Harte Landung in China: Wer spürt sie am stärksten?
Die Wahrscheinlichkeit, dass es in China zu einem abrupten, deutlichen Rückgang des Wachstums kommen wird, ist weiterhin hoch und könnte sogar noch steigen. Welche Länder, Märkte und Unternehmen hätten in einem solchen Fall am meisten zu verlieren?
Welches Risiko bedroht die Weltwirtschaft 2015 am stärksten? Europas schwächelnde Wirtschaft ist ein grosses Risiko, ebenso das allgegenwärtige geopolitische Risiko. Doch am schwersten wiegt die Möglichkeit einer «harten Landung» in China. Die seit Langem bestehenden Sorgen um Chinas Wirtschaft halten an: das Überangebot am Wohnungsmarkt, die hohe Schuldenlast des kreditfinanzierten Wachstums und Investitionen, deren Anteil am BIP mehr als doppelt so hoch wie der Durchschnitt der Entwicklungsländer ist. Und ständig kommen neue Sorgen hinzu: Die Immobilienpreise sind sechs Monate in Folge gefallen, die Kapitalabflüsse befinden sich nahezu auf Rekordniveau und das Einlagenwachstum nähert sich einem Rekordtief.
«Der Hintergrund der aktuellen Dreifachblase – bei Immobilien, Krediten und Investitionen – ist gegenüber der Situation von vor einem Jahr unverändert, doch viele andere Faktoren haben sich aus unserer Sicht verschlechtert», schrieb Credit Suisse Analyst Andrew Garthwaite in einem aktuellen Bericht. Anders gesagt: Die Wahrscheinlichkeit, dass es in China zu einem abrupten, deutlichen Rückgang des Wachstums kommen wird, ist weiterhin hoch und könnte sogar noch steigen. Und welche Folgen könnte ein solcher Rückgang haben? Welche Länder, Märkte und Unternehmen hätten in einem solchen Fall am meisten zu verlieren?
Der australische Dollar wird weiter nachgeben
Zunächst einmal Australien. Rund ein Drittel der Exporte des Landes – dies entspricht 5 Prozent des australischen BIP – gehen nach China. Angesichts der Wachstumsverlangsamung in China und der weltweit fallenden Metallpreise dürften sich die Investitionsausgaben australischer Bergbauunternehmen laut einer Schätzung der Credit Suisse gegenüber ihrem Höchststand aus dem Jahr 2012 halbieren. Vor dem Hintergrund einer Arbeitslosenquote, die höher als in den USA oder Grossbritannien ist, geht die Credit Suisse davon aus, dass die australische Zentralbank versuchen wird, die Wirtschaft durch Zinssenkungen anzukurbeln, und prognostiziert für dieses Jahr eine Senkung des Referenz-Zinssatzes von 2,5 auf 1,5 Prozent. Dies könnte den australischen Dollar weiter schwächen, der bereits von 0.94 US-Dollar im Dezember auf derzeit 0.81 US-Dollar gefallen ist.
Rohstoffpreise geraten unter Druck
Auch bestimmte Rohstoffpreise sind im hohen Masse von der Nachfrage in China abhängig, besonders Kupfer und Aluminium. Im Falle einer harten Landung in China könnten die Kupferpreise nach Angaben der Credit Suisse auf 2 US-Dollar pro Pfund (von derzeit 2.48 US-Dollar) sinken, die Preise für Aluminium könnten um 20 Prozent (von 0.80 US-Dollar) nachgeben. Bei diesen Preisen sähen sich 30 bis 40 Prozent der weltweiten Produktion mit Kosten oberhalb der Marktpreise konfrontiert. Stahl ist zudem besonders anfällig, da Chinas eigene Stahlproduktion wächst und damit den Importbedarf an Stahl sinken lässt.
Deutsche Autobauer bleiben wachsam
Was einzelne Branchen angeht, verfolgen deutsche Autohersteller die chinesischen Wirtschaftszahlen sicherlich mit besonderem Interesse. China hat einen bemerkenswerten Anteil von 30 Prozent an der deutschen Automobilbranche, im Falle von BMW sind es gar 35 Prozent. Grund hierfür sind die deutlich höheren Preise, die deutsche Fahrzeuge in China erzielen – sie liegen 50 bis 100 Prozent über ihren Preisen auf europäischen Märkten in Europa; auf dem Ersatzteilmarkt sind die Margen sogar noch höher. Eine deutliche Abkühlung der chinesischen Konjunktur würde die deutschen Exporte belasten. Hinzu kommt, dass chinesische Autohersteller bereits jetzt ihre Marktanteile am Inlandsmarkt mit zunehmender Qualität ihrer Produkte ausbauen.
Vorsicht bei Aktien mit hohem Exposure in China
Aktienanleger sollten Aktien mit hohem Exposure in China genau im Blick halten, darunter mehrere australische Banken und Einzelhandelsunternehmen, Metalllieferanten aus Norwegen, Deutschland und Chile, Hersteller von Bergbauausrüstung und die deutsche Autoindustrie.
Dieser Artikel erschien ursprünglich in The Financialist.