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Credit Suisse Research Institute: Umdenken bei der Altersvorsorge ist nötig

Das Credit Suisse Research Institute (CSRI) hat heute eine Studie veröffentlicht, die angesichts der alternden Gesellschaft dringend zu einem Umdenken beim Thema Altersvorsorge aufruft. Unter anderem zeigt die länderübergreifende Studie, dass die Sorgen um die Nachhaltigkeit der sozialen Sicherheit weltweit zunehmen.

Steigende Lebenserwartung und sinkende Geburtenraten haben in vielen Ländern weltweit die alternde Gesellschaft Realität werden lassen. Das Problem existiert zudem nicht länger nur in Industrie- sondern zunehmend auch in Entwicklungsländern. Weltweit müssen sich Regierungen den Herausforderungen der dieser neuen Realität stellen: Wie soll für die wachsende Zahl der Altersrentner die finanzielle Sicherheit gewährleistet werden? Wie soll ein nachhaltiges Vorsorgesystem für die jüngeren Generationen aufgebaut sein?

In seiner neusten Studie geht das CSRI den wichtigsten Fragen und Entwicklungen mit Blick auf Altersrente und Vorsorge detailliert nach.

Wichtigste Ergebnisse im Überblick:

  • Der demografische Wandel erhöht den Druck auf die bestehenden Vorsorgesysteme weltweit. Die politischen Entscheidungsträger sind mit wachsendem Widerstand gegen eine Reform der Vorsorgesysteme konfrontiert. Doch je länger die nötige Debatte hinausgezögert wird, desto schwieriger wird es, die negativen Folgen der Verzögerung wettzumachen.
  • Der sinnvollste Ansatz, die Nachhaltigkeit der Altersvorsorge zu erhöhen, wäre eine schrittweise Anhebung des Pensionierungsalters. Dies würde gleichzeitig die Ansparphase verlängern und den durchschnittlichen Auszahlungszeitraum verkürzen.
  • Das chronologische Alter (gemessen in Tagen, Monaten und Jahren ab dem Kalenderdatum, an welchem eine Person geboren wurde) sagt nichts über das Wohlergehen einer Person aus. Das ordentliche Pensionierungsalter an einem universellen und starren Schwellenwert festzumachen, wird daher der Komplexität des Alters nicht gerecht.
  • Das traditionelle Konzept des dreistufigen Lebenszyklus – Ausbildung, Arbeitsleben und Ruhestand – sollte überdacht werden. Dazu sind vermehrt neuen Formen von Arbeitszeitmodellen (z. B. Teilzeit oder Zeitarbeit) und Weiterbildung Rechnung zu tragen, die den Übergang in ein längeres Arbeitsleben erleichtern können.
  • Viele Vorsorgesysteme sind noch zu starr in ihren Strukturen, um auf die Erfordernisse der im Wandel begriffenen Gesellschaft einzugehen. Die Vorsorgeeinrichtungen müssen flexibler werden, um dem breiten Spektrum verschiedener Fälle gerecht zu werden – insbesondere mit Blick auf Menschen in nicht-traditionellen Arbeitsverhältnissen. Diese Menschen geniessen häufig nur geringeren oder gar keinen Vorsorgeschutz.
  • Eine länderübergreifende Studie zu den Einstellungen bezüglich des Ruhestands zeigt, dass die Sorgen um die Nachhaltigkeit der sozialen Sicherheit zunehmen. Besonders in den Industrieländern rechnen die jüngeren Alterskohorten damit, dass Altersvorsorgepläne als Einkommensquelle im fortgeschrittenen Alter an Bedeutung verlieren und nutzen ihr Arbeitseinkommen zunehmend als ihren Sparplan für die Zukunft. Der Wunsch, die Berufstätigkeit auch nach dem Erreichen des normalen Pensionierungsalters fortzuführen, ist dagegen in Entwicklungsländern stärker ausgeprägt. Dies erklärt sich dadurch, dass sie im fortgeschrittenen Alter nur wenig oder gar keine finanzielle Unterstützung aus den bestehenden Vorsorgeeinrichtungen erwarten dürfen. Gleichzeitig sind die Menschen in diesen Ländern traditionell weniger daran gewöhnt, den Ruhestand als vollkommen arbeitsfreie Lebensphase zu betrachten.

Oliver Adler, Chefökonom Schweiz bei der Credit Suisse, kommentiert: «Die Vorsorgesysteme stehen unter Druck, weil sie Altersrentnern vor dem Hintergrund einer erhöhten Lebenserwartung und des demografischen Wandels weiterhin finanzielle Sicherheit bieten sollen. Jedes Land steht vor der individuellen Herausforderung, die Nachhaltigkeit der Vorsorgesysteme zu gewährleisten. Zumeist ist eine Mischung aus Massnahmen nötig, damit die Altersrentner ihren gewohnten Lebensstandard fortführen können. Wir müssen das Thema Ruhestand und die kollektiven Anstrengungen, die zur Gewährleistung einer gerechten und nachhaltigen Zukunft nötig sind, neu überdenken.»

Detaillierte Ergebnisse

1. Alternde Gesellschaft und die Pensionierungswelle

  • Die Menschen werden mit jedem Jahrzehnt älter. Die mit einer alternden Bevölkerung einhergehenden Probleme stehen nicht nur Industrie- sondern auch Entwicklungsländern bevor. Während die Industrieländer zuerst mit den Folgen konfrontiert werden, ist abzusehen, dass die Entwicklungsländer diesen Prozess mit noch höherem Tempo durchlaufen werden.
  • Infolge des Geburtenrückgangs und der höheren Lebenserwartung steigt der Anteil von Altersrentnern an der Bevölkerung. Der Anteil der über 65-jährigen ist in den Industrieländern von 7,7 % im Jahr 1950 auf derzeit über 19 % gestiegen und wird Prognosen zufolge bis 2050 auf etwa 27 % wachsen. Im Gegensatz hierzu lag dieser Anteil in den Entwicklungsländern im Jahr 1950 bei 3,8 % und wird bis 2020 den Erwartungen zufolge 7,4 % erreichen.
  • Das Vorsorgesystem ist von dieser Entwicklung besonders stark betroffen, da eine wachsende Zahl von Altersrentnern einer kontinuierlich schrumpfenden Zahl von Beitragszahlern gegenübersteht. Verschärft wird diese Problematik noch dadurch, dass die Leistungen für einen längeren Zeitraum ausgezahlt werden müssen. Doch auch am Arbeitsmarkt werden die Auswirkungen der Pensionierungswelle zu spüren sein. Ohne Produktivitätssteigerungen wird diese Entwicklung auch das Wirtschaftswachstum in Mitleidenschaft ziehen.

2. Der lange Weg zu einem nachhaltigen Vorsorgesystem

  • Angesichts der seit langem bekannten Probleme bei der finanziellen Nachhaltigkeit haben zahlreiche Länder Schritte ergriffen, um ihre Vorsorgesysteme zu verbessern. Zu den wichtigsten Reformen der vergangenen Jahrzehnte zählt die Abkehr von Leistungsprimat-Plänen zugunsten von Beitragsprimat-Plänen.
  • Generell lässt sich festhalten, dass die folgenden vier Optionen Vorsorgesysteme nachhaltiger machen können. Erstens: Die Menschen können ermutigt oder gezwungen werden, während ihres Arbeitslebens mehr Geld für ihren Ruhestand zurückzulegen. Zweitens: Durch Steuererhöhungen können zusätzliche Mittel mobilisiert werden. Angesichts der bereits hohen Besteuerung in vielen OECD-Ländern bietet dieser Ansatz wohl aber keine gangbare Lösung – insbesondere dann, wenn man die negativen Arbeitsanreize aus höherer Besteuerung oder Steuervermeidung berücksichtigt. Drittens: Eine Erhöhung des Pensionierungsalters wäre eine naheliegende Lösung zur Reduzierung der Finanzierungslücke und könnte durch Anreize für eine längere Lebensarbeitszeit ergänzt werden. Viertens: Die Menschen könnten perspektivisch sinkende Altersrenten akzeptieren, um die langfristige Stabilität des Systems zu sichern. In den meisten Fällen wird eine Kombination aus Massnahmen erforderlich sein, um es auch künftigen Altersrentnern zu ermöglichen, ihren gewohnten Lebensstandard fortzuführen.

3. Das Alter ist auch nicht mehr das, was es einmal war

  • Wir definieren unser Alter durch die Zahl in unserem Personalausweis, allein auf Basis der Jahre, die wir auf diesem Planeten verbracht haben. Diese Masseinheit ist losgelöst von der Ära, in der wir leben – eine nackte Zahl, die unser subjektives Wohlbefinden nicht widerspiegelt.
  • Die Aufteilung des Lebens in drei Phasen – Ausbildung, Berufstätigkeit und Ruhestand – geht etwa auf den Beginn des 20. Jahrhunderts zurück. Mit der Zeit ist der Ruhestand zu einem festen Bestandteil der menschlichen Biografie geworden. In den Industrieländern ist der Ruhestand heute kaum noch wegzudenken, in vielen Entwicklungsländern dagegen ist er nach wie vor unbekannt.
  • Wenn die politischen Entscheidungsträger sich des Themas Alter nicht in seiner ganzen Vielschichtigkeit annehmen, schaffen sie damit häufig Gewinner und Verlierer und damit Ungleichheit: Gesunde Menschen profitieren von den Vorzügen eines längeren Arbeitslebens, während weniger gesunde Menschen zusätzliche Arbeitsjahre kaum leisten können und eine Einstellung der Berufstätigkeit zu geringerem Alterseinkommen führt.

4. Einstellungen zum Thema Ruhestand

  • Laut dem zweiten Fortschrittsbarometer der Credit Suisse, bei dem im Rahmen einer repräsentativen Online-Umfrage ermittelt wurde, wie die Menschen Fortschritt und die künftige Nachhaltigkeit ihres Landes bewerten, wächst weltweit die Sorge um die übergreifende Qualität und Nachhaltigkeit der sozialen Sicherungssysteme.
  • Die Bevölkerungen der Industrieländer scheinen grössere Bedenken bezüglich ihrer Altersvorsorgesysteme zu haben. Sie wissen, dass schmerzhafte Reformen unumgänglich sind und haben in ihren eigenen Ländern bereits einige entsprechende Massnahmen erlebt. Daher sind ihre Erwartungen an die künftigen Altersleistungen etwas niedriger. Demgegenüber sind die Altersvorsorgesysteme in einigen Entwicklungsländern noch im Aufbau begriffen und die jüngeren Generationen rechnen mit besseren Leistungen. Viele Menschen in diesen Ländern sind nicht an Altersvorsorgesysteme gewöhnt und sie verlassen sich somit häufig auch nicht darauf.

5. Ruhestand im Wandel

  • Für einen Grossteil der Menschheitsgeschichte bestand das Leben aus höchstens zwei Phasen: Ausbildung und Arbeit. Erst im letzten Jahrhundert kam in vielen Ländern weltweit als dritte Lebensphase der Ruhestand hinzu. Mit der steigenden Lebenserwartung wird der traditionelle dreistufige Weg der neuen Realität möglicherweise nicht mehr gerecht.
  • Die Ermöglichung neuer Lebenswege in einem mehrstufigen Ansatz ist eine Option, die ein längeres Arbeitsleben wesentlich attraktiver machen und damit zur Entlastung der Altersvorsorgesysteme beitragen könnte. Dies bringt jedoch auch neue Herausforderungen mit sich: Die Menschen müssen regelmässig in ihre Kompetenzen und ihre Gesundheit investieren, um beschäftigungsfähig zu bleiben.
  • Nicht zuletzt bieten nicht-traditionelle Arbeitsmodelle Möglichkeiten, das Berufsleben zu verlängern. Gleichzeitig bringen diese jedoch auch Risiken mit sich, wenn die Menschen sich in ihrem mehrstufigen Lebenszyklus zu sehr auf sie verlassen oder unzureichend durch Vorsorgeeinrichtungen abgesichert sind. Die Schwierigkeit besteht darin, Altersvorsorgesysteme aufzubauen, die den Bedürfnissen einer zunehmend heterogenen Gruppe von Berufstätigen gerecht werden.

Über das Credit Suisse Research Institute
Das Credit Suisse Research Institute ist der hauseigene Thinktank der Credit Suisse. Das Institut wurde nach der Finanzkrise 2008 eingerichtet, um langfristige wirtschaftliche Entwicklungen zu untersuchen, die nicht nur im Bereich Finanzdienstleistungen, sondern auch darüber hinaus weltweite Auswirkungen haben bzw. voraussichtlich haben werden. Weitere Informationen über das Credit Suisse Research Institute finden Sie unter www.credit-suisse.com/researchinstitute.

Die Studie «Rethinking Retirement» finden Sie hier.