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Schweizer Wirtschaft: Sparüberschuss wird den Konsum erneut beflügeln

Credit Suisse veröffentlicht den «Monitor Schweiz» für das 1. Quartal 2021


Die Schweizer Wirtschaft dürfte sich dieses Jahr auf breiter Front erholen. Die Ökonomen der Credit Suisse erwarten unverändert ein Wirtschaftswachstum von 3,5 % sowie weiter steigende Konsumausgaben. Diese werden durch die Tatsache beflügelt, dass ein Grossteil der Schweizer Privathaushalte auch in der zweiten Welle einen Sparüberschuss angehäuft hat. Am stärksten dürfte dabei der Non-Food-Detailhandel profitieren. Obwohl die Wirtschaftsleistung das Vorkrisenniveau bis Ende 2021 wieder erreichen sollte, ist der Wohlstandsverlust infolge der Corona-Pandemie insgesamt dennoch beträchtlich.

Das Bruttoinlandprodukt (BIP) der Schweiz ist im letzten Jahr um 2,9 % gesunken – ähnlich stark wie in der Weltfinanzkrise von 2009 (-2,1 %). Der Wirtschaftsverlauf glich dabei einer Achterbahnfahrt: Auf den bisher tiefsten verzeichneten Einbruch im zweiten Quartal 2020 folgte im dritten Vierteljahr die bisher rascheste Erholung, die dann im vierten Quartal wieder an Schwung verlor. Gemäss Schätzungen der Ökonomen der Credit Suisse wird die Wirtschaftsleistung im ersten Quartal 2021 sogar wieder leicht abnehmen (Prognose: -0,5 %), bevor in den Sommer hinein eine graduelle Beschleunigung einsetzt. Für das gesamte Jahr 2021 halten die Credit Suisse Ökonomen an ihrer Prognose fest, wonach das BIP um 3,5 % wachsen wird (Prognose April 2020).

Nachhaltige Erholung nach der Jo-Jo-Entwicklung der Schweizer Wirtschaft
Die Auswirkungen der Pandemie auf die Wirtschaft sind derzeit aus mehreren Gründen deutlich weniger stark als in der ersten Corona-Welle:

  • Erstens ist die Lage der Weltwirtschaft deutlich besser als vor einem Jahr. Insbesondere viele asiatische Länder, auf die rund 30 % der globalen Nachfrage entfallen, haben die Pandemie weitgehend im Griff, und der Aufschwung schreitet voran. Zudem ist zu erwarten, dass der massive Fiskalstimulus in den USA die Nachfrage nach Gütern global anziehen lassen wird. Die Erholung der stark exportlastigen Schweizer Industrie dauert folglich an.
  • Zweitens ist dank der Impfungen und dem vermehrten Testen ein Ende der Pandemie absehbar. Das Wissen um die Endlichkeit der Krise ist mit ein Grund dafür, dass es trotz schwachem Wirtschaftsgang nicht zu einer starken Entlassungswelle kommt. Die Ökonomen der Credit Suisse gehen von einem Anstieg der Arbeitslosenquote auf maximal 3,7 % aus.
  • Drittens sind sowohl die gesundheitlichen als auch die wirtschaftlichen Schutzmassnahmen bereits bekannt und in Kraft. Mit mehr Wissen über das Virus, Maskentragen und vorhandenen Sicherheitskonzepten haben Privathaushalte und Unternehmen zudem gelernt, ihre Aktivitäten «Corona-konformer» zu organisieren. So hat die Mobilität weniger stark abgenommen als in der ersten Welle und der Einfluss der Mobilität auf die Wirtschaft ist geringer geworden.
  • Viertens sind die gegen die Verbreitung des Virus ergriffenen Massnahmen im zweiten Lockdown weniger strikt beziehungsweise zielgerichteter, wodurch der Jo-Jo-Effekt des privaten Konsums geringer geworden ist.

«Übersparen» um zwei Drittel geringer geschätzt als in der ersten Welle
Die Haushalte sparen im Lockdown jeweils überdurchschnittlich viel, denn die Einkommen sinken im Durchschnitt dank den Zahlungen des Staates und der Arbeitslosenversicherung weniger stark als der Konsum, welcher durch die Massnahmen zur Eindämmung des Coronavirus eingeschränkt wird. Gemäss Schätzungen der Ökonomen der Credit Suisse war im ersten Lockdown die Sparquote – also der Einkommensanteil, den ein Haushalt nach Abzug aller Ausgaben spart – beinahe doppelt so hoch wie in normalen Zeiten: Je Haushalt wurde knapp CHF 3’000 zusätzlich gespart. Dank den weniger restriktiven Lockdown-Massnahmen und den geringeren Einkommensverlusten als in der ersten Welle ist der Lockdown-bedingte Sparbetrag derzeit geringer als damals. Gemäss Schätzungen der Credit Suisse Ökonomen spart ein durchschnittlicher Haushalt im zweiten Lockdown noch rund CHF 880 zusätzlich an.

Non-Food-Detailhandel braucht drei Monate bis Vorkrisenniveau
Infolge des dünneren Polsters für den Nachholkonsum und des geringer vorangehenden Konsumeinbruchs ist davon auszugehen, dass die Erholung nach den Lockerungen weniger rasant ausfallen wird als im vergangenen Jahr. Vom erwarteten Nachholeffekt werden zudem nicht alle Konsumbranchen im gleichen Ausmass profitieren. Gemäss den Analysen der Credit Suisse Ökonomen wird die Rückkehr zum Vorkrisenniveau in denjenigen Konsumbranchen am längsten auf sich warten lassen, in denen einerseits die Einschränkungen besonders stark und langwierig waren (beispielsweise interkontinentale Hotellerie) und andererseits der Konsum nicht einfach nachgeholt werden kann (beispielsweise Gastronomie und Freizeitbranche). Während der Non-Food-Detailhandel den temporären Konsumverlust aus einer Lockdown-Woche 2021 mit rund zwei Wochen Nachholkonsum zu kompensieren vermag, braucht das Segment «Unterhaltung und Sport» dafür im Durchschnitt rund acht Wochen. Auch wenn sich die Schweizer Gastronomieszene nach der Wiedereröffnung anfangs grosser Beliebtheit erfreuen wird, erscheint es unwahrscheinlich, dass die Schweizerinnen und Schweizer die Anzahl ihrer Restaurant- oder Barbesuche anhaltend erhöhen werden, um den entgangenen Konsum zu kompensieren. Ohne Nachholkonsum dauert es wohl rund 14 Wochen an Normalbetrieb, um den Konsumverlust einer einzigen Lockdown-Woche des laufenden Jahres wettzumachen. Von einer Rückkehr zum Normalbetrieb ist die Hotellerie am weitesten entfernt. Die weitere Entwicklung im Gastgewerbe hängt davon ab, in welchem Umfang die Einschränkungen beim Grenzübertritt Bestand haben. Sollten im Sommer zumindest Europareisen wieder möglich sein, muss die hiesige Hotellerie damit rechnen, dass die Schweizer ihre Sommer- und Herbstferien wieder vermehrt im Ausland verbringen. Damit dürfte die Unterstützung durch Inlandstouristen 2021 teils wieder wegbrechen. Eine Rückkehr zum Normalbetrieb wird erst dann möglich sein, wenn sich die internationale Reiseaktivität wieder auf dem Vorkrisenniveau einpendelt. Dies scheint den Ökonomen der Credit Suisse frühestens für Mitte 2022 realistisch.

Wirtschaftliche Beschleunigung, aber keine vollständige Erholung in Sicht
Insgesamt wird die Erholung 2021 aber deutlich breiter abgestützt sein als im Sommer 2020. Dementsprechend dürfte die Wirtschaftsleistung vor Ende Jahr das Vorkrisenniveau wieder erreichen. Der Wohlstandsverlust infolge der Corona-Pandemie ist gemäss den Credit Suisse Ökonomen dennoch enorm. Wird das entgangene Wachstum in dieser Zeit berücksichtigt, schätzen sie die BIP-Einbussen der Pandemie auf rund CHF 36 Mrd. im Jahr 2020 und rund CHF 21 Mrd. im laufenden Jahr – somit insgesamt in etwa auf CHF 57 Mrd. (rund 8 % des BIP von 2019). Gemäss dieser Berechnungsart wird die durch COVID-19 verursachte Wachstumslücke selbst Ende 2022 noch nicht vollumfänglich geschlossen sein.

Die Publikation «Monitor Schweiz» wird quartalsweise publiziert und ist im Internet in Deutsch, Französisch und Englisch verfügbar unter: www.credit-suisse.com/monitorschweiz

Die nächste Ausgabe erscheint am 15. Juni 2021.