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Credit Suisse Europa Barometer: Mehrheit für Weiterentwicklung der bilateralen Verträge – Bereitschaft zu Konzessionen jedoch klein

Credit Suisse und Europa Forum Luzern veröffentlichen jährliche Umfrage zu Beziehungen Schweiz-Europa

Eine knappe Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer wünscht sich eine Weiterentwicklung der Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU – durchaus auch über das institutionelle Rahmenabkommen, jedoch ohne grössere Konzessionen zu machen. Zudem vertraut eine Mehrheit auf den Handel mit grossen Drittstaaten, sollte sich der Marktzugang zu Europa für die hiesige Wirtschaft verschlechtern. Dies zeigt das dritte Credit Suisse Europa Barometer, eine repräsentative Umfrage von gfs.bern im Auftrag der Credit Suisse und in Zusammenarbeit mit dem Europa Forum Luzern.

Die bilateralen Verträge der Schweiz mit der Europäischen Union (EU) werden nach wie vor von einer deutlichen Mehrheit der Schweizer Stimmberechtigten als wichtig erachtet. Eine knappe Mehrheit wünscht sich zudem eine Weiterentwicklung der Zusammenarbeit mit der EU, wenn möglich durch das institutionelle Rahmenabkommen. Allerdings ist das Elektorat nicht bereit, Konzessionen gegenüber der EU zu machen. Zu den damit verbundenen umstrittenen Themen wie dem Lohnschutz oder einer Übernahme von EU-Recht haben die Schweizerinnen und Schweizer eine klare Meinung. Zu diesem Schluss kommt das dritte Credit Suisse Europa Barometer, eine repräsentative Umfrage des Forschungsinstituts gfs.bern im Auftrag der Credit Suisse und in Zusammenarbeit mit dem Europa Forum Luzern. Die Ergebnisse sind Teil des Credit Suisse Sorgenbarometer 2019, das am 5. Dezember 2019 erscheint.

Manuel Rybach, Leiter Public Affairs & Policy bei der Credit Suisse: «Mit dem Europa Barometer als Teil des Sorgenbarometers leistet die Credit Suisse einen wichtigen Beitrag zur öffentlichen Debatte über die Europapolitik, welche dieses Jahr besonders kontrovers geführt wird. Es freut uns sehr, dass wir das Europa Barometer bereits zum dritten Mal zusammen mit dem Europa Forum Luzern publizieren und die erfolgreiche Zusammenarbeit dieses Jahr weiter ausbauen dürfen.»

Christof Wicki, Direktor Europa Forum Luzern: «Das Europa Barometer zeigt die jährliche Stimmung der Schweizer Bevölkerung zu aktuellen Europafragen. Und es ist ein ernst zu nehmender Gradmesser, welcher der Schweizer Politik eine repräsentative Orientierung gibt.»

Generell wird die Bedeutung der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung in der EU von den Schweizerinnen und Schweizern weiterhin als hoch eingestuft: 66 Prozent erachten diese als eher oder sehr wichtig. Das sind zwar 8 Prozentpunkte (pp) weniger als letztes Jahr, aber immer noch deutlich mehr als der Anteil der Befragten, welche diese Entwicklung als eher oder sehr unwichtig erachten (23 Prozent). Die bilateralen Verträge werden von insgesamt 73 Prozent des Elektorats als «sehr wichtig» (27 Prozent) oder «eher wichtig» (46 Prozent) bewertet – und gar 76 Prozent der Befragten erachten stabile Beziehungen der Schweiz mit der EU als eher oder sehr wichtig. Die Bedeutung der Bilateralen ist in allen Sprachregionen unbestritten. In der italienischsprachigen Schweiz fällt der Anteil Personen, die die Verträge als sehr oder eher wichtig empfinden, mit 63 Prozent jedoch etwas geringer aus als im Rest der Schweiz (Deutschschweiz: 75%; Westschweiz: 67%).

Institutionelles Rahmenabkommen: Begrenzte Wahrnehmung in der Öffentlichkeit
Seit November 2018 liegt dem Bundesrat ein Vertragsentwurf für ein institutionelles Rahmenabkommen vor, das ein gemeinsames Dach für fünf bestehende sowie zukünftige Marktzugangsabkommen der Schweiz mit der EU schaffen soll. Das Europa Barometer 2019 der Credit Suisse und des Europa Forum Luzern zeigt, dass – trotz des grossen medialen Echos – nur 60 Prozent des Elektorats die Verhandlungen der Schweiz mit der EU rund um das Rahmenabkommen überhaupt wahrgenommen haben. Fragt man diesen Teil der Bevölkerung danach, welche Punkte rund um die Verhandlungen ihnen umstritten schienen, zeigt sich, dass in diesem Zusammenhang vor allem das Thema Löhne/Mindestlöhne/Lohn-Dumping genannt wird. 23 Prozent sehen dieses Thema als umstrittenen Punkt. Dahinter folgen die Themen «fremde Richter» (11 Prozent), die Personenfreizügigkeit (6 Prozent) sowie der Nachvollzug/die Übernahme von EU-Recht und das Thema Sozialpartnerschaft und die damit verbundene Rolle der Gewerkschaften (je 4 Prozent).

Knappe Mehrheit für Weiterentwicklung des bilateralen Weges
Das Europa Barometer zeigt zudem, dass sich eine knappe Mehrheit von 52 Prozent eine Weiterentwicklung der Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU wünscht. 24 Prozent möchten den Status Quo zumindest möglichst halten, und nur 15 Prozent wünschen sich eine Reduktion der Zusammenarbeit mit der EU. Das institutionelle Rahmenabkommen geniesst bei den Befürwortern einer Weiterentwicklung der Zusammenarbeit viel Zustimmung: 63 Prozent favorisieren die Fortsetzung der bilateralen Verträge über das Rahmenabkommen, und nur gerade 17 Prozent wollen dieses primär neu verhandeln. Ein EWR-Beitritt (erste Priorität für 8 Prozent) sowie ein Beitritt zur EU (erste Priorität für 7 Prozent) sind zurzeit kein Thema. Unter den 15 Prozent der Befragten, die sich eine Reduktion der Zusammenarbeit mit der EU wünschen, befürworten 7 Prozent in erster Priorität die Kündigung der bilateralen Verträge, und 33 Prozent sprechen sich gegen die Unterzeichnung des Rahmenabkommens aus – mit dem Risiko der Erosion der Bilateralen.

Eine entscheidende Frage rund um die Verhandlungen des institutionellen Rahmenabkommens mit der EU stellt sich in Bezug auf allfällige Konzessionen, zu welchen die Stimmberechtigten zur Sicherung des bilateralen Weges bereit wären. Eine Mehrheit erreicht keine der abgefragten Möglichkeiten: weder die Anpassung des Sozialversicherungsrechts an EU-Regelungen, noch die Rechtsübernahme oder die Anpassung der Lohnschutzmassnahmen. Letztere hätte jedoch mit 31 Prozent Zustimmung und 50 Prozent Ablehnung bei 19 Prozent Enthaltung rein theoretische Chancen, eine Mehrheit innerhalb des Stichprobenfehlers (+/- 2 Prozent) zu erreichen, was angesichts der breiten medialen Debatte rund um dieses Thema doch eher überrascht.

Lukas Golder, Co-Leiter des Forschungsinstituts gfs.bern: «Anpassungen beim Lohnschutz stossen im Tessin eher auf Zustimmung als in den restlichen Landesteilen. Die Unterstützung dafür ist ausserdem bei den Sympathisantinnen und Sympathisanten der FDP am grössten. Bei der Unionsbürgerrichtlinie ist man am ehesten in der Romandie und bei den Wählerinnen und Wählern der SP zu Kompromissen bereit.»

Viel (Selbst-)Vertrauen in Handel mit Drittstaaten
Die Ergebnisse des Europa Barometers 2019 zeigen zudem, dass sich der Optimismus der Schweizer Stimmbevölkerung im Falle sich verschlechternder Handelsbeziehungen mit der EU gegenüber dem Vorjahr sogar noch akzentuiert hat: Insgesamt gehen 17 Prozent (+1 pp) des Elektorats davon aus, dass eine Verstärkung des Handels mit Drittstaaten wie den USA oder China den entstehenden Verlust durch abnehmende Handelsvolumina mit der EU auf jeden Fall ersetzen kann. Weitere 43 Prozent (+ 5 pp) der Befragten stimmen dieser Einschätzung eher zu. Hingegen sind nur 28 Prozent der Meinung, dass ein solcher Ersatz eher nicht oder auf keinen Fall möglich ist. Gefragt, welche Strategie die Schweiz angesichts der zunehmenden machtpolitischen Kämpfe der Grossmächte im Welthandel verfolgen sollte, bevorzugen 49 Prozent eine eigenständige Nischenpolitik. Nur 34 Prozent wünschen sich eine stärkere Anlehnung an eine geeinte EU-Position, um die eigene Verhandlungsposition zu stärken.

Manuel Rybach: «Die zunehmende wirtschaftliche Bedeutung aufstrebender Märkte und insbesondere Asiens sowie die Bemühungen der schweizerischen Aussenhandelspolitik, darauf zu reagieren, finden zu Recht Beachtung. Ein Blick in die Handelsstatistik unterstreicht aber eindrücklich die Bedeutung des EU-Binnenmarktes: So ist etwa allein das Handelsvolumen der Schweiz mit Baden-Württemberg und Bayern grösser als dasjenige mit China. Freihandelsabkommen mit Ländern ausserhalb der EU sind zweifelsohne sehr wichtig, doch den Marktzugang zur EU vermögen sie für die Schweizer Wirtschaft nicht zu ersetzen.»

Über das Credit Suisse Europa Barometer
Im Rahmen einer Kollaboration der Credit Suisse mit dem Europa Forum Luzern wird seit 2017 das Europa Barometer erhoben. Die Ergebnisse der Umfrage basieren auf den Ergebnissen des Credit Suisse Sorgenbarometers, das seit 1976 Daten zu den grössten Sorgen der Schweizer Stimmbevölkerung, zu ihrem Vertrauen in Akteure aus Politik und Wirtschaft sowie zu Identitätsfragen erhebt. Die Fragen zum Verhältnis der Schweiz mit Europa wurden den Teilnehmenden im Rahmen der Erhebung für das Sorgenbarometer 2019 gestellt. Insgesamt wurden 2‘495 Schweizer Stimmberechtigte zwischen dem 10. Juli und dem 5. August 2019 in einem Mixed-Mode-Verfahren befragt. Das Credit Suisse Sorgenbarometer 2019 erscheint am 5. Dezember 2019.

Über das Europa Forum Luzern
Seit über 20 Jahren ermöglicht das Europa Forum Luzern einen konstruktiven Dialog auf höchster Ebene und setzt Impulse für eine starke Schweiz und ein starkes Europa. Es ist DIE Gesprächs- und Ideenplattform und bringt Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft zusammen. Das Europa Forum in Luzern bietet Orientierung in Zeiten der Unübersichtlichkeit. Dieses Jahr am Annual Meeting vom 3. und 4. Dezember 2019 im KKL Luzern. Weitere Informationen finden sich unter europaforum.ch