Adolfo Orsi Jr.: Leben zwischen Maserati und Ferrari

Sind die Preise für Oldtimer zu hoch? Warum sind Ferraris weiterhin die besten Marktindikatoren? Und welchen Klassiker würde er empfehlen? Ein Gespräch mit Adolfo Orsi Jr., einem der weltweit wichtigsten Protagonisten der Oldtimer-Szene und Träger eines grossen Namens aus der Maserati-Geschichte.

Für manche Menschen ist ihre Geschichte eine Last. Adolfo Orsi Jr., geboren 1951, ist dagegen immer noch wie der kleine Junge, der mit fünf Jahren von seinem Vater ein winziges Maserati-Elektroauto geschenkt erhielt und mit einem echten Renn-Helm durch den Garten des Familien-Anwesens fuhr. Maserati, das ist sein ganz grosses Thema, eine lebenslängliche Lust. Als Enkel von Adolfo Orsi, der Maserati 1937 gekauft hatte, als Sohn von Omar Orsi, der den Modeneser Sportwagenhersteller bis 1968 geleitet hatte, mag das nur logisch erscheinen. Und doch – «Mein Bruder», erzählt Orsi Jr., der so grossartig erzählen kann, «interessiert sich überhaupt nicht für unsere Geschichte, er interessiert sich nicht einmal für Automobile.»

Adolfo Orsi Jr.

Explosiver Boom der 80er Jahre

Mit 14 erhielt Orsi Jr. sein erstes Motorrad, mit 17 schlug er vor, dass ein neues Maserati-Modell Indy heissen sollte (was auch angenommen wurde), er studierte dann Recht und erlebte 1971 den Verkauf von Maserati an Citroën hautnah mit, er fuhr 1972 bei der Rallye Monte Carlo mit und fing danach an, die Geschäfte seiner Familie zu leiten. Mitte der 80er Jahre beschloss Adolfo Orsi Jr., dass er sein Leben den klassischen Automobilen widmen wollte, und begann, gemeinsam mit Finarte Auktionen zu organisieren. «Es war eine aufregende Zeit», erzählt er, «damals konnten die Ferraris ihre Preise quasi jährlich verdoppeln, man konnte sich ganz einfach Geld von der Bank leihen, einen Ferrari kaufen, ein Jahr warten – und das Fahrzeug dann mit grossem Profit weiterverkaufen. Ende der 80er Jahre wurde es den echten Sammlern aber viel zu teuer. Die Investoren versuchten, die Autos noch zu jedem Preis zu verkaufen – der Markt brach komplett zusammen.»

In den vergangenen sechs Jahren ging es wieder aufwärts, stark aufwärts. «Aber wenn man etwa die Preise ansieht, die heute für einen Ferrari 365 GTB/4 Daytona erzielt werden, dann ist man inflationsbereinigt erst jetzt wieder dem gleichen Niveau wie Ende der 80er Jahre», nennt Orsi Jr. ein schönes Beispiel. Doch er sagt auch: «Man muss aber schon auch sehen, da ist viel passiert auf dem Markt, nicht nur die Quantität wurde viel höher, auch die Qualität insgesamt – der Veranstaltungen, der Restaurierungsergebnisse und der Services – hat stark zugenommen und dadurch wurde natürlich auch die Qualität der gehandelten Fahrzeuge in den letzten Jahren immer besser. Das Fundament ist heute viel besser und auch breiter als Ende der 80er Jahre.» Was gemäss Orsi Jr. auch damit zu tun hat, dass sich die Hersteller immer mehr auf dem Markt engagieren, dass zum Beispiel Ferrari, Mercedes oder Porsche eigene Klassik-Abteilungen unterhalten.

January, 1957 Adolfo Orsi on Maserati

Junge Sammler kaufen die Traumautos ihrer Kindheit

Und es hat unter anderem auch damit zu tun, dass die Kundschaft in den vergangenen Jahren deutlich jünger geworden ist. Früher, da war ein Rolls-Royce Silver Ghost der Höhepunkt im Leben eines jeden Sammlers. Doch diese Fahrzeuge aus den 20er und 30er Jahren sprechen heute in erster Linie eine ältere Kundschaft an, während ein Ferrari 275 GTB/4, ein Lamborghini Miura oder auch ein Porsche 911 RS zum Teil sehr junge Käufer begeistern können. «Diese Sportwagen aus den 60er und 70er Jahren, und natürlich auch die Youngtimer, sind bedeutend einfacher zu fahren und zu unterhalten als etwa Vorkriegsmodelle. Und es kommt natürlich dazu, dass gerade diese jüngeren Sportwagen die Traumautos der Kindheit waren bei der jüngeren Klientel.» Ist es auch damit zu erklären, dass zum Beispiel die Porsche in den vergangenen zwei Jahren derartige Preissprünge nach oben machten? Orsi Jr.: «Es sind nicht nur die Porsche, das gilt auch für Lamborghini, Maserati und Aston Martin, da fanden deutliche Preis-Korrekturen nach oben statt. Aber die besten Marktindikatoren sind und bleiben schon die Ferraris, die stehen ganz an der Spitze.»

Als Mitverfasser (neben Raffaelle Gazzi) des jährlich erscheinenden «Classic Car Auction Yearbook» kennt Orsi Jr. den Markt wie kein anderer. Wird der Trend nach oben also noch weiter anhalten – oder steht der Oldtimer-Markt wieder vor einer Überhitzung? Orsi Jr. meint feststellen zu können, dass es Mitte des vergangenen Jahres zu einer Verlangsamung kam und der Markt nun nach Jahren, in denen es stets mit voller Kraft voraus ging, etwas zur Ruhe kommt. Das gilt jedoch nicht generell, wie die legendäre Versteigerung der «Baillon»-Sammlung in Paris Anfang des Jahres zeigte, eine Art «Woodstock» in der Auktionsgeschichte: «Bei unserer Ankunft erwartete uns eine dunkle Ausstellungshalle, halbvoll mit fast vergessenen Oldtimern, die dramatisch in Szene gesetzt waren, untermalt von klassischer Musik. Die ausserordentlichen Verkaufssummen waren überraschend und wir alle konnten die Magie von Baillon spüren.»

Aerautodromo test

Juror bei den wichtigsten Schönheitswettbewerben

Adolfo Orsi Jr. reist um die ganze Welt. Er ist einer der wenigen weltweit absolut respektierten Juroren bei den Concours d’Elegance, sei es in der Villa d’Este am Comer See, sei es in Pebble Beach an der amerikanischen Pazifikküste. Selbstverständlich kann auch ein Orsi nicht die Geschichte eines jeden Fahrzeugs kennen, doch der Italiener ist bekannt dafür, dass er sich akribisch vorbereitet. Er hat da auch seine ganz eigene Meinung, was die Originalität von Fahrzeugen angeht. Schon 1999 spielte er eine wichtige Rolle bei der Einführung des FIVA Award in Pebble Beach, mit dem das besterhaltene unrestaurierte Fahrzeug ausgezeichnet wird, und war seither immer als Chief Judge für diese Klasse entscheidend an der Auswahl der Gewinner beteiligt. Orsi Jr. erklärt: «In den USA zählt Perfektion weiterhin mehr als Originalität. Doch zum Glück konnte sich in den vergangenen Jahren immer mehr die Haltung durchsetzen, ein Fahrzeug ‹dans son jus›, wie man in Frankreich sagt, zu behalten. Also in seiner originalen Farbe, mit der Patina im Interieur, mit der Mechanik aus der Zeit. Denn es ist ja auch klar, dass ein Fahrzeug bei jeder Restauration einen Teil seines Charakters und seiner Geschichte verliert.»

Entscheidend ist die Freude am Auto

Und dann natürlich die Frage: Was würden Sie denn zum Kauf empfehlen, Herr Orsi, welches sind die Fahrzeuge, die am meisten Potenzial haben? Orsi Jr., lächelnd: «Lassen Sie sich nie von irgendwelchen Prognosen leiten oder von Ratschlägen von sogenannten Spezialisten. Kaufen Sie immer nur das, was Ihnen gefällt – und achten Sie unbedingt auf beste Qualität. Wer einen Klassiker kauft, der ihm Freude macht, beim Fahren oder nur schon beim Anschauen, der wird immer seine Befriedigung haben. Und wenn sich der Kaufpreis dann auch noch als gutes Investment herausstellt, dann ist die Freude umso grösser.»