motivation.