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Hohe Kosten für Kinderbetreuung – Arbeitgeber im Aargau familienfreundlich

Credit Suisse veröffentlicht Regionalstudie «Aargau» 2020 zum Thema Vereinbarkeit und Familie


Rahmenbedingungen, die eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie fördern, stärken die Attraktivität einer Region als Wohn- und Wirtschaftsstandort. Die neue Regionalstudie der Credit Suisse nimmt die Lage im Kanton Aargau unter die Lupe. Unter anderem dank dem Ausbau des Kinderbetreuungsangebots ist die Erwerbsquote der Aargauer Mütter seit der Jahrestausendwende gestiegen. 2019 nahmen 83 % davon am Arbeitsmarkt teil, überdurchschnittlich oft aber mit einem tiefen Pensum. Eine grosse Hürde für berufstätige Eltern sind die Tarife der privaten oder in öffentlichen Einrichtungen organisierte Kinderbetreuung. Dafür punkten im schweizweiten Vergleich Aargauer Betriebe mit grundsätzlich flexiblen und familienfreundlichen Arbeitsbedingungen.

Der Kanton Aargau gehört weiterhin zu den attraktivsten Wirtschaftsstandorten der Schweiz. Im Standortqualitätsranking der Credit Suisse, das die Attraktivität aus Unternehmenssicht misst, belegt er 2020 im kantonalen Vergleich den fünften Platz. Der Aargau punktet bei der hohen verkehrs-technischen Erreichbarkeit und bei der relativ tiefen Steuerbelastung für natürliche Personen.

Standortqualität 2020: Aargau nach erneutem Rangverlust nur noch auf Platz 5
Im Steuerwettbewerb um Unternehmen verliert der Kanton Aargau weiter an Terrain. Lag er im Standortqualitätsranking 2019 nach einem Rangverlust noch auf dem vierten Platz, wurde er jetzt vom Kanton Genf überholt, der seine Gewinnsteuern deutlich gesenkt hat. In den nächsten Jahren dürfte der Aargau weitere Rangverluste erfahren, weil weitere Kantone die Unternehmenssteuern senken. Bereits jetzt liegt der Aargau beim Steuerindex für juristische Personen nur noch auf Rang 19. «Dem Aargau würde ein weiterer Attraktivitätsverlust drohen, falls der Kanton bei der Revision des Steuergesetzes kein Zeichen setzt und die Gewinnsteuern für Unternehmen nicht deutlich senkt», befürchtet Roberto Belci, Leiter Credit Suisse Region Aargau. Darum wird die Pflege anderer Standortfaktoren noch wichtiger.

Vereinbarkeit von Beruf und Familie trägt massgeblich zur Standortattraktivität bei
Rahmenbedingungen, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtern, wirken sich positiv auf die Standortattraktivität aus. «Aus gesellschaftlicher, sozialpolitischer und volkswirtschaftlicher Sicht ist das Thema Vereinbarkeit Beruf und Familie zentral, denn Eltern – ich denke da besonders an die nicht berufstätigen Frauen – sind für die Aargauer Wirtschaft ein bedeutendes Reservoir an Arbeitskräften», sagt Robin Wasser, Leiter Firmenkunden der Credit Suisse Region Aargau. Zwar stieg in der Nordwestschweiz die Erwerbsquote von Frauen mit Kindern unter 15 Jahren zwischen 2002 und 2019 um fast 10 Prozentpunkte. Elternsein führt jedoch immer noch in erster Linie bei Frauen zu beruflichen Einschränkungen. So haben laut einer Umfrage des Bundesamts für Statistik zwei Drittel der erwerbstätigen Aargauer Mütter ihr Arbeitspensum infolge ihrer Kinderbetreuungspflichten reduziert. Bei den Vätern ist es nur rund jeder Zehnte. Auch Stellenwechsel oder die Übernahme weniger anspruchsvoller Aufgaben zwecks besserer Vereinbarkeit von Beruf und Familie sind bei Müttern deutlich verbreiteter als bei Vätern.

Aargauer Mütter arbeiten überdurchschnittlich oft Teilzeit mit tiefen Pensen
2019 nahmen im Kanton Aargau 83 % der 25- bis 54-jährigen Frauen mit Kindern unter 15 Jahren aktiv am Arbeitsmarkt teil. Damit liegt der Aargau in etwa im Schweizer Durchschnitt (82 %). Aargauer Mütter arbeiten allerdings überdurchschnittlich oft Teilzeit, und zwar in vergleichsweise tiefen Pensen. Vollzeit arbeiten im Aargau nur 11 % der erwerbstätigen Mütter, gegenüber 19 % im Landesmittel. 43 % weisen einen Beschäftigungsgrad von 40 % oder weniger auf. Im Schweizer Durchschnitt sind es 34 %. Neben dem Bildungsniveau, der Herkunft oder der Familiensituation (in einer Partnerschaft oder alleinerziehend) spielen auch die Anzahl und das Alter der Kinder bei der Arbeitsmarktintegration von Müttern eine massgebende Rolle.
Wie eine Auswertung der Steuerstatistik des Kantons Aargau zeigt, tragen bei kinderlosen Ehepaaren nur 24% der Frauen weniger als ein Viertel zum Haushaltseinkommen bei. Bei einem Kind steigt dieser Anteil auf knapp 43 %, bei zwei auf rund 61 % und bei drei und mehr sogar auf 69 %. Am stärksten eingeschränkt sind die Erwerbsmöglichkeiten der Aargauerinnen, wenn die Kinder jünger als 10 Jahre sind.

Angebot an familienergänzender Kinderbetreuung nimmt seit 2003 zu
Zu den wichtigsten Bestimmungsfaktoren der Vereinbarkeit von Beruf und Familie gehört ein ausreichendes Angebot an familienergänzender Kinderbetreuung. Auch dank des Impulsprogramms des Bundes sind seit 2003 im Kanton Aargau mindestens 3300 neue Betreuungsplätze entstanden, über 2000 bei Kindertagesstätten und rund 1300 in der schulergänzenden Betreuung. Die Ökonomen der Credit Suisse schätzen, dass es im Kanton Aargau für Kinder im Vorschulalter rund 3800 bis 4100 Betreuungsplätze in Kindertagesstätten gibt. Auf 100 Kinder im Alter bis 4 Jahren kommen also rund 11 Plätze. Laut Erhebung der Credit Suisse gab es Mitte 2020 rund 195 Kindertagesstätten im Kanton, verteilt auf 116 Gemeinden, wobei die überwiegende Mehrheit noch freie Plätze hat. Am meisten Kindertagesstätten gibt es in und um die städtischen Zentren Baden/Wettingen, Aarau, Lenzburg, Rheinfelden, Oftringen/Zofingen und Brugg/Windisch. Eine vergleichsweise hohe Dichte verzeichnen auch die Regionen Mutschellen und Freiamt.

Nur 29 % der Familien nutzen private oder öffentliche Institutionen für Kinderbetreuung Gemäss Daten des Bundesamts für Statistik nahmen 2018 nur 29 % der Aargauer Haushalte mit Kindern unter 13 Jahren institutionelle Kinderbetreuungsangebote in Anspruch (Schweiz: 40 %), während 38 % ihre Kinder regelmässig von den Grosseltern hüten lassen (Schweiz: 34 %). Das heisst, Aargauer Familien bevorzugen trotz der Verfügbarkeit die nicht-institutionelle Kinderbetreuung. Ein häufiger Grund für den Verzicht sind die hohen Kosten.

Grosse Unterschiede in der Subventionspraxis der Aargauer Gemeinden
Laut dem kantonalen Kinderbetreuungsgesetz (KiBeG) sind die Aargauer Gemeinden verpflichtet, sich je nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit der Eltern an den Kosten der familienergänzenden Kinder-betreuung zu beteiligen. Dabei unterscheiden sich die Reglemente zum Teil stark, z.B. was die Definition des massgebenden Einkommens der Eltern, die Obergrenzen für die Subventionierungs-berechtigung oder die maximale Höhe der Hilfe anbelangt. Die Studie zeigt für einen Beispielhaushalt auf, wie hoch der maximale Unterstützungsbeitrag der Gemeinde pro Betreuungstag in einer Kindertagesstätte je nach steuerbarem Einkommen in sechs Gemeinden (Aarau, Baden, Bremgarten, Brugg, Rheinfelden und Wohlen) ausfallen würde.
Bei den Subventionen am grosszügigsten zeigt sich in diesem Vergleich die Stadt Aarau: Bei tiefen Einkommen liegt der kommunale Unterstützungsbeitrag bei CHF 95 pro Tag (gegenüber CHF 71.50 in Bremgarten) und die Einkommensgrenze für Subventionen liegt im Kantonshauptort höher als in den anderen untersuchten Gemeinden.

Trotz Subventionen wiegt institutionelle Kinderbetreuung schwer im Familienbudget
Für die Eltern relevant ist, was sie nach Berechnung der Subventionen selber bezahlen. Das heisst, die Tarife der Kinderbetreuungsinstitutionen spielen eine wichtige Rolle. Laut Erhebung kostet ein Krippentag im Kanton Aargau im Durchschnitt CHF 110, wobei in Aarau oder Baden der mittlere Tarif bei rund CHF 115 liegt. Besucht das Kind an zwei Tagen pro Woche eine Kindertagesstätte in der Wohngemeinde, belaufen sich die Kosten für die Eltern bei voller Subventionierung auf rund CHF 2’000 pro Jahr in Aarau, Baden, Brugg und Wohlen und auf über CHF 3'000 in Rheinfelden und Bremgarten. Prozentual ist die Belastung trotz Subventionierung bei einkommensschwachen Haushalten am höchsten.
Fällt wegen der Einkommenshöhe der Anspruch auf Subventionen weg, müssen die Eltern zwischen CHF 10'300 (Brugg) und CHF 11'600 (Aarau) für die externe Kinderbetreuung aufwenden. Mehr Kinder und/oder eine höhere wöchentliche Betreuungsdauer würden zu noch höheren Kosten führen, während bei Kindern im Schulalter die Betreuungsintensität und somit die Kosten tiefer ausfallen. Das Beispiel zeigt gut, wie schwer Kinderbetreuungskosten im Familienbudget wiegen.

Steuerabzüge für externe Kinderbetreuung: Aargau kürzt bei Teilzeitpensen
Bei den steuerlichen Abzügen der Kinderbetreuungskosten positioniert sich der Aargau zwar mit einem Maximalabzug von CHF 10'000 pro Kind im Vergleich zu den umliegenden Kantonen praktisch auf gleicher Höhe mit Zürich und Basel-Stadt (CHF 10'100 bzw. CHF 10'000), jedoch vor Luzern (CHF 4'700), Basel-Landschaft (CHF 5'500), Zug und Solothurn (beide CHF 6'000). Aber im Gegensatz zu den umliegenden Kantonen nimmt der Aargau bei Teilzeitpensen eine proportionale Kürzung des Maximalbetrags vor.
Die höchsten Steuerabzüge für die externe Kinderbetreuung verzeichnen die Kantone St. Gallen, Genf (beide CHF 25'000) und Neuenburg (CHF 20'400), während in Uri die effektiven Kosten geltend gemacht werden können. Und bei Kinder- und Ausbildungszulagen gehört der Aargau zu den Kantonen mit den tiefsten Beträgen und erfüllt nur die Mindestanforderungen gemäss Bundesgesetz.

In eine finanzielle Gesamtsicht zum Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie fliessen viele Faktoren ein. Die Studie zeigt anhand einer Aargauer Musterfamilie auf, wie sich Veränderungen im Arbeitspensum der Eltern unter Berücksichtigung von Steuern, Kinderbetreuung, staatlichen Subventionen für die Kinderbetreuung und die Prämienverbilligung sowie weiteren finanziellen Aspekten unmittelbar auf das Haushaltsbudget auswirken. Ergänzend dazu sagt Roberto Belci: «In die individuellen Überlegungen, welches Erwerbsmodell sich für eine Familie am ehesten lohnt, sollten auch längerfristige Aspekte wie die Vorsorge berücksichtigt werden.»

Familienfreundliche Arbeitsbedingungen: Aargauer Betriebe bieten gewisse Flexibilität an
Auch die Unternehmen sind bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie gefordert, indem sie familienfreundliche Arbeitsbedingungen anbieten. Die Studie zeigt, dass Aargauer Betriebe dabei durchaus flexibel sind. So ist der Anteil der Erwerbstätigen, die Arbeitsbeginn und Arbeitsende frei wählen können, mit 49 % im Kanton Aargau leicht höher als im Schweizer Durchschnitt (46 %). Auch kurzfristige Absenzen sind für Aargauer Beschäftigte einfacher möglich, und der Anteil der Erwerbstätigen, die bereits 2019 gelegentlich oder regelmässig im Homeoffice arbeiten konnten, ist im Aargau in den meisten Sektoren höher als im Landesdurchschnitt. «Dies ist umso erfreulicher, wenn man weiss, dass die Aargauer Wirtschaft durch ihre Branchen- und Berufsstruktur ein im Schweizer Vergleich leicht unterdurchschnittliches Potenzial für Homeoffice aufweist», so Robin Wasser.


Die Präsentation, die Medienmitteilung und die vollständige Regionalstudie «Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Kanton Aargau» finden Sie unter: www.nab.ch/regionalstudie